Mir als Rundfunkgebührenzahler und Besitzer eines Topradios mit Kabelanschluss will doch schon sehr einleuchten, dass auf einigen öffentlich-rechtlichen Sendern von den Fußballbundesligasonntagsspielen seit einiger Zeit nichts mehr zu hören ist. Dass, genauer gesagt, außer den schönen nackten Ergebnissen und ein paar kargen Nachberichten nichts mehr zu hören ist, weil die Deutsche Fußball-Liga (DFL) pro Saison für Live- und anderweitige Rundfunkrechte - obgleich die juristischen Grundlagen alles andere als geklärt sind - etliche Millionen Euro einstreicht, was einige Anstalten anteilsmäßig nicht mehr stemmen können - auch wenn es sich lediglich um sechs- bis siebenminütige Einblendungen handelt.
So bleibt die Röhre h
#246;hre hier und da kalt. Der ehemalige ARD-Fußballsender Nummer eins, der WDR, überträgt mittwochs die Champions League nicht mehr live, aus dem anderen und zwingenden Grund, dass dies die Sendestruktur aus Didel, Dudel und Dada störe. Das muss so sein, das wird selbst der BR noch schnallen, der sich nach wie vor den Luxus erlaubt, die europäischen Auftritte des FC Bayern auf seinem fünften Kanal komplett und gar durch zwei Reporter begleiten zu lassen. Der Live-Reportage, einem der aufregendsten Elemente des sensationellen Mediums eines nicht formatierten Rundfunks, scheint eine Zukunft beschieden, die in den vielbeschworenen Zeiten des Umbruchs fürwahr glänzender sein könnte.Massive Änderungen programmatischer und allgemeiner Art kündigen sich an oder sind bereits durchgesetzt worden. Einerseits pfeifen diverse Hörfunksender unterdessen darauf, dass neben dem Fußball solche offenbar vollkommen obsoleten Sportarten wie Handball, Basketball oder Eishockey tatsächlich noch existieren, und pflegen mit den für den Sport verbliebenen Mitteln eine hochinteressante Monokultur, die sich ausschließlich dem Fußball und der samstags ausgiebig eingewobenen Werbung widmet. Andererseits bekommen Programme, die - man höre, staune und reibe sich die Ohren - noch Sportfachsendungen produzieren, einen auf den Dez respektive die Gelder zusammengestrichen.Wenn Edmund Stoiber, der notorische Kämpfer gegen die Öffentlich-Rechtlichen, im Verein mit seinem NRW-Kollegen Steinbrück meckert, man habe gefälligst die Gebühren zu senken und sich auf die Grundversorgung zu besinnen, vergisst er zwar, dass die ARD das in Bayern einst recht geschätzte Unternehmen des Leo Kirch durch horrende Lizenzübernahmen des öfteren stützte und auch deshalb finanzielle Engpässe entstanden sind; allein, wo der kregle Landesvater recht hat, da hat er recht. Denn nicht wenige Sendestrecken des ARD-Radios ähneln mittlerweile denen der privaten Anbieter in einer Weise, als hätten jene den Hörfunk erfunden. So wird der Sport allenthalben ins Fließprogramm integriert, sein alleiniger Unterhaltungsfaktor betont, das ganze Treiben unters konformistische Diktat des Peppigen, Wurschtigen und Nichtigen gestellt. Um sonntags auf eine Sportsendung zu stoßen, die den Namen verdient, benötigt man Goldgräberinstinkte.ARD-intern ist höchst umstritten, welchen Stellenwert der Sport fürderhin besitzen soll. Es hat den Anschein, als sägte so manche Sportredaktion am eigenen Ast. Wo einmal der Anspruch auf Zeitfunk, auf politische Kontextualisierung, auf Gemessenheit, Genauigkeit und aktualitätsgesättigte Kunstfertigkeit erhoben wurde, werden immer öfter Boulevardberichte von so genannten und von sonstwoher herangekarrten Storytellern produziert, die in ihrem Leben noch keine Skisprungschanze gesehen haben und die 93. Hanni-Hannawald-Geschichte zusammenhäkeln, während die Experten an der toten Leitung hängen.Was die taz die "Beckmannisierung" des Sportfernsehens nannte, scheint - aus internen Umschichtungserwägungen oder aus Gründen einer verschärften, die ARD-Häuser auseinander dividierenden Marktlage zwischen Fußball- und Bernie Ecclestones Formel-1-Preistreiberei zum einen, aus jugendlichem Anbiederungswahn zum anderen - peu à peu den Sportrundfunk zu ereilen: Waldi-Hartmann-Klone statt Stimmen vom Schlage Hans-Reinhard Scheus, Trailer über Trailer statt dem Sportgespräch im Deutschlandfunk und der langen Welle der Reflexion.Wohin der Laden läuft, vermag niemand zu sagen. Die Bundesliga-Schlusskonferenz, so deucht mir, dem treuen Liebhaber öffentlich-rechtlicher Noblesse und Aufklärung, könnte jedoch dereinst das letzte Zeugnis eine Radioherrlichkeit sein, die einem einfachen und einleuchtenden Habitus entsprang: der heute übel beleumundeten Seriosität.Wollen wir also und dennoch ein wenig herumvisionieren. Auf ein Sportradio, das von den Stammtisch Open in Stuttgart-Zuffenhausen, vom winterlichen Charity-Minigolf in St. Moritz oder von meiner eigenen hochanständigen Frankfurter Chaoskegelrunde live, in voller Länge und inklusive Tribünen- beziehungsweise Toilettenreporter berichtet, auf ein solches brandheißes und gesellschaftlich relevantes Sportradio wird man sich wahrlich träumerisch sehnend freuen dürfen. Dafür wären dann auch leichten Herzens spezielle Sportrundfunkgebühren zu berappen - in einer Höhe von, sagen wir, zwei Promille der monatlichen Ausgaben, mit denen die deutsche Spitzenpilsener- und Weizenbierwerbung das wunderbunte Sportfernsehen aufs innigste alimentiert. Oans, zwoa - santé!
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