Wer weiß noch, was ein Reifezeugnis ist?

Schule Die Ergebnisse des Ländervergleichs zeigen vorallem Mängel in der Lehrerausbildung
Probleme in Klassenzimmern: keine isolierten Inseln
Probleme in Klassenzimmern: keine isolierten Inseln

Foto: Andreas Rentz / Getty Images

Josef Pieper, Mitte des 20. Jahrhunderts einer der meistgelesenen Philosophen in Deutschland, lehnte etliche Rufe an große Universitäten ab, weil er an der Pädagogischen Hochschule in Essen bleiben wollte. So ernst wollte er die philosophischen Elemente der Lehrerausbildung genommen wissen.

Damals rangierte Nordrhein-Westfalen bildungsmäßig weit vor Bayern. „Dann kam“, um hier einmal die Bibel zu zitieren, „ein neuer Pharao, der wusste nichts von Joseph.“ Die Bildungspolitik in NRW wurde radikal verändert. Sage also niemand, der Bildungsstandard in einem Land habe nichts mit Politik zu tun.

Dennoch sind die reflexartigen Reaktionen auf die Ergebnisse des Ländervergleichs bei den Viertklässlern ärgerlich.

Weder liegt es an den Unionsparteien, dass ihre Länder besser abschneiden (sonst wäre Hessen weiter vorn), noch werden Äpfel und Birnen miteinander verglichen, wenn man fragt, warum Sachsen-Anhalt so deutlich besser abschneidet als Brandenburg. Und wer nicht sieht, dass die Probleme mit den Migrantenfamilien nicht von den Lehrern allein bewältigt werden können, sieht Schule zu isoliert.

Folgen für die Studierfähigkeit

Disziplin, die ja der Alltag der Schulpflicht ist, wird als gesellschaftliche Leistung vermittelt, oder sie ist so sinnlos, wie ihre Abwesenheit fürs Lernen fatal. Sinnvoll ansetzen muss man, das zeigen die Untersuchungen, bei der Lehrerausbildung. Und was die angeht, setzen sich die Fehlentwicklungen an den Gymnasien fort – mit Folgen für die Studierfähigkeit vieler Abiturienten.

Deren Abschlusszeugnis wurde früher Reifezeugnis genannt. Weiß heute noch jemand, was das ist?

Schule, könnte man sagen, dient heute dazu, „Menschenmaterial“ für Industrie, Handel und Verwaltung zuzurichten. Nun ja, schon 1913 schrieb der Dadasoph Raoul Hausmann: Warum Geist haben, wenn die Welt mechanisch läuft.

Jürgen Busche war zuletzt Chefredakteur der Badischen Zeitung

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