Der Fall Wulff ist, so scheint es, an ein Ende gekommen. Wenn die Staatsanwaltschaft in Hannover, die inzwischen andere Sorgen drückt, den Freispruch akzeptiert und nicht in Revision geht, ist das Thema Vorteils-annahme für den früheren Bundespräsidenten erledigt. Dass er von seinem Amt hatte zurücktreten müssen, gehört zu den Risiken einer politischen Laufbahn. Es sind schon Leute zurückgetreten, denen weniger nachgesagt wurde, und es sind Leute im Amt geblieben, die übler beleumundet waren. Dass Christian Wulff auf dem Weg von verschwommenen Auskünften als Ministerpräsident im niedersächsischen Landtag bis zu seinem letzten Fernsehinterview im Schloß Bellevue Fehler gemacht hat, Fehler, die wägen konnte, wer wollte und wie er wollte, wird er längst selbst wissen. Zu spät.
Possierlich anzusehen ist nun freilich die Art und Weise, wie in den Medien Selbstzerknirschung betrieben wird. War es eine Treibjagd? Eigentlich nicht. Aber leider sah es oft so aus. Haben die Medien Schuld am Desaster Wulffs? Eigentlich nicht, sie haben doch nur ihre Arbeit getan. Aber leider haben sie dabei ein wenig übertrieben. Das Charakteristische an dieser Selbstkritik ist, dass immer nur vom Kollektiv die Rede ist. Man hat wenigstens in den großen Blättern von wenigstens einem der preisgekrönten Schreiber nicht gelesen: „Hier habe ich übertrieben, hier bin ich zu weit gegangen.“ Der Wunsch, die exklusive Nachricht zu haben, in dem Rennen darum vorn zu liegen, scheint nur in der Menge zum Exzess zu führen, nicht beim Einzelnen. Man spricht mit wohligem Gruseln selbstkritisch von der „Rattenjagd“, nicht von der „Ratte“.
Vor allem aber spricht man nur von Wulff. Man hat verdrängt, was damals veranstaltet wurde, als von einer sehr jungen Ruderin bei den Olympischen Sommerspielen vermeldet wurde, dass sie daheim im Mecklenburgischen mit einem NPD-Mann befreundet war. Auch der aktuelle Fall Edathy gäbe wieder Anlass, über den Stil journalistischer Arbeit nachzudenken. Es ist journalistische Arbeit – so weit stimmt das schon. Aber umso mehr kommt es auf Takt, Stil, Augenmaß an. Der Kollege aus der Vertriebsabteilung eines Blattes ist da nicht immer der richtige Berater eines Redakteurs – womit jetzt nicht behauptet werden soll, dass es immer oder oft die Vertriebsabteilung ist, aus der scharfe Töne kommen.
Zurück zum Fall Wulff. Den Ablauf genau betrachtend, kann man vermuten, dass er in der CDU keine Freunde hatte. Das ist ein Problem so mancher CDU-Karrieren, vielleicht eines der Partei. Darüber wäre nachzudenken.
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