Was soll das Gemaule?

Unter der Woche Angela Merkel muss die SPD nicht angreifen
Ausgabe 48/2013

Die ewigen Wochen der Berliner Koalitionsverhandlungen mit Sitzungen an Tischen, die länger sind als je bei Koalitionsverhandlungen zuvor, haben zwar bisher wenig Spektakuläres gezeitigt, aber doch einen Vorwurf aufgebracht, über den das Nachdenken lohnt: Angela Merkel und ihre CDU, hieß es, habe in den Gesprächen und Arbeitsgruppen eigentlich wenig erreicht. Kaum etwas durchgesetzt. Ja, außer der Ablehnung von Steuererhöhungen keine CDU-Position erkennen lassen. Das ist irgendwie richtig, das Erstaunlichste daran aber ist das Erstaunen über diesen Befund.

Bei solchem Gemaule entsteht der Eindruck, das verehrte Publikum habe die Kanzlerin gerade erst kennengelernt. Dabei ist von Angela Merkel gerade in dieser Rolle seit acht Jahren bekannt, dass sie es in vielen offenen Situationen vorzieht, hinzuschauen, hinzuhören und – möglichst lange – abzuwarten. So lange es geht, und gründlich nachzudenken. So lange, bis eine Entscheidung nicht mehr aufzuschieben ist. Ist das ein unpolitisches Verfahren? Zumindest hat sie damit einst Helmut Kohl gestürzt. Und das zu einem Zeitpunkt, an dem sie noch gar nicht Kanzlerin war.

Gegen Ende des Wahlkampfs, im Fernsehduell mit ihrem Herausforderer Peer Steinbrück, hat sie zumeist mit der unausgesprochenen Haltung beeindruckt: Ich bin Kanzlerin, ihr wisst, was ihr an mir habt. Hätte sie mehr tun müssen? Das Wahlergebnis legt das nicht unbedingt nahe.

Nicht anders sah es aber auch in den Koalitionsverhandlungen an den langen Tischen mal hier, mal dort für die CDU aus. Die SPD war vordem angetreten, einen Politikwechsel zu erreichen. Sie musste fordern, wenn sie an der Seite der CDU Politik machen wollte. Die CSU wollte sich wichtig machen, wie immer. Sie muss fordern, um bemerkt zu werden. Die CDU durfte sich darauf beschränken, Themen zu akzentuieren, die in der Koalition mit der FDP nicht harmoniefördernd gewesen waren: Renten, Arbeitsmarkt, Mieten. Was sollte die CDU sonst fordern? Sie regiert an führender Stelle mit ihrer Kanzlerin Angela Merkel. Sollte sie sagen: Bisher haben wir überwiegend Mist gebaut. Das soll jetzt anders werden, aber gründlich! Darum fordern wir erstens, zweitens, drittens?

Politik ist auch ein Kampfspiel, um es in der Sprache des Sports zu sagen. Das ist sie besonders vor Regierungsbildungen. Und bei Kampfspielen gilt: Der Herausforderer muss angreifen, der Titelverteidiger muss das nicht. Tut er es trotzdem, ist er zumindest unvorsichtig. Und das ist Angela Merkel nicht. Oder sagen wir, sie ist es selten.

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