Entrückt und populär

Kolumne Die eigenen Parteifreunde mehr zu fürchten als die Opposition: Was Kanzlerin Angela Merkel und ihren Vorgänger Helmut Schmidt verbindet
Genauso wie er? Merkel und Schmidt gemeinsam im Kanzleramt
Genauso wie er? Merkel und Schmidt gemeinsam im Kanzleramt

Foto: Odd Andersen / AFP / Getty Images

Altkanzler Helmut Schmidt weist gelegentlich – und nicht ohne Koketterie – darauf hin, dass auch Angela Merkel Hamburgerin sei. Zumindest ist sie in Hamburg geboren. Aber das ist nur die geringste der Gemeinsamkeiten, von denen bei ihnen die Rede sein kann.

Beide hatten und haben an der Spitze ihrer Regierungen die eigenen Parteifreunde mehr zu fürchten als die offizielle Opposition. Von Schmidt hieß es oft, er habe leider das falsche Parteibuch – auch wenn davon damals keineswegs alle Christdemokraten überzeugt waren. Von Merkel wird längst nicht mehr nur hinter vorgehaltener Hand gesagt, sie zerstöre die CDU.

Beide durften und dürfen erleben, dass ihre Gegenspieler in anderen Parteien ihnen gegenüber hilflos wirken. Helmut Schmidt wurde nicht im Wahlkampf besiegt. Und heute, ein Jahr vor den 18. Bundestagswahlen, verkündet die SPD sicherheitshalber schon einmal, dass keiner ihrer Spitzenleute in ein Kabinett Merkel eintreten werde. Womit diese sich bereits jetzt gleichsam zur Wahlsiegerin 2013 ausgerufen fühlen könnte, was ihren souveränen Auftritt vor der Bundespressekonferenz vergangene Woche erklären könnte.

Was angenehmer sei, wurde die Kanzlerin da gefragt: eine große Koalition oder Schwarz-Gelb? Nun, antwortete sie, in einer großen Koalition gibt es beim Partner immer einen, der selber Kanzler werden will. Pause. Frage: Und bei Schwarz-Gelb? Angela Merkel, ohne dass jemand wahrnehmen könnte, ob ihr Gesicht sich dabei verzieht: „Herr Rösler ist gern Vize-Kanzler.“ Punkt. „Und das kann ich gut verstehen.“ Vergnügtes Lachen im Auditorium. So eine Nummer hätte auch von Helmut Schmidt kommen können. Und es wäre ebenso goutiert worden.

Parteiferner Politikstil

Doch es gibt auch Unterschiede. Zu Schmidts Zeiten entstanden die Grünen in Konkurrenz zur SPD. Wegen des Nato-Doppelbeschlusses ließen die Sozialdemokraten Schmidt fallen. Nur 14 Delegierte wollten auf dem folgenden Parteitag der von ihm erfundenen Nachrüstung noch zustimmen.

Das kann Angela Merkel nicht passieren. Weder hat eine Konkurrenzpartei zur CDU eine Chance, noch kann es geschehen, dass, wie weiland Norbert Blüm und Heiner Geißler aus Helmut Kohls Truppe, die die Schmidt-SPD sozialpolitisch von links attackierten, nun jemand bei der Opposition auftauchte, der etwa die Energiewende rückgängig machen wollte.

Angela Merkel wird aus der CDU vorgeworfen, sie verscherbele das programmatische Tafelsilber und erkläre zu wenig, was sie wolle; das Reden vom „Kompass“ reiche nicht aus. Helmut Schmidt sagte, wer „Visionen“ habe, solle zum Arzt gehen.

Schmidt und Merkel sind mit ihrem parteifernen Politikstil außerordentlich populär geworden. Die meisten Deutschen, so scheint es, misstrauen Parteien, wenn sie im Gegensatz dazu beherzt auftretende Personen haben können, die zugleich einen kühlen Kopf bewahren und mit ihrer Überlegenheit dem Bild einer über jeden Zweifel erhabenen Handwerkmeisters entsprechen, dem niemand etwas vormachen kann. Die CDU kann ausweislich ihrer Geschichte besser damit umgehen als die SPD. Aber verlassen kann sich die Bundeskanzlerin darauf nicht.

Helmut Schmidt sprach, wenn er sein Politikverständnis erläutern wollte, gern von „Befehlen“, die er vom Grundgesetz, von der Einsicht in die jeweilige Lage und von seinem Gewissen erhalte. Die Disziplin des langjährigen Wehrmachtsoffiziers ließ ihn auch die Demütigung durch die SPD hinnnehmen, deren Star er als Journalist wurde. Die Physikerin Angela Merkel hätte für dasselbe andere Worte, wenn sie darüber sprechen würde. Doch das will sie nicht.

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