Große Reden, die bleiben

Nachruf Nur wenige Politiker vermögen es mit ihren Reden das Denken ihrer Mitbürger zu beeinflussen und verändern. Richard von Weizsäcker war einer von ihnen
Ausgabe 06/2015
Richard von Weizsäcker 1985
Richard von Weizsäcker 1985

Foto: Dieter Bauer/Imago

Der Tod des sechsten Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker (1984 – 1994) im Alter von 94 Jahren rückt schlagartig vielen Deutschen die Bedeutung vor Augen, die dieser Staatsmann für sein Land hatte. Dem Grundgesetz gemäß als Staatsoberhaupt auf die Wirkung seiner Worte verwiesen, hat er wie nur wenige andere Politiker zu gegebener Zeit das Denken seiner Mitbürger beeinflusst und verändert. Mit seiner zu Recht immer wieder genannten Rede zum 8. Mai 1945, gehalten in Bonn 1985, überzeugte er die meisten davon, dass dieses historische Datum nicht weiterhin mit Begriffen wie Niederlage und Kapitulation in Verbindung zu bringen sei, sondern dass das Ende des Zweiten Weltkriegs die Befreiung von der nationalsozialistischen Diktatur bedeutete. Dass dies gesagt und akzeptiert wurde, bedeutet eine der wichtigsten Zäsuren in der Geschichte der Bundesrepublik.

Dass Richard von Weizsäcker dies gelingen konnte, hat viel mit seiner Biografie zu tun. Er wurde hineingeboren in eine Familie noch jungen Dienstadels, in der es zum Erziehungsprogramm gehörte, dereinst Wichtiges in herausgehobener Stellung für das Gemeinwesen zu leisten. Den Krieg verbrachte der junge Offizier zumeist als Regimentsadjutant, zu welcher Funktion ein Geschick gehört, das ihm später in der Politik sehr zustatten kam. Weizsäcker wurde Manager, dann Präsident des Evangelischen Kirchentages und schließlich 1969 für die CDU in den deutschen Bundestag gewählt. Dort gelang es ihm, seine Partei der Ostpolitik Willy Brandts anzunähern. Weithin in Deutschland bekannt wurde er aber als Regierender Bürgermeister von Westberlin (1981 – 1984). Er nahm die Menschen für sich ein durch die Noblesse seines Auftretens, die Entschiedenheit seines Regierungshandelns und den Perspektivenreichtum seines politischen Denkens.

Die Wiedervereinigung der Stadt und des Landes erlebte er mit doppelter Freude, aber auch mit tiefer Besorgnis, ob es den Deutschen gelingen werde, im Kreis ihrer Nachbarn mit der zum zweiten Mal gewonnenen Einheit besser umzugehen als beim ersten Mal. In seiner Rede zum 3. Oktober 1990 – des offiziellen Tages der Vereinigung – mahnte er die Westdeutschen, den ostdeutschen Mitbürgern mit Respekt zu begegnen. Richard von Weizsäcker starb in Berlin am 31. Januar 2015.

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