Ganz und gar unpathetisch

Kolumne Der große Bogen von Theodor Heuss zu Claudia Roth: Die Politik der Bundesrepublik ist von jeher eher schneidig als emotional
Statt emotional lieber fromm: Claudia Roth und Katrin Göring-Eckardt
Statt emotional lieber fromm: Claudia Roth und Katrin Göring-Eckardt

Bild: Sean Gallup/Getty Images

In seiner soeben erschienenen Biografie über Theodor Heuss, den ersten Bundespräsidenten, zitiert Peter Merseburger den ersten Bundeskanzler Konrad Adenauer mit einem Wort, dass dieser einst, wie man vermuten kann, gelassen ausgesprochen hat. Bei einer inoffiziellen Zusammenkunft von CDU-Granden in seinem Privathaus in Rhöndorf hatte Adenauer 1949 Heuss als Bundespräsidenten vorgeschlagen, um die FDP als Bündnispartner zu hofieren. Einer der Anwesenden – von der bayrischen CSU – wandte ein, dieser Mann stehe doch den Kirchen sehr fern. „Aber er hat eine sehr fromme Frau“, antwortete Adenauer, „das genügt“.

Merseburger bemerkt dazu, dass diese Antwort inzwischen berühmt geworden sei. Das ist richtig. Doch warum ist sie berühmt? Weil sie einen Grundzug im politischen Stil der Bundesrepublik offenbart, der bis heute wirksam ist.

Keine "Angebermesse"

Knapp fünfzehn Jahre später wollte Rainer Barzel seine Ernennung zum Minister mit einer Messe im Bonner Münster feiern, zu der Familienangehörige und Freunde geladen wurden. Heinrich Krone, enger Freund von Adenauer und Unionsfraktionsvorsitzender, fragte daraufhin, ob Barzel „über-geschnappt“ sei. Die „Angebermesse“, wie es Krone nannte, fand nicht statt.

Die Opas der frühen Jahre der Republik waren durch und durch unpathetisch. Die ersten Erwachsenen der Republik, etwa Helmut Schmidt, Franz Josef Strauß und eben Rainer Barzel, alle Oberleutnants des Zweiten Weltkriegs, bevorzugten dagegen die heftige oder schneidige Rede.

Das schuf ihnen Probleme bei der Jugend in dem von Leuten wie Heuss oder Adenauer geprägten Land. Heuss verabschiedete sich 1958 von den Soldaten im Manöver mit den Worten: „Nun siegt mal schön“. Auch das, damals nicht von jedem gern gehört, wurde zum geflügelten Wort und bezeichnet mehr als manches andere den Unterschied zur Welt von vor 1945.

Rollende Augen

Und nun zum Heute. Die Grünen haben innerhalb weniger Tage Claudia Roth erst mit einem schlechten Ergebnis bei der Wahl ihrer Spitzenkandidaten zur Bundestagswahl gedemütigt und sie dann auf ihrem Parteitag mit großer Mehrheit als Bundesvorsitzende bestätigt. Die Erklärung ist einfach: Claudia Roth mag in Vollendung die Seele der Grünen Partei sein, ihre Sprache, ihr Ton, die rollenden Augen taugen nicht für eine Spitzenkandidatin, die dem politischen Stil des Landes entsprechen muss. Das kann Katrin Göring-Eckardt besser. Die ist eine sehr fromme Frau. Das genügt.

Jürgen Busche schrieb zuletzt über das Zwergschulen-Modell

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