Geisterfahrer unterwegs

Operation Enduring Freedom Mit dem erneuten Mandat für die Bundeswehr wird willentlich das "System Guantanamo" zementiert

"Auch wenn wir irgendwann sagen können, die Schlachten in Afghanistan oder woanders sind beendet, wird der Kampf gegen den Terrorismus ewig weiter gehen. Der Terrorismus wird überall unser Feind sein. Wir müssen das zur Kenntnis nehmen und dürfen den Kampf gegen ihn nie aufgeben."

Diese pathosgetränkte Propaganda entstammt nicht etwa einer Rede von George Bush - es war der für seine archaische Kämpfer-Rhetorik notorisch bekannte Generalleutnant Hans-Otto Budde, immer noch in Amt und Würden befindlicher Inspekteur des deutschen Heeres, der solches kundtat. Man mag dieses Kriegsgeheul für unerträglich halten. Doch sagt Budde nichts als die nackte Wahrheit. Es zeichnet sich kein Ende im "Krieg gegen den Terror" ab. Ganz im Gegenteil: Seit Gerhard Schröders Schurkenstück, mit dem er als Kanzler dem Bundestag im November 2001 mit blanker Erpressung qua Vertrauensfrage das erste Mandat für die Beteiligung der Bundeswehr an der Operation Enduring Freedom abgenötigt hat, segnet eine Mehrheit der Parlamentarier Jahr für Jahr den Völkerrechtsbruch ab. Ganz offenbar blockiert Schröders damalige Proklamation "uneingeschränkter Solidarität" zusammen mit Peter Strucks Parole, wir seien "heute alle Amerikaner", zuverlässig die Wiedergeburt der seitdem ausgeschalteten Hirne. Jegliche Kritik an dem völkerrechtswidrigen Global War on Terror wird dreist als "abenteuerlich" abgebügelt.

Dabei war von Beginn an die völkerrechtliche Legitimation für Militärinterventionen gegen das mutmaßliche Terrornetzwerk von al-Qaida mehr als brüchig. Nicht in einer einzigen Resolution hat der UN-Sicherheitsrat die USA und die NATO zu militärischer Gewalt ermächtigt. Er allein wäre hierzu berechtigt. Statt dessen berufen sich die völkerrechtlichen Geisterfahrer im "Anti-Terror-Krieg" penetrant auf den Artikel 51 der UN-Charta, der das Selbstverteidigungsrecht regelt. Dieses freilich gilt satzungsgemäß nur bis zu jenem Zeitpunkt, an dem der Sicherheitsrat selbst seine Kompetenzen wahrnimmt, um die internationale Sicherheit wiederherzustellen. Und dies hat er getan - bereits 17 Tage nach den Angriffen auf World Trade Center und Pentagon rief er mit seiner Resolution 1373 die Mitgliedsstaaten zur Bekämpfung des internationalen Terrorismus mit politischen, wirtschaftlichen, polizeilichen und gesetzgeberischen Maßnahmen auf - zu militärischer Gewalt ermächtigte er damals gerade nicht!

Selbst wenn sich die Anti-Terror-Krieger aufgrund dieses vorgeblichen Defizits berechtigt glaubten, eigenmächtig für Ersatz zu sorgen, hätte diese "Selbstverteidigung" spätestens dann enden müssen, als der Sicherheitsrat zum Handeln entschlossen war. Exakt dies tat er am 20. Dezember 2001 und autorisierte mit der Resolution 1386 den Einsatz der mittlerweile von der NATO kommandierten International Security Assistance Force (ISAF) in Afghanistan, die er gemäß Artikel 42 der Charta zum Gebrauch bewaffneter Gewalt ermächtigte, sollte das für ihren Auftrag nötig sein. Zugleich war damit für Enduring Freedom jegliche Legitimation entfallen.

Derlei völkerrechtliche Einwände vermögen die von bodenlosem Rechtsnihilismus geprägte politische Klasse dieses Landes offenbar nicht zu beeindrucken. Ungeachtet des höchstrichterlich gefällten Urteils des Leipziger Bundesverwaltungsgerichtes, wonach die "Beteiligung an einem völkerrechtlichen Delikt selbst wiederum ein völkerrechtliches Delikt sei", segnet eine Zweidrittel-Mehrheit des Parlamentes gegen eine Dreiviertel-Mehrheit des Volkes die fortwährende Bundeswehrbeteiligung am Völkerrechtsbruch ab. In den Folterräumen des "Systems Guantanamo" - denn dieses bildet den harten Kern des Terrorkrieges - dürfte demnach auch künftig kein Mangel an Menschenopfern herrschen.

Dipl. Päd. Jürgen Rose ist Oberstleutnant der Bundeswehr. Er vertritt in diesem Beitrag nur seine persönlichen Auffassungen.

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