Eine Frage des Respekts

Kirchenasyl Deutschland weiß mit seinem rechtsstaatlichen Anspruch durchaus zurückzutreten, wenn der Respekt vor religiöser Tradition dies erfordert. Auch in der Flüchtlingspolitik?
Ausgabe 10/2015
Existiert wirklich: das Kirchenasyl
Existiert wirklich: das Kirchenasyl

Bild: Imago/Christian Ditsch

Das Thema Kirchenasyl gerät ebenso regelmäßig wieder auf die Seiten der Qualitätszeitungen wie das Ungeheuer von Loch Ness. Der Unterschied: Das Ungeheuer von Loch Ness gibt es nicht wirklich, das Kirchenasyl aber schon. Es gibt es freilich nicht so oft, wie man angesichts der hohen Flüchtlingszahlen vermuten sollte oder wie daran gemessen die große Zahl von Kirchen in Deutschland es nahelegen könnte. Aber immerhin, das Kirchenasyl existiert, und so gibt es dazu auch stets wiederkehrend eine gewisse Aufregung unter Politikern, wenn wieder einmal ein Fall bekannt wird.

Zuletzt hat sich Bundesinnenminister Thomas de Maizière mit kräftigen Worten dazu geäußert. Er ist dagegen. Mit den kräftigen Worten will er den Anspruch des Staates betonen, allein durchzusetzen, was in Deutschland nach Gesetz und Ordnung möglich ist. Ob es geschieht, ist ohnehin eine andere Frage. Und was alles in Deutschland nicht geschieht, obwohl es nach Recht und Gesetz geschehen müsste, darüber wird der Innenminister selbst in seinen starken Stunden nicht gern reden wollen. Aber beim Thema Kirchenasyl, da darf man doch mal Flagge zeigen.

Auch ein Politiker einer christlichen Partei? Dazu ist wieder einmal zu sagen, dass das „C“ im Parteikürzel keineswegs darauf hindeuten soll, dass die CDU eine besonders christliche Partei sei. Damit ist nur angezeigt, dass die beiden großen Konfessionen, Katholiken und Protestanten, sich nach den Erlebnissen mit den Nationalsozialisten wenigstens politisch zusammentun wollten. Dabei blieb jeder natürlich, was er war und ist.

Die Protestanten haben ein inniges Verhältnis zum Staat. Solange es in Deutschland Fürsten gab, waren die das Oberhaupt ihrer Kirchen. Die Katholiken sehen den Staat mit mehr Skepsis – aus zweitausendjähriger Erfahrung. Und wenn Jesus gesagt hat, gebt dem Kaiser, was des Kaisers ist, hat er auf eine Münze mit dem Bild des Kaisers hingewiesen und von Steuern gesprochen. Katholiken wiederum denken beim Thema Flüchtlinge gern an das Jesuskind, dass mit Joseph und Maria vor Herodes fliehen musste.

Die Vorfahren de Maizières mussten wegen ihres Glaubens nach Deutschland flüchten und fanden Schutz im absolutistischen Staat der Fürsten. Man sieht, das Thema ist verzwickt. Eines aber ist einfach: Die Bundesrepublik Deutschland weiß mit ihrem rechtsstaatlichen Anspruch durchaus zurückzutreten, wenn der Respekt vor religiöser Tradition dies erfordert. So geschehen gerade erst im Streit um die Beschneidung bei den Juden. Solcher Respekt gebührt auch dem Kirchenasyl.

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