Helmut Gollwitzer

Erinnerung Nachruf Helmut Gollwitzer (1908-1993)

Helmut Gollwitzer, geboren am 29. Dezember 1908, war evangelischer Theologe, Schriftsteller und verstand sich als Sozialist. Während der NS-Zeit war er Mitglied der Bekennenden Kirche. Nach der Verhaftung von Martin Niemöller 1937 übernahm er auf dessen Wunsch seine Vertretung in der Dahlemer Gemeinde.

Am Bußtag 1938 hielt Gollwitzer eine mutige Predigt im Dahlemer Gemeindehaus gegen das Wegschauen der Christen und der Kirche nach der Reichspogromnacht. Ende 1940 erhielt er eine Einberufung zur Wehrmacht, die ihn in große Gewissenskonflikte stürzte.

Einerseits war sie ein gewisser Schutz für den inzwischen mit einem Redeverbot für Berlin und dann für das ganze Reich belegten Gegner des Nazi-Regimes, andererseits formulierte er seine Überzeugung mit dem Satz: "Für Hitler schieße ich nicht, den Wehrdienst zu verweigern und dafür erschossen zu werden, dazu fehlt mir der Mut". Schließlich ließ sich Helmut Gollwitzer als Sanitäter einziehen, geriet 1945 in russische Kriegsgefangenschaft, aus der er Anfang 1950 heimkehrte.

An Helmut Gollwitzer zu erinnern, bedeutet immer auch, auf sein Interesse für das Judentum, den christlich-jüdischen Dialog und den Staat Israel einzugehen - nicht gerade eine Massenbewegung im deutschen Protestantismus. Eine Konsequenz aus dieser Beschäftigung war seine Beteiligung an der Gründung von Aktion Sühnezeichen 1958 - gemeinsam mit seiner Frau Brigitte und seinem Freund Dietrich Goldschmidt.

1957 erhielt Gollwitzer einen Ruf an die Freie Universität in Berlin, nachdem er von 1950 bis zu diesem Zeitpunkt Hochschullehrer an der Universität Bonn war. Dort unterstützte er die Studentenbewegung der sechziger Jahre und seine kritisch-solidarische Stimme ist aus den Auseinandersetzungen jener Jahre nicht wegzudenken. Eine enge Freundschaft verband ihn auch mit Rudi Dutschke, den er 1980 auch beerdigte - ebenso wie Ulrike Meinhof und Gustav Heinemann 1976.

In der turbulenten Zeit der sechziger und achtziger Jahre sind vielen Protagonisten der damaligen Zeit zwei Situationen mit Gollwitzer nachhaltig in Erinnerung geblieben. Anfang November 1968 kam es bei einer Demonstration gegen die Berliner Justiz zu schweren und zum Teil gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen Demonstranten und der Polizei. In der Freien Universität gab es eine Diskussion über die Gewalt ähnlich der, die anlässlich der Ostern 1968 nach dem Attentat auf Dutschke, stattgefunden hatte. Die Zahl derer, die die Anwendung von Gewalt gegen Menschen für legitim hielten, war in der damaligen Debatte ziemlich groß. Sie feierten die Tatsache, dass es bei der "Schlacht am Tegeler Weg" in Berlin mehr verletzte Polizisten als Demonstranten gab, als politischen Erfolg. Gollwitzer meldete sich in der Auseinandersetzung zu Wort. Sehr erregt hielt er den Gewaltbefürwortern vor, dass nur für Faschisten die Gewalt kein Problem sei. Für Christen wie für Sozialisten aber gelte, dass sie nicht eine Situation heraufbeschwören dürften, die Menschenleben gefährde. Auch fördere die Bereitschaft zur Gewalt die Brutalität der Polizei, was aus menschlichen, aus demokratischen und aus politisch-strategischen Gründen abzulehnen sei. "Wer will, dass die studentische Bewegung zerschlagen wird und innerlich zerfällt, der soll weiter solche Aktionen machen".

Was Gollwitzers Haltung gegenüber dem Staat Israel angeht, so war es eine Herzensangelegenheit für ihn, wie er es selbst einmal ausdrückte. Es gab kein politisches Thema, bei dem er so leidenschaftlich wurde, sich so erregen konnte und so lange diskutieren konnte wie über Israel. Er fand es unmöglich, wenn ein sich als politisch verstehender Mensch nicht für Israel interessierte. Gollwitzer hörte sich Kritik an der israelischen Politik an, trat ihr entgegen, wenn er nicht mit ihr einverstanden war, widersprach aber leidenschaftlich, wenn es um die Existenzberechtigung Israels ging.

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