Trainerwechselrekord: Wie es wirklich war

Sportplatz Kolumne

Vor zwei Monaten erkannte die taz in dem "eigenartigen wie begrüßenswerten Phänomen", dass in der 1. Fußballbundesliga praktisch keine Trainer mehr gefeuert würden, eine Art zivilisatorischen Fortschritt. Nachdem in der vergangenen Woche innerhalb von vierundzwanzig Stunden drei Übungsleiter ihren Sessel geräumt und dergestalt für einen neuen Bundesligatrainerwechselrekord gesorgt hatten, war plötzlich und notgedrungen von "winterlichem Wechselwahn" die Rede. "Kontinuität ist selten im Fußball", hieß es - im Sportjournalismus aber auch.

Es gibt im Fußball entgegen den landläufigen Theorien weder Paradigmen noch Dramaturgien, die, als führe eine unsichtbare Hand Regie, das Geschehen beherrschen. Zufall und Willkür regieren auf dem Platz und in den Vorstandsbüros, verbunden mit dem schlichten ökonomischen Interesse am Erfolg. Strategien und Konzepte, die so genannte Führungskräfte und Journalisten stets bemühen, wenn "längerfristige Planungen" in Rede stehen, sind meist reiner Kokolores. Die Exegeten können deuten, soviel sie mögen, jeder Versuch, dem kontingenten Treiben im Fußball Zielgerichtetheit oder gar Sinn zu attestieren, verkommt angesichts des einfallslosen Gewurschtels zwischen Hamburg und München zur Makulatur.

Doch die Zeitungsspalten wollen gefüllt sein, und zwar mit möglichst steilen Thesen. "Die Liga bebt", tremolierte der FAZ-Mann Roland Zorn und schob ungeachtet der offenkundigen Haltlosigkeit eines solchen Befunds hinterher: "So spektakulär wie bei diesen Trennungsgeschichten ging es im selten spannungsarmen Verhältnis zwischen den Klubs und ihren Fußball-Lehrern lange nicht zu."

Spektakulär? Jupp Heynckes, vor etlicher Zeit auf Schalke wie eh und je gescheitert, nimmt in Gladbach seinen Hut, weil er hoffentlich endlich eingesehen hat, als Übungsleiter eine Niete zu sein. Prosaischer geht´s nicht. Spektakulär höchstens seine letzte Amtshandlung: "Don Osram" gab seinen Dienstwagen "gewaschen und vollgetankt" (Heynckes) zurück. Donnerwetter!

Der Rausschmiss von Thomas Doll kündigte sich seit Wochen, ja Monaten an. Der Kader des HSV liegt in Trümmern, Dolls Gesundbeterei verfing angesichts "absoluter Tristesse" (Focus) nicht mal mehr bei den tumbesten Beobachtern. Dass dem buddhistischen Kuschelcoach der Knochenschleifer Huub Stevens folgte und gleich ein einwandfreies 1:2 in Berlin zu verantworten hatte, passt ins allgemeine Bild des Kuddelmuddels - von Weitsicht keine Spur. Dafür skizzierte Stevens die neue Marschlinie mit den sensationellen Verdikten "Der einzelne zählt jetzt gar nichts mehr" und "Wir müssen weiter".

Felix Magath wiederum, jener "Schleifer" (Stern), der sein extrem spektakuläres Instantcomeback und Engagement an der Alster auf Grund von "moralischen Bedenken" (Stern) stornierte, war zuvor keinesfalls einem aufsehenerregenden Gesinnungswandel der Kameraden Rummenigge und Hoeneß zum Opfer gefallen. Der "eigenwillige Aschaffenburger" (Stern) musste Ottmar Hitzfeld weichen, dem "Welttrainer des Jahres 1997", weil er den FC Bayern zu einem Ensemble gelangweilter Dienstleister entwickelt hatte. Das hatte jeder vorausgesehen, der sich an Magaths Wirken an Weser und Main erinnerte. Seine vier Titel mit dem FCB waren einzig und allein der Unfähigkeit der Konkurrenz zu verdanken.

"Autonome Zeichen und glasharte Beschlüsse wurden auf der Ebene der Bosse [...] getroffen", dröhnte dessen ungeachtet Roland Zorn. Abgesehen davon, dass Zeichen schwerlich getroffen werden, so ist die Wahrheit über den ganzen Zirkus dies: Am 31. Januar, als Heynckes und Magath demissionierten, hielten Stefan Gärtner (Titanic), Martin Maria Schwarz (Hessischer Rundfunk) und meine Wenigkeit in der Frankfurter Gastwirtschaft Klabunt mal wieder die Fußballbetrachtungsbabbelrunde Blutwurstgrätsche ab. Stargast war der große Dragoslav Stepanovic; zu seinen Ehren - und weil er ein Spezialist in Sachen vorzeitiger Entlassung genannt werden darf - hatten wir den Doppeltrainerabgang von langer Hand vorbereitet.

Der Abend verlief so schwungvoll, dass wir am Ende noch die folgenden Tags publik gemachte Suspendierung von Herrn Doll beschlossen. Das Publikum fand´s richtig spektakulär. Einen Tick spektakulärer wäre einzig und allein gewesen, hätte Heiner Brand nach dem Titelgewinn der Handballer verkündet, er übernähme jetzt alle achtzehn Bundesligisten.


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