Sie ist eines der Lieblingskinder sowohl des Feuilletons als auch der Blogosphäre: die Sprache. Ästhetisch soll sie sein und doch verständlich. Anspruchsvoll aber nicht abgehoben. Und zugegeben: Sprache ist wichtig, denn sie bildet ab. Nicht nur die Themen, über die wir schreiben, auch die Worte mit denen wir schreiben sind Stückwerk in einer virtuellen Abbildung der Welt
Umsomehr muss es überraschen, wenn in einem Großteil der Beiträge sowohl in der Printfassung des Freitag als auch innerhalb der Online-Community die Hälfte der Bevölkerung schlichtweg nicht repräsentiert wird. Da ist von Bloggern die Rede und von Politikern, von Arbeitern, Lesern und Meinungsmachern. Ganz so, als gäbe es in der Politik und im Arbeitsleben keine Frauen. Ganz so, als wären kulturelle Essentials sie das Lesen oder das aktiv-meinungsbildende Wirken nur was für Männer. Es ist ein bisschen wie bei Oscar Wilde: „Ach, die Welt ist für die Männer geschaffen, nicht für die Frauen.“
Im Netz hat der Drang, Frauen aus der Sprache zu verbannen, bereits skurile Formen angenommen. So gibt es beispielsweise ein Firefox-Plug-In mit dem Titel „Binnen I Be Gone“. Die Online-Enzyklopädie Wikipedia verzichtet laut ihrer „Namenskonvention“ ebenfalls auf das Binnen-I und leitet die jeweilige weibliche Form einer Bezeichnung auf die männliche weiter, also etwa Bundeskanzlerin auf Bundeskanzler.
Das Bundeskanzler die allgemeine Form sein soll, die alle mitmeint und beide Geschlechter umfasst ist nur denkbar vor dem Hintergrund der Annahme, dass das Männliche ohnehin die Normalität darstellt, das Weibliche die Abweichung. Inhaltlich ist es ohnehin Käse, da ein Treffen von fünf Arbeitern genauso bezeichnet würde wie ein Treffen von einem Arbeiter mit vier Arbeiterinnen. Oder gar eines mit für Arbeiterinnen. In allen Fällen wären es nur Arbeiter, die sich da treffen. Bei Wikipedia führt das zu Absurditäten wie der Kategorie „Frauenrechtler“, die aus über 400 Einträgen besteht – während wir die Männer innerhalb der Kategorie mühelos an zwei Händen abzählen können.
Und überhaupt machte die Behauptung des mitmeinens ohnehin nur andersherum Sinn, denn im Wort Arbeiterin ist schließlich das Wort Arbeiter enthalten, nicht aber umgekehrt. Das aber nicht so argumentiert wird, sondern das Männliche stets als Norm gilt, kann nur vor dem Hintergrund patriarchaler Gesellschaftsstrukturen erklärt werden. Da allerdings redet mann nicht gerne drüber. Leider auch nicht im Freitag.
Geschrieben von
Juli

Kommentare 7
Das ist wirklich mal eine schöne Argumentation zu dieser Thematik, denn viele Ansätze treten hierbei gleich ins Hysterische, Unsachliche, bzw. ist der Streit um die Handhabung der Sprache gerne die "Lächerlichkeit", die in Diskussionen den Wert und Stand der feministischen Debatte, herangezogen wird. Natürlich gibt es dringendere Anliegen als dieses. Aber, wie Sie schon sagen, bildet es ab, und es bildet im Kern ein Gesellschaftsverständnis ab, das hingenommen und zu wenig diskutiert wird. Wir haben beim Freitag diskutiert, ob es in den Community-Profilen auch Kommentatorin und Bloggerin, Publizistin, Autorin und Redakteurin geben soll. Und natürlich stand so eine "Kleinigkeit" (die technisch derzeit aufwendig ist umzusetzen) hinter anderen Features der Community zurück. Daher brauchen wir Beiträge wie diesen, denn unwichtig kann dieses Thema nicht sein. Ich finde es unsinnig, stets beide Formen zu gebrauchen, da dies Texte irgendwann unlesbar macht. Wo der weibliche Anteil der Bezeichneten aber dominiert, wie bei den Frauenrechtlerinnen, sollte sorgsam darauf geachtet werden, und es sollte sicherlich auch die Möglichkeit bestehen, hier als Schreiberin zu wirken, und nicht nur als Schreiber. Das Profil lässt sich derzeit aber auch in Teilen so freigestalten, dass sich wer möchte, zusätzlich zu dem voreingestellten männlichen Status, noch die weibliche Bezeichnung verleihen kann. Immerhin.
Wenn die Sprache bloß abbilden würde, dann dürfte es ein Wort wohl gar nicht geben, nämlich "Feminist" (oder es wäre ähhnlich wie "Einhorn" im Reich der Poesie zu verorten). Neben den an für sich offenkundigen "patriarchalen Gesellschaftsstrukturen" ist es doch ein bezeichnendes Indiz für die anhaltende Notwendigkeit einer neuen, feministischen Bewegung, dass es nach wie vor nur sehr wenige männlich sozialisierte Menschen gibt, die sich öffentlich als "Feminist" positionieren.
Einerseits gilt es, ganz auf der Linie der Schwarzer-Generation, die erreichten Erfolge gegen konservative Rollbacks seitens Schirrmacher, Herman und Konsorten zu verteidigen. Keine Frage. Hier könnten "Feminsten" Verbündete sein. Doch im Hintergrund schlummert noch etwas anderes. Was beispielsweise die "Alphamädchen" oder "F-Klasse-Frauen", die sich ungebremst der gesellschaftlich gewünschten und geförderten Selbstucht hingeben (nach dem Motto: Schaut her, ich bin Frau, kann aber geauso egoistisch wie alle Männer meine Karriere machen) nicht von ihren Müttern gelernt haben, und was jenseits der "klassischen" Ziele der Frauenbewegungen liegt, ist dies: Die Emanzipation, für die so viele Frauen gekämpft haben und noch kämpfen, ist kein "weibliches" Thema der Gut, sondern liegt im Interesse aller. Auch von uns Männern.
Laßt uns hier im Freitag doch über darüber reden, von mir aus auch mit Binnen-I oder wie Juli vorgeschlagen hat, ausschließlich unter Verwendung der femininen Form. Dass irritiert schön, und jedes Mal, wenn sich ein Sprachpurist darüber aufregt, haben wir einen Anlass, das Thema aufzugreifen. Es ist aber auch klar, dass es mit Reden/Schreiben nicht getan ist. Um in einer emanzipierteren Gesellschaft zu leben, dafür muss man wohl (Achtung, ganz und gar nicht auf "Versöhnung" zielend) den "Patriarchen" auf den Schlips treten, und zwar im Sinne des Wortes. Das macht Menschen aller Geschlechter gleich viel Spaß! Equalize yourself!
Es ist schön, das innerhalb der Redaktion über dieses Thema scheinbar schon mal diskutiert wurde. Nur scheint sich hier klassisches Problem durchzusetzen: die Frage der Repräsentation von Frauen wird zur "Kleinigkeit" oder zum Nebenwiderspruch, wie das früher mal hieß. Was wäre so schlimm daran gewesen, von BloggerInnen zu sprechen? Warum nicht eine neutrale oder doppeldeutige Wortwahl finden, wenn gerade die Zeit fehlt, die entsprechende Routine zu programmieren?
Gerade weil ich mich gerne an der Schönheit der Sprache erfreue, schmerzen mich Konstruktionen wie "BloggerInnen", "PolitikerInnen" oder "BundeskanzlerIn".
Immerhin gibt es im Deutschen auch feminine Formen für die Berufsbezeichnungen - im Englischen fallen mir außer "waitress" und "actress" gar keine ein.
Aber darin liegt glaube ich auch der Schlüssel: Berufsbezeichnungen an sich bezeichnen eben keine speziellen Personen, sondern alle, die eine bestimmte Tätigkeit ausüben. Und die können männlich, weiblich oder (denn auch das gibt es ja durchaus) irgendwas anderes sein.
Gleichstellung entsteht für mich nicht durch hässliche Worte, sondern dadurch, dass man sich über die Unterschiede keine Gedanken mehr macht.
Das Problem ist nur: auch wenn sich keine Sau gedanken über die Unterschiede zwischen den Geschlechtern macht, sind es am Ende doch zumeist die Männer, die sich durchsetzen. Es wäre ja schön, wenn etwa politische Parteien es schaffen würden, ohne Quote in etwa der Hälfte aller Fälle weibliche KandidatInnen zu nominieren. Unglücklicherweise neigen männerdominierte Strukturen dazu, sich wie von Geisterhand zu reproduzieren. "Geschlecht" ist nun einmal faktisch eine Kategorie, die gesellschaftliche Relevanz hat. Da kann es noch so konstruiert sein und da kann der utopische Wunsch, es möge keine Rolle mehr spielen, noch so berechtigt sein: wir müssen uns mit der unschönen Situation herumschlagen, das es nun einmal faktisch wirkt.
@juli genau das ist der Punkt. Und das keine Gedanken machen und die Debatte nicht weiterführen, bedeutet Rückschritte. Für kluge, eloquente und Frauen in guten beruflichen Positionen ist es immer leicht sich zurückzulehnen und zu sagen, ich bin mit dem Fortschritt der Gleichberechtigung innerhalb der Gesellschaft rundum zufrieden.
Und selbst wenn man/frau sich in dieser Sicherheit wähnt, erlebt man prompt wieder Dinge, die verdeutlichen, dass es um die Gleichberechtigung nicht so gut bestellt ist, wie man gerne annimmt.
Der Sprachgebrauch ist in dieser Hinsicht sehr weitgekommen und auf einem guten Wege jeden so zu berücksichtigen, dass er oder sie sich geschlechterkorrekt behandelt fühlen.
Sexismus, Diskriminierung und ungleiche Behandlung sind hingegen auch in einer modernen Gesellschaft und unter jungen, intelligenten und aufgeklärten Menschen derart oft an der Tagesordnung, dass eine aktive Debatte weiterhin sehr sehr dringend ist. Mit Männern und Frauen. Wenn diese sich dann zusammensetzen, sollte nur im Gottes Willen nicht das Prozedere damit begonnen werden, sich um die Schreibweise in entstehenden Dokumenten zu streiten.
Allein die Frage die User-Stufen Kommentator, Blogger und Publizist zu nennen war schon eine sehr sehr umfangreiche Diskussion und die Bezeichnungen wurden immer wieder geändert. Diese dann geschlechterneutral zu formulieren, verlangt eine Person, die darauf beharrt und es immer wieder anspricht. Da hier alle an sehr vielen Baustellen gearbeitet haben, ist es wohl auch den Frauen verloren gegangen. Im Verlagsbereich bilden die Frauen übrigens die große Mehrheit. Blogger ist für mich übrigens eine sehr neutrale Bezeichnung, da es zunächst aus dem englischen stammt und dort sowohl Frauen als auch Männer bezeichnet. Unter Bloggerinen haben wir schon oft nach anderen Bezeichnungen gesucht und diese ausprobiert.
Doch wie soll man den Singular nun im Profil nennen? Würden sich Männer nicht auch über das Anhängsel beschweren, so wie es Frauen fehlen könnte?
Wir werden noch sehr viel an der Website arbeiten und ändern. Dass dann das Geschlecht automatisch angepasst wird, ist ein Ziel. Bis dahin kann ich in mein Profil auch "Redakteurin" schreiben.
Ist es nicht zunächst wichtiger, dass hier Frauen und Männer gut zusammen arbeiten, relevante und kritische Texte, auch zu Gender-Themen schreiben, als dass eine langwierige Einigung vollzogen wird?