Die Sachlagen um Corona, einer Virusinfektion die sich seit einem Jahr ohne jede räumliche Begrenzung rund um den Globus ausbreitet, verbunden mit hohen Infektionszahlen, mit schweren Krankheitsverläufen, lokal und auch überregional hoher Mortalität sind vielfach unklar, begleitet von Hypothesen und Halbwissen oder vermeintlichen Tatsachen, die nicht belegbar oder nicht eindeutig sind und denen die wissenschaftliche Grundlage fehlt. Bereits die Frage nach dem Ursprung bereitet allerseits Kopfzerbrechen. Woher kommen Pandemien wie Covid 19? Doch diese so elementar wichtige Frage, die sich in den vergangenen Monaten viele stellten, wurde bis heute nicht ansatzweise beantwortet. Wie erklärt sich das? Und was ist von einer Krisenpolitik zu halten, die an den Folgen und Symptomen laboriert, aber an der Behebung von Ursachen nicht das geringste Interesse zeigt. Aktuell scheinen zu dem Ursprung des Erregers nur unzulängliche, wenig belegbare Fakten vorzuliegen. Der Virus ähnele einem, der auch von Fledermäusen und von einem Schuppentier bekannt ist. Zunächst wurde daher vermutet, das Virus stamme von Fledermäusen, anschließend, das Virus stamme wahrscheinlich vom Schuppentier. Schließlich wurde vermutet, dass es bei einer Doppelinfektion zu einer Rekombination gekommen ist und das Virus SARS-CoV-2 eine neue Chimäre ist, die aus einem Virus, das dem aus Fledermäusen isolierten ähnelt, und einem Virus, das dem aus Schuppentieren isolierten ähnelt, entstand (1).
Tatsächlich gibt es für die Herkunft des Virus keine gesicherten Erkenntnisse. Thomas Mettenleiter vom Friedrich-Loeffler-Institut für Tiergesundheit ist jedenfalls skeptisch, ob jemals sicher nachgewiesen werden kann, wann und von welcher Spezies genau das Virus zu den Menschen gekommen ist (2). Sogenannte RNA-Viren aus dem Tierreich machen den größten Teil der neu entstehenden Krankheitserreger für Menschen aus. Die zoonotische Herkunft dieser Viren wird auf 70-75 % geschätzt (3). Die meisten dieser Viren wurden über Haus- bzw. Nutztiere an Menschen weitergegeben. Dies trifft zu für die sog. Spanische Grippe, vermutlich aus einem Schweinestall in den USA, für die sog. Hongkonggrippe, wahrscheinlich aus einer Geflügelhaltung in Asien, für den Nipah-Virus, verbreitet u.a. über Flughunde und Schweine in Asien - für Ebola und HIV sind die Übertragungswege nicht genauer geklärt - und eben auch für die Infektionen aus dem Komplex Covid / SARS (vgl. 4).
Es wäre folglich keineswegs auszuschliessen, dass nicht nur der Kontakt mit einer Wildtierpopulation für den Virus und dessen Ausbreitung verantwortlich ist, sondern auch die industrielle Tierhaltung die Ausbreitung des Virus forciert und die Pandemie in Gang gesetzt hat. Angesichts einer weltweit praktizierten Massentierhaltung aller möglichen Nutztiere drängt sich diese Hypothese geradezu auf. Vor diesem Hintergrund mutet es absurd an, dass Tests und wissenschaftliche Untersuchungen in dem industriellen Komplex der Tierproduktion anscheinend weitgehend ausgeklammert wurden. Aber weder von politisch verantwortlicher noch von fachlich wissenschaftlicher Seite wurden im Verlauf des vergangenen Jahres nennenswerte Anstrengungen unternommen, den agroindustriellen Komplex infolge der Coronainfektionen unter die Lupe zu nehmen.
Erst Ende Oktober 2020, bei der diesjährigen 'World Health Summit' (5), einer großen Diskussionsveranstaltung des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, referierten (neben vielen anderen) auch der Leiter des Instituts für Virologie der Charité Berlin Christian Drosten und der Präsident des Friedrich-Loeffler-Instituts für Tiergesundheit Thomas Mettenleiter zu der Thematik. Mit deren Beiträgen wurde nun erstmals explizit (doch auch öffentlichkeitswirksam?) die Wahrnehmung auf einen direkten Zusammenhang zwischen Nutztierhaltung und SARS-CoV-2 gelenkt. Nach dem heutigen Wissensstand wurden bisher alle Corona-Infektionen, von denen in der Folge Menschen betroffen waren, von Zwischenwirten und von Nutztieren ausgelöst. Darauf bezog sich die Information von Christian Drosten: es gäbe belastbare Hinweise, dass es sich bei Zwischenüberträgern auch um Nutztiere handelt. Um welche konkreten, belastbaren Hinweise es sich handeln würde, verriet er nicht, machte aber aufmerksam auf die Ähnlichkeit vom Ausbruch von SARS 2003, bei dem Raubtiere ein sogenanntes 'Brückenreservoir' darstellten. Es ist allemal interessant, warum dieser Zusammenhang erst jetzt, fast ein Jahr nach den ersten bekannten Infektionsübertragungen, thematisiert wird, wo doch allgemein die Ursache - Wirkungsbeziehungen (vom Virus über einen Zwischenwirt zum Menschen) längst bekannt sind.
Alle bekannten Corona-Infektionen erfolgten über Zwischenwirte (6).
Nur wenige Tage nach der Diskussionsveranstaltung des 'World Health Summit' wurde ein konkreter Zusammenhang zwischen der Massentierhaltung von Nerzen in Dänemark und SARS-CoV-2 auch gegenüber der breiten Öffentlichkeit bestätigt (Tagesschau vom 06.11.2020). Demnach hatten sich über 200 Menschen mit dem dortigen Virus infiziert. Wie der Virus zu den Nerzen gelangte, ist dagegen nicht bekannt. Wie bereits zuvor in den Niederlanden wurden in Dänemark nun alle in Gefangenschaft gezüchteten und lebenden Nerze getötet: Sie wurden aus ihren kleinen Käfigen geholt, in Transportwagen verfrachtet, mit Kohlenmonoxid vergiftet und (nach dem einem Teil von ihnen noch das Fell abgezogen wurde) verbrannt. Die bemerkenswerte Massentierhaltung von Nerzen in Zahlen: wer hätte je vermutet, dass in Dänemark etwa jährlich 15-17 Millionen Nerze gezüchtet werden, deren überwiegender Teil dank des globalen Handels nach China (!) exportiert wird.
In Deutschland werden aktuell zum Konsum und für den Export jährlich 750 Millionen Tiere getötet ;vgl: „Nicht-orte“ der Fleischindustrie, Fakten und Hintergründe zum Schlachten in Deutschland, Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung, 2018 (7).
Wie die meisten dieser Tiere ihr Leben bis zum Tod unter jämmerlichen und widerlichsten Bedingungen der gängigen Tierhaltung fristen, zeigte aktuell die ausgezeichnete und schockierende Dokumentation vom SWR (Corona und die Schweine-Krise – Keine Chance für den Tierschutz), die am 5.1.2021 in der ARD ausgestrahlt wurde (8,9). Angesichts der bekannten Zahl jährlich 'verbrauchter' Tiere, den damit verbundenen Umständen der Tierhaltung, europaweiter Tiertransporte und Massenschlachtungen und des globalen Fleischhandels, ist die Annahme, diese hätten mit der jetzigen Pandemie nichts zu tun, illusorisch. Thomas Mettenheimer berichtete auf der 'World Health Summit': „Es gibt keine besondere Barriere zwischen Tier und Mensch“. Den Erregern sei es egal, ob sie ein Tier oder einen Menschen vor sich hätten (10). Und Christian Drosten: Es sei richtig, dass Erreger von Wildtieren stammten, „aber unsere beste Handhabe liegt bei den Zwischenüberträgern (...). Wir müssen uns auf die Nutztierarten fokussieren, um den Ursprung von Viren und Virusvorkommen zu entdecken. Wir brauchen nicht nur ein paar Forschungsstudien, sondern eine richtige Überwachung“ (5). Tierhaltungen besser zu überwachen, könne der nächste Schritt sein, dem Auftreten neuer Pandemien zu begegnen. Es stellt sich die Frage, warum erst im nächsten Schritt Pandemien auslösende Tierhaltungen überwacht werden sollten, wo doch offensichtlich nicht einmal die aktuelle Pandemie, die jetzt umgeht, ausreichend kontrolliert wird. Nachdem was bekannt ist, scheint es den mutierenden Corona-Viren nicht schwer zu fallen, ihre Wirte zu wechseln. Allerdings: Mit Stand vom 04.11.2020 gab es laut des Friedrich-Loeffler-Instituts „bisher keine Hinweise darauf, dass bei uns übliche Nutztiere / lebensmittelliefernde Tiere eine Rolle bei der Verbreitung von Sars- CoV-2 spielen oder als Infektionsquelle relevant sein könnten“. Mit dieser Begründung wird die Untersuchung von Schlachttieren auf Sars-Cov-2 zum jetzigen Zeitpunkt für nicht sinnvoll gehalten. Dagegen zeigten sich in Untersuchungen Hunde, Katzen, Kaninchen, Goldhamster, Frettchen, Marderhunde und Nerze gegenüber SARS- CoV-2 empfänglich.
In der Stuttgarter Zeitung vom 15.10.2020 wurde auf einen weiteren Coronavirus hingewiesen. Dieser als SADS-CoV benannte Virus führte bereits 2017/2018 in der südchinesichen Provinz Guangdong bei der Massentierhaltung von Ferkeln zu Durchfallerkrankungen, infolge dessen etwa 25000 Tiere starben. Das Potential einer Ausbreitung dieses Virus ist aktuell nicht vorherzusehen, auszuschliessen ist es nicht. Forscher der amerikanischen University of North Carolina in Chapel Hill gingen der Frage nach, ob SADS-CoV auch Menschen befallen kann. Eine Studie dazu ist im Fachmagazin „Proceedings of the National Academy of Sciences“ erschienen. Die Wissenschaftler infizierten Zellkulturen von Affen, Katzen, Schweinen und Menschen mit dem Virus. Das Ergebnis: Fast alle Zellen - auch die des Menschen - waren anfällig gegenüber SADS-CoV. Bereits nach 48 Stunden konnten aktive Viren in Zellen von Leber, Darm und Magen sowie in der menschlichen Nasenschleimhaut, den Atemwegen und der Lunge nachgewiesen werden (11).
Wenn Viren die Auslöser sind, die Zwischenwirte aber diejenigen, die eine Pandemie in Gang setzen, dann wurden die möglichen Ursachen derselben in der Vergangenheit falsch bewertet. Doch Lobbyisten aus Politik und Wirtschaft scheinen genau dieses Ziel zu verfolgen und könnten so mit den bisherigen dürftigen Erklärungsversuchen und Analysen der Pandemie sehr zufrieden sein, denn die Geschäftspraktiken der Agrar- und Nahrungsmittelwirtschaft wurden bis jetzt nicht in Frage gestellt. Im politischen Krisenmanagement findet mal abgesehen von beabsichtigten Änderungen zum Arbeitsrecht, in Schlachthöfen nichts statt, was die naheliegenden Verbreitungsquellen der Pandemie auch nur ansatzweise in den Vordergrund stellen könnte. Von einem ursächlichen Zusammenhang zwischen Massentierhaltung und Infektionsgeschehen ist nach wie vor nicht die Rede, so als hätten Schlachthöfe und Massentierhaltung nichts miteinander zu tun. Doch warum sich ausgerechnet bei der kommerziellen, dicht gedrängten Haltung von 750 Millionen Tieren keine Ausbreitungen des Virus ereignen sollten, während Menschen reihenweise und flächendeckend infiziert werden, bleibt weiterhin zu hinterfragen.
Doch all diese beschriebenen Zusammenhänge rund um die Pandemie werfen letztendlich weitere, ganz andere Fragen auf, die nicht vor Nationalgrenzen halt machen: Wie lange soll eine total verfehlte Agrarwirtschaft, die nun auch noch für die Ausbreitungen von Pandemien verantwortlich ist, fortgesetzt werden. Wie lange noch sollen Agrochemikalien (Dünger und Pestizide) und die Folgen der Massentierhaltungen unsere Umwelt, unsere Natur, unsere Gewässer, unsere Böden und die Gesundheit der Bevölkerungen ruinieren? Doch von einer politischen Elite (mit der abgetauchten Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner, deren ministerielle Tätigkeit schon mit der einer 'Weinbergschnecke' vergleichbar ist) und einer dahinter stehenden Agrarwirtschaftslobby, die, so wie wir sie kennen, Missstände Jahrzehnte lang ignoriert und zementiert hat, sind Veränderungen nicht zu erwarten. Wir sollten uns nichts vormachen, angesichts der Häufigkeit der Virusepidemien in den vergangenen Jahren, können wir sicher sein: die nächste Pandemie steht vor der Haustür! Dies war auch eines der Ergebnisse der Diskussion des 'World Health Summit': „Wo SARS-CoV-2 herkommt, könnte es noch viele weitere Erreger möglicher Pandemien geben“ (9).
Was wird also die nahe Zukunft bringen? Etwa folgendes Szenario: Die Bevölkerungen, regelmäßig konfrontiert mit Pandemien, verbringen von nun an ihre private Zeit in ihren vier Wänden. Medizinische Notstände werden zur Normalität? Ein Gesundheitswesen, das einerseits überlastet scheint und gleichzeitig wirtschaftlich boomt? Gesellschaftliches Leben, Wirtschaft und Arbeit allgemein werden den jeweiligen Pandemiebedingungen angepasst? Kulturelles Leben wird untergeordnet und zur gesellschaftlichen Randerscheinung? Die Erde wird unbewohnbar wie der Mond?
Die Massentierhaltung, die seit Jahrzehnten von einem großen Teil der Bevölkerung zurecht angeprangert wird, doch seitens der Politik seit jeher jede nur denkbare Unterstützung erhält, erweist sich zunehmend als das eigentliche Übel und nun möglicherweise als eine Sackgasse für jegliches gesellschaftliches Zusammenleben. Unter den aktuell gegebenen Prämissen wäre es kaum verwunderlich, wenn eine pflanzlich orientierte Lebensweise zukünftig erheblich dazu beitragen würde, das Überleben der Menschheit zu ermöglichen!
Quellen
(1) Wikipedia
(2) Bayerische Rundschau 24, 23.08.2020.
(3) UN-Landwirtschaftsorganisation FAO.
(4) Pandemien und Massentierhaltung: Lehren aus der Corona-Krise ziehen; Dr. Kurt Schmidinger; Albert Schweitzer Stiftung für unsere Umwelt.
(5) World Health Summit; Presseportal.
(6) Zoonosen - So entstand das Coronavirus, Quarks, Internet-Beitrag vom 08.04.2020.
(7) „Nicht-orte“ der Fleischindustrie, Fakten und Hintergründe zum Schlachten in Deutschland, Hrsg. Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung, 2018
(8) Corona und die Schweine-Krise – Keine Chance für den Tierschutz; Monika Anthes und Edgar Verheyen, Dokumentation vom SWR 2021
(9) Beiträge zur Dokumentation: Corona und die Schweine-Krise; Deutsches Tierschutzbüro e.V.
(10) Woher kommen Pandemien wie Covid-19?; Patrick Eickemeier; Der Tagesspiegel.
(11) Stuttgarter Zeitung vom 15.10.2020.
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