Weniger ist mehr

Breitscheidplatz Über den Umgang mit schrecklichen Nachrichten nach dem Anschlag in Berlin
Ausgabe 51/2016
Schwer zu vermitteln: die Ereignisse am Breitscheidplatz
Schwer zu vermitteln: die Ereignisse am Breitscheidplatz

Foto: Sean Gallup/Getty Images

Der Terroranschlag auf den Weihnachtsmarkt an der Berliner Gedächtniskirche wird nicht der letzte gewesen sein, der Deutschland getroffen hat. Anders als bei früheren Anschlägen, die von bestimmbaren Gruppen begangen wurden, deren Handlungsfähigkeit abzuschätzen war, ist hier der Rückraum des Täters unübersehbar. Nachfolgetäter und Nachahmungstäter können einzeln oder zu mehreren aus etlichen Ländern kommen. Das ist kaum zu kontrollieren.

An diese Gefahr wird man sich in Deutschland gewöhnen müssen. Die hohe Zahl der Opfer und das Schicksal der Betroffenen verbieten es nicht nur für den Augenblick, diese Gefahr zu relativieren. Ob und wann ein solcher Anschlag sich wiederholt, hängt nicht allein, wohl auch nicht einmal zuerst von deutscher Politik ab. Der Konflikt, der diese Taten hervorbringt, kennt keine nationalen Grenzen mehr.

Immerhin können wir fragen, ob das Land, ob die Kommunen gut genug aufgestellt sind, um auf die unmittelbaren Folgen eines Anschlags zu reagieren. Jeder wird zu Recht zögern, wenige Tage nach dem blutigen Geschehen auf dem Berliner Breitscheidplatz mit zwölf Toten und 48 Verletzten auf eine solche Frage mit zufriedener Miene zu antworten. Dennoch sind Dank und Anerkennung, die sogleich den Rettungskräften und der Polizei gespendet wurden, berechtigt und sollten nicht in Vergessenheit geraten. Es muss freilich auch erwähnt werden, dass eine große Feuerwache sich nur einige hundert Meter entfernt von dem Unglücksort befand. Dass von dort ganz schnell Hilfe kam, war auch der günstigen Lage zu verdanken. Man sollte aber bedenken, dass die Personaldecke gerade bei der Feuerwehr in Berlin so ausgedünnt ist, dass derart schnelle Hilfe in der Drei-Millionen-Stadt nicht selbstverständlich ist. Nach allem, was man wissen kann, war die organisatorische Leistung bei den Rettungsarbeiten gut. Auch bewährte sich die Koordination beim Transport der Verletzten in die Krankenhäuser wie geplant. Schon kurz nach dem Anschlag zeigten Fernsehbilder vom Breitscheidplatz Rettungskräfte und Sicherungskräfte, die ebenso rasch wie ruhig ihre Arbeit taten.

Nach München dazu gelernt

Auch die Fernsehprogramme, die mit ihren aktuellen Sendungen ja nicht unwesentlich zum Sicherheitsgefühl der Bevölkerung beitragen, hatten offensichtlich gelernt. War nach dem Amoklauf in München im vergangenen Sommer noch stundenlang von Terror die Rede („München steht unter Beschuss“) und auch auf diese Weise die ganze Stadt in Angst und Schrecken versetzt worden, so kann man bei der Beurteilung des Geschehens in Berlin fast schon von einer Zurückhaltung sprechen, die auch die Glaubensbereitschaft des Publikums auf eine schwere Probe stellte. Als schon massive Details des Tathergangs auf einen Terroranschlag hinwiesen, wurde immer noch gemutmaßt, der Fahrer des überschweren Lkw habe vielleicht am Steuer einen Herzinfarkt erlitten, all das könne immer noch nur ein Verkehrsunfall sein. Die Deutschen neigen dazu, von einem Extrem ins andere zu verfallen. Ob die Experten, die zwischen die immergleichen Bilder eingeschoben werden, wirklich Experten sind, darf bezweifelt werden. Langes Reden befördert nicht immer die Glaubwürdigkeit.

Dass manches viel schlimmer hätte kommen können, tröstet niemanden, den es ganz schlimm getroffen hat. Das macht eine Analyse schrecklichen Geschehens, besonders aber ihre Vermittlung so schwierig. Aber sie ist nicht überflüssig.

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