Wenn der Moderator zündelt

Talkshows Die Moderationen in den Talkrunden der Öffentlich-rechtlichen sind oft hysterisch und populistisch. Mit Journalismus hat das nichts zu tun
Ausgabe 47/2015
Zündeln um der Quote willen wie zuletzt bei Frank Plasbergs „Hart aber fair“
Zündeln um der Quote willen wie zuletzt bei Frank Plasbergs „Hart aber fair“

Foto: Blickwinkel/Imago

Die politische Diskussion über die Zuwanderung von Zehntausenden findet in Deutschland nicht statt. Auf welche Weise sie nicht stattfindet, ist besonders gut zu beobachten, wenn man sich die Talkshows der Fernsehsender anschaut. Besonders informativ unter diesem Aspekt war vor Kurzem Hart aber fair. Herr Plasberg hatte Leute eingeladen, die alle intelligent, vernünftig und nachdenklich waren. Einerseits. Andererseits waren sie klug genug, um die Sache herumzureden. So um die aktuelle Lieblingsfloskel der Krisen-Versteher: Man müsse die EU-Außengrenzen sichern. Jeder sagt das, aber niemand sagt, wie das gehen soll. Die EU-Außengrenzen müssten dann auf dem türkischen Festland liegen. Aber das will keiner sagen. Also redeten Plasbergs Gäste um den wunden Punkt herum. Und wenn mehrere Leute um einen Punkt herumreden, treffen sie sich in unterschiedlichen Kombinationen immer wieder. Kaum sonst einmal in dieser Sendung gab es so wechselnde Übereinstimmung und Dissens.

Plasberg war das nicht recht. Also begann er zu zündeln. Es ging darum, ob die Terroranschläge von Paris und die größtenteils unkontrollierte Zuwanderung über die bayrische Grenze etwas miteinander zu tun hätten. Die Runde war sich einig: Nein. Das gefiel Plasberg noch weniger. „Ich frage ja nur“, tönte er einmal. Aber eine Frage lautete so: Nehme ich nicht lieber Wartezeiten bei der Einreise an der Grenze in Kauf, wenn ich dafür unbesorgt auf den Weihnachtsmarkt gehen kann! Das ist keine Frage, sondern eine Behauptung. Muster für den Bauernfängertrick ist die Frage: Prügeln Sie ihre Kinder eher am Wochenende oder unter der Woche? Und das im öffentlich-rechtlichen Fernsehen. Es sollte nicht sein.

Kaum besser ist das Drängeln der Talkshow-Frauen von ARD und ZDF, der eine oder andere der Gesprächspartner möge jetzt endlich sagen: Ist die Kanzlerin beschädigt? Wird die Kanzlerin demontiert? Die meisten der so Befragten sind besonnen genug, sich darauf nicht einzulassen. Das, so scheint es, bringt die Damen fast zur Verzweiflung. Die Medien werden fast hysterisch: Ist sie beschädigt???!!!

Alle Moderatoren – die es offenbar um der Quote willen aufgegeben haben, sorgsam zu moderieren – berufen sich auf Umfragewerte, nach denen der Stern der Kanzlerin sinkt. Aber wie war es zuletzt in Griechenland, in Wien, in der Türkei, in Polen. Die Institute für Umfragen lagen grotesk daneben. Das ist so in Zeiten beschleunigter Prozesse – also Krisen. Es gibt für Journalisten andere Mittel, die Stimmung in der Bevölkerung zu ermitteln, als Meinungsumfragen. Journalisten wissen das.

Der Autor und Journalist Jürgen Busche schreibt in seiner Kolumne Unter der Woche regelmäßig über Politik und Gesellschaft

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