Wenn Politiker, die derbe in die Kritik geraten sind, plötzlich von Stilfragen reden, dann weiß der kundige Beobachter, dass sie etwas zu verbergen haben. Als Bundesinnenminister Thomas de Maizière wenige Tage nach der schon sprichwörtlich gewordenen Silvesternacht das Verhalten der Kölner Polizei kritisierte, die am Neujahrsmorgen vermeldet hatte, alles sei ruhig gewesen, da trat sogleich der nordrhein-westfälische Innenminister Ralf Jäger auf und klagte, das sei schlechter Stil. Spätestens jetzt wusste jeder Polizeireporter im Lande, dass da etwas unter den Teppich gekehrt werden sollte.
Dabei ist das Verfahren, das Jäger wählte, üblich und oft erfolgreich. Es wird hier Autorität gegen Autorität gestellt, und wer die größere Zustimmung in der Öffentlichkeit erhält, der gewinnt die Kraftprobe. Allerdings war es in Köln so, dass allein schon die Menge derer, die auf irgendeine Weise an dem Geschehen in der Silvesternacht beteiligt waren, sich nicht unter den Teppich kehren lässt. Die gewohnheitsmäßigen Verteidiger staatlicher Autorität, die rasch von dem Kleinen Hundert Taschendiebe sprachen, die vor dem Kölner Hauptbahnhof für Missstimmung gesorgt hätten, sahen sich bald mit Berichten der Lokalpresse konfrontiert, die in Köln eher der SPD freundschaftlich verbunden ist.
So ging das also nicht. Folglich wurde der Polizeipräsident geschasst und Innenminister Jäger verhängte einen Maulkorb für die Beamten. Das geschah – natürlich wieder unbeabsichtigt – zur Freude der Polizei- und Lokalreporter, denn diese konnten nun lustvoll alle ihre verdeckten Quellen ausbeuten und brauchten niemandem zu erklären, warum man sich nicht an die offiziellen hielt. Damit war die Geschichte dann auch endgültig bei der größeren, schließlich der großen Politik angekommen. Die Frage lautet: Gibt es informelle Anweisungen an die Polizei, über Straftaten aus bestimmten Gruppen von Ausländern mit besonderer Diskretion zu berichten? Gab es sie nicht nur für Köln, sondern auch für Hamburg und Stuttgart? Und wo noch?
Vom Behördenverhalten, von der Politik her, ist der Ablauf der Ereignisse trivial. Schlimm würde das Geschehen, wenn sich der Eindruck in der Öffentlichkeit verfestigte, das sei nicht trivial, sondern eine Panne bei dem Versuch, der Bevölkerung Sand in die Augen zu streuen. Das käme den Rechtspopulisten zu gute. Die können nach Köln wenigstens nicht von der „Lügenpresse“ reden. Die Presse hat bisher gut gearbeitet. Es sind die Politiker der großen Parteien, die das noch tun müssen.
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