Von drängelnden Bischöfen

Kolumne Seit 26 Jahren rühmt Deutschland sich seiner Einheit. Was ein Tatort-Kommissar, Bodo Ramelow und ein aufgebrachter Bischof damit zu tun haben
Ausgabe 40/2016
Drinnen die Einheit, draußen die Spaltung: Die Frauenkirche am Tag der Einheit
Drinnen die Einheit, draußen die Spaltung: Die Frauenkirche am Tag der Einheit

Foto: Sean Gallup/AFP/Getty Images

Zu den Besonderheiten der Bundesrepublik Deutschland gehörte es über Jahrzehnte hinweg, dass die Feiern – aus welchem Anlass auch immer – mit den ökumenischen Gottesdiensten besser gelingen als wenn es der Staat allein besorgt. Das war in Dresden zum 26. Einheitstag anders. Aber eins nach dem anderen.

In der Semperoper begannen Christian Thielemann und die Staatskapelle mit Beethovens Fidelio-Ouvertüre. Dann folgte ein Vortrag der Ringparabel von Lessing. Und auf diesem hohen Niveau ging es weiter. Der sächsische Ministerpräsident Stanislaw Tillich hielt eine kämpferische Rede gegen den Pöbel, der vor der Tür seine Hasstiraden in den Mittag brüllte. Bundestagspräsident Norbert Lammert sprach mit sorgfältig akzentuiertem Ernst, erlaubte sich aber auch Abschweifungen ins Heitere. So, als er zur Veranschaulichung gelungener Migration innerhalb Deutschlands von Ost nach West und umgekehrt den Erfolg des Dresdner Schauspielers Jan Josef Liefers als Tatort-Kommissar in Münster erwähnte und auf den Mann hinwies, der, aus Niedersachsen kommend, in Thüringen als Ministerpräsident glücklich geworden sei. Alles applaudierte und Bodo Ramelow lächelte erfreut. Den Chor hatten die Veranstalter unter das Publikum gemischt, was für das Absingen der Nationalhymne am Schluss hilfreich gewesen sein mag.

Die Frauenkirche ist natürlich ein wunderbarer Ort für den Auftritt der Kirchen. Auch der Gemeindegesang mit aller politischen Prominenz vorneweg war kräftig und ausdauernd. Doch für Chor und Orchester hatte man Stücke von Joseph Haydn ausgewählt. Für das Land Bachs eine seltsame Entscheidung. Liturgisch sind die Protestanten schwach. So kam es, dass bei der Aufstellung der drei Geistlichen zum Abschlusssegen der lutherische Hausherr den katholischen Bischof zur Seite schubsen musste, um in der Mitte zu stehen zu kommen.

Die Lesung war aus der Geschichte von Abraham und Sarah entnommen, die noch in hohem Alter ein Kind bekommen, Isaak. Lehrziel: Zuversicht. Das war unglücklich. Abraham hatte schon einen Sohn mit der Magd Hagar, die aus Mizra stammte: Ismael. Die musste nun auf das Begehren Sarahs hin und auf Geheiß Gottes verstoßen werden. So irrte sie verzweifelt durch die Wüste, wurde schließlich von Gott gerettet, blieb aber mit ihrem Kind als Fremde in der Fremde. Man kann Bibelkundigen unmöglich von der Geburt Isaaks erzählen, ohne das Schicksal Ismaels mit aufscheinen zu lassen. Glücklicherweise sind die Pegida-Leute in Dresden nicht bibelfest.

Der Autor und Journalist Jürgen Busche schreibt in seiner Kolumne Unter der Woche regelmäßig über Politik und Gesellschaft

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