Geradeaus ins Auge

IM KINO Mit »Straight Shooter« versucht Thomas Bohn, deutsches Action-Kino zu machen

In diesem Film herrscht Krieg, teilt uns der Senator-Filmverleih über sein neuestes Elaborat Straight Shooter mit. Das paßt ja, und dafür kann man dankbar sein: Ist ja wie im Kosovo. Also wie im Fernsehen.

Wer nicht nur zu Hause friedensichernde Maßnahmen erleben will, sondern auch im Kino, der fühle sich doch bitte schön bei Straight Shooter bestens aufgehoben. So heißt er, der nächste Versuch, echtes deutsches Action-Kino zu installieren.

Volker Bretz (Heino Ferch), der den titelgebenden Spitznamen trägt, weil er bei der Fremdenlegion gelernt hat, wie man eine Kanone geradeaus hält, dreht durch: Weil er, der Armee-Rückkehrer, seinerzeit so intelligent war, samt Familie neben einem Atomkraftwerk irgendwo im Ruhrpott einzuziehen, wird seine kleine Tochter krank und stirbt in seinen Armen - als Schwarzweiß-Rückblende. Da trauert das ganze Krankenhaus mit.

Bretz antwortet mit seinen Mitteln. Vom Dispo-Kredit kauft er sich eine ansehnliche Ausrüstung für den privaten Ernstfall zusammen: Präzisionsgewehr, Handgranaten, Raketenwerfer und das neue Moped fürs Gelände von der Firma Moto Guzzi, die sonst so edle Straßenmöhren baut.

Mit diesem Arsenal macht er nun den Leuten den Garaus, die am Bau des Atommeilers beteiligt waren. Und rabiat: Der eine befindet sich gerade auf der Rotwildjagd und schaut durchs Zielfernrohr, da schlägt das Projektil genau durch Okular und Auge im Oberstübchen ein. Nebenbei gesagt: So paßgenau wie in Steven Spielbergs Soldat James Ryan, wo der geübte Kinogänger die Szene schon hat schätzen lernen. Und der nächste Kunde steht bereits im Schlafanzug parat: Kaum daß er an die Tür geht, um die Zeitung aus dem Briefkastenschlitz zu ziehen - Peng. Wirklich schön: der Großangriff auf den Staatssekretär (Ulrich Mühe), der zu Hause von Sicherheitsbeamten bewacht wird: Erst mit dem Bombenpäckchen die Aufpasser beseitigt und die Fernsehpuschen aus dem ersten Stock besprengt, dann ein Loch in den Kopf - exakt wie die Rote Armee Fraktion selig.

Sind das schon Senator-Tips für künftige linke Außerparlamentarier? Wer baut eigentlich ein Atomkraftwerk? Da kommen so zwei- bis dreihundert Verdächtige zusammen. Und nicht nur Nordrhein-Westfalens Innenministerin Hoelldobler (Hannelore Hoger) schwant, daß hier ein Massenmord bevorsteht, in dessen Verlauf sie selbst zur schönen Leich' wird.

Neben einer ansehnlichen Menge Polizei und Bundesgrenzschutz muß sich auch Oberstaatsanwältin Regine Toelle (Katja Flint) mit dem Fall beschäftigen. Aber die Polente kommt nicht recht weiter im Kampf gegen den bestens ausgebildeten Attentäter. Man bittet dessen ehemaligen Gruppenführer Frank Hector (Dennis Hopper) um Mithilfe, der weiß, wo bei Bretz die Schrauben locker sind. Hector ist ein kalter Mann, dem immer ein zynischer Spruch aus dem Mundwinkel fällt, wenn dort nicht gerade eine Zigarette klebt. Natürlich ist Frank intelligenter und gerissener als die deutsche Schmier. Und mehr Sex ist auch drin in Frank! Will er doch gleich was umlegen: das deutsche Staatsorgan Frau Flint - auf der Matratze, versteht sich.

Gut gebrüllt, Dennis - Hopper gab unlängst zu verstehen, die Dreharbeiten zu Straight Shooter hätten terminlich so gut zu ein paar Ausstellungsbesuchen in Köln gepaßt. Mehr paßt hier leider nicht. Denn Hopper, der agiert wie Hans Albers in seinen 50er-Jahre-Filmen - als weltwissender Übersee Rückkehrer John Schmidt oder so -, läßt seine Umgebung ganz schön verblassen. Heino Ferch gibt sich zwar nach Kräften Mühe, den deutschen Bruce Willis samt dessen Frisur und Unterhemd zu spielen. Aber der Rest, der Rest! Für Hannelore Hoger oder Katja Flint bleiben nur Dialogschnipsel übrig, die wohl in den Müll geflogen wären, hätte Regisseur Thomas Bohn nicht die bahnbrechende Einsicht gehabt, daß man für Filme auch Frauen braucht. Strohblond gleich strohdoof heißt das für Schauspielerin Flint, die, krasser geht's nicht, die Hopp-Hopper-ins-Bettchen-Szene mit der Begründung ablehnt, sie müsse ihren Sohn morgens zur Schule bringen. Und Frank Hector zur Kinderfrage? Er schlägt seine Freundin zusammen, weil die nicht abtreiben will. Der Mann hat wirklich einen Blick fürs Wesentliche. Die anderen Akteure nicht, das ist sicher. Ehrfürchtig laufen und brabbeln sie um den verirrten US-Star herum und huldigen ihm mit unterwürfigen Sätzen und Gesichtern wie die sieben Zwerge Schneewittchen.

Deswegen wird auch Hopper den Straight Shooter erledigen, die deutsche Polizei schafft es ja nicht. Will sagen: Ein weiteres Mal wird, das deutsche Publikum liebt so etwas, ein innenpolitisches Problem mit militärischer Rettungstat gelöst. Sinngerecht bläst Regisseur Bohn, bis dato mit Werbespots in Erscheinung getreten, mächtig in die Tröte: Er selbst sei drauf und dran gewesen, in die Fremdenlegion zu gehen, da wo die harten Jungs rumlaufen. Nach dem Bund sei ihm fast nichts Besseres eingefallen.

Dann verfiel er aufs Filmemachen. Und ihn, Bohn, da legt er Wert drauf, dürfe man getrost als Feldwebel bezeichnen. Am Set wohlgemerkt. Wo Filmemachen ja wie Krieg sei. Bzw., um im Jargon von Regierung und Tageszeitungen zu bleiben: eine friedenssichernde Maßnahme.

Gibt es überhaupt nichts Nettes zum Straight Shooter zu sagen? Doch. Erstens wurde sich sichtlich bescheuert und ernsthaft Mühe mit der Optik gegeben. Das steht in krassem Gegensatz zu jener Komik, zu der sich hier die Schauspieler-Pflichtigen unfreiwillig gemeldet zu haben scheinen. Zweitens: In diesem Film spielen die Industriebrachen des Ruhrgebietes eine Rolle - sowas Echtes sieht man selten. Ein Zugewinn also für die heimische Kinolandschaft ist dieser Gewaltporno.

Woran erinnert das? An den Film Stalingrad von Joseph Vilsmaier. Warum? Erstens soll es die gleichnamige Stadt auch mal gegeben haben. Und zweitens ist der Film auch eine prima unfreiwillig produzierte Komödie. Vilsmaier, dem am Bildrand immer die Kulissen ausgehen, hat denn auch maßgeblich mit Straight Shooter zu tun: Er hat Thomas Bohns Kino-Plädoyer für den finalen Rettungsschuß produziert.

»Wir haben alle Scheiße gebaut. Die Politik, die Wirtschaft, ich und deshalb auch sie«, läßt Bohn seinen Staatssekretär Paufler sagen. Welcher Film bringt schon so dezidiert seine eigene Filmkritik mit? Und: Wäre es überhaupt gut, wenn deutsche Filme besser als dieser wären? Dann würde es am Ende noch Oscars geben. Nein. Dafür müßten die deutschen Truppen Hollywood ausbomben. Das wäre ja - wie im Kosovo! Wie im Fernsehen!

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