Sternstunde der Demokratie

Schattenkrieger Die geheimen Operationen des Kommandos Spezialkräfte (KSK) der Bundeswehr am Hindukusch versetzen den Freiherrn im Verteidigungsministerium in erneute Erklärungsnot

Es gehört zu den Eigentümlichkeiten der Affäre um das Bombenmassaker nahe dem af­ghanischen Kunduz am 4. September, dass die Bild-Zeitung durch die Bekanntmachung geheimer Bendlerblock-Papiere zum exklusiven Informationsmedium mutiert. Schon zum zweiten Mal hat das Blatt ganz wesentliche Inhalte aus ihr zugespielten, amtlich geheimgehaltenen Dokumenten an ein Millionenpublikum geliefert. Das evoziert die Frage nach jenem „Deep Throat“, der sich nach dem Vietnamkriegszeiten bekannten Vorbild als Informant betätigt. Zugleich taucht die Frage auf: Tut er das mit Wissen oder Billigung des Verteidigungsministers zu Guttenberg? Denn Geheimnisverrat – und um solchen handelt es sich im vorliegenden Falle ganz offensichtlich – stellt eine mit Freiheitsentzug bewehrte Straftat dar.

Dass ein amtierender Verteidigungsminister in Derartiges verwickelt sein könnte, muss als nahezu ausgeschlossen gelten. Dann aber stellt sich die Frage, inwieweit der Inhaber der Befehls- und Kommandogewalt (IBuK) über die Bundeswehr, aus dessen unterstellten Bereich heraus eklatante Straftaten verübt werden, noch die tatsächliche Kontrolle über sein Amt ausübt. Hier wird der Freiherr sich erklären müssen. Prüft man die Frage nach dem Cui bono dieser Geheimnisverratsaktionen, so ist zunächst zu konstatieren, dass hierdurch der Bundeswehroberst Georg Klein, auf dessen Befehl hin die US-Jagdbomberpiloten ihre tödliche Fracht abwarfen, als entlastet erscheinen muss. Denn er traf seine Entscheidung offenkundig auf Grundlage jener Informationen, die er von den Offizieren des im Rahmen der „Task Force 47“ agierenden Kommandos Spezialkräfte (KSK) erhalten hatte. An diesem Punkt wird auch der wahre Hintergrund der gesamten Aktion evident, der zuvor mehr als drei Monate lang systematisch verschleiert wurde: Es ging nämlich gar nicht um zwei vom Feind erbeutete Tanklastwagen, sondern um die Liquidierung von vier hochrangigen Anführern der Taliban. Die sollten physisch vernichtet werden, koste es, was es wolle.

In jener Nacht in Kunduz hatte der deutsche Oberst, umringt von seinen Geheimkriegern, angesichts der von diesen präsentierten Lage gar keine andere Wahl, als bombardieren zu lassen. Mit welchem Argument hätte er es rechtfertigen wollen, diese menschlichen „Hochwertziele“ entkommen zu lassen? Zugleich mit Oberst Klein scheint aber auch sein Minister ein Stück weit aus der Bredouille befreit, weil nunmehr zu Guttenbergs Einlassung vor der Presse, es hätte „auf jeden Fall zur Bombardierung kommen müssen“, als durchaus zutreffend erscheint. Der wahre Skandal der Affäre besteht darin, dass die KSK-Kämpfer den Oberst in die Rolle des Scharfrichters manövriert haben, dessen Helfer die US-Piloten waren. Ein weiteres Mal offenbart sich somit die verheerende Rolle, die Deutschlands demokratisch nahezu unkontrollierte Schattenarmee im so genannten Krieg gegen den Terror spielt. Zugleich erweist sich überdeutlich die von der Bundesregierung betriebene und vom Parlament abgesegnete Publikumstäuschung, die darin besteht, den Einsatz des KSK im Rahmen der Operation Enduring Freedom formal zu beenden, ihn aber unter dem Dach der ISAF unvermindert weiterlaufen zu lassen. Wann endlich werden solche, einer Demokratie unwürdigen Zustände beendet?

Dipl. Päd. Jürgen Rose ist Oberstleutnant der Bundeswehr und aus disziplinarrechtlichen Gründen gezwungen, darauf hinzuweisen, dass er in diesem Beitrag nur seine persönlichen Auffassungen vertritt.

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