Eigentlich sieht er ganz sympathisch aus: Im geblümten Hemd, lässig zurückgelehnt, sitzt er in einem Korbstuhl. Im Hintergrund wuchern Bananenpflanzen. Auch das, was er sagt, hört sich gut an: Er will etwas für die Jugend Afrikas tun, und außerdem sollten sich die afrikanischen Staaten nicht alles von den ehemaligen Kolonialmächten diktieren lassen und schon gar nicht von den Ölfirmen aus dem Westen: El Hadj Omar Bongo, um den es hier geht, ist der Präsident der Republik Gabun, und Balufu Bakupa-Kanyinda hat einen Film über ihn gemacht. Das heißt, er hat ihm eine Frage gestellt: "Was ist dein Afrika?", die Kamera angeschaltet und ihn reden lassen. Der Redefluss des Präsidenten ist unterschnitten mit Bildern einer Hochzeit: Fröhliche, vornehm gekleidete Menschen essen am Buffet, fahren mit teuren Autos und amüsieren sich. Spätestens da, meldet sich das politisch korrekte Gewissen des Zuschauers. Oft wird Balufu Bakupa-Kanyinda heftig beschimpft, wenn er seinen Film zeigt. "Was weißt Du denn eigentlich von Gabun?" fragt er zurück. "Das ist nämlich genau das Problem: Die europäischen Zuschauer wollen immer das Afrika sehen, das sie kennen, aber sie kennen eben nicht soviel, deswegen ist es immer die gleiche Geschichte", sagt er. Werden jedoch alle Erwartungen des Publikums erfüllt, wird ein Film meist recht langweilig - darüber regt sich das Publikum dann auch wieder auf.
In seiner Filmserie Auf der Suche nach Afrika fragt Bakupa-Kanyinda mächtige Menschen, was Afrika für sie bedeutet, um ihre Träume und Illusionen zu dokumentieren. "Es geht mir nicht darum, Präsident Bongos Illusionen zu widerlegen. Die Hochzeitsszenen passen ganz gut. Wenn Präsident Bongo vom Volk spricht, meint er damit Leute wie diese Hochzeitsgesellschaft und sonst niemanden. Da kann sich dann mein Zuschauer seine eigene Meinung bilden." Dann fügt er hinzu: "Eine solche Hochzeit ist genauso eine afrikanische Realität wie ein Slum im Sudan." Der 43-jährige, aus Kongo stammende und in Belgien und Frankreich lebende Regisseur ist nicht sauer, seine Stimme klingt auch nicht genervt - dabei ist es immer die gleiche Diskussion. Bei jedem afrikanischen Filmfestival. Und von diesen Festivals gibt es viele, besonders in diesem Frühjahr. So wie derzeit im Haus der Kulturen der Welt in Berlin. Parallel zur Berlinale wird dort in diesen Tagen das Festivalprogramm von Ouagadougou wiederholt. Anschließend reisen die Filmkassetten weiter nach Heidelberg, Göttingen und Hannover. In Frankfurt und Höchst waren sie gerade.
Die Misere des schwarzafrikanischen Kinos ist so alt wie seine Geschichte: Geldgeber und Publikum sitzen in Europa und wollen das Afrika sehen, das sie kennen.
Erst 1969 wurde das Festival von Ouagadougou in Bukina Faso und die Panafrikanische Organisation der Filmemacher (FEPACI) gegründet. Obwohl es mehrere Versuche gab, die Dominanz westlicher Filmfirmen zu brechen, sind überall in Afrika ausrangierte Hollywoodstreifen, KungFu-Filme und indische Schnulzen zu sehen, selten jedoch eigene Filme. Diese laufen - wenn überhaupt - in Europa und den USA. Hier leben auch die meisten afrikanischen Regisseure, und von hier kommt das Geld. Viele Filme werden vom Kooperationsministerium in Paris finanziert oder von Channel 4 und dem ZDF koproduziert. "Wenn man europäisches Geld haben möchte, dann muss man einen richtig afrikanischen Film machen", kritisiert der Regisseur Nwézé Ngangura aus Kongo, "oder vielmehr das, was sich die Europäer darunter vorstellen." Für seinen letzten Film, Piéces d´ Identité ("Personalausweis"), sei es schwierig gewesen, Geld zu bekommen, da er nicht in Afrika, sondern in Brüssel spielen sollte.
Jean-Marie Teno, dessen Film Vacances au Pays ("Ferien in der Heimat") in diesem Jahr im internationalen Forum der Berlinale läuft, setzt deshalb auf Low-Budget-Produktionen: "Du musst im Zweifel auf Video drehen!" sagt er. In Vacances du Pays erzählt er, wie er nach langer Zeit in Europa in sein Dorf in Kamerun zurückkehrt. Die Kamera übernimmt die Position des Erzählers, die Stimme aus dem Off reflektiert die Eindrücke. Es geht um die Veränderungen des Dorflebens durch den Einfluss von ausländischen Firmen, um das Erbe der Kolonisatoren. Auch Moussa Touré, Regisseur der Komödie TGV, kann das Gejammere seiner Kollegen nicht mehr hören. "Ihr habt das Prinzip der Filmförderung nicht verstanden", wendet er ein: "Der einzige Ausweg aus der Misere ist zu schummeln: Du schreibst in dein Filmskript hinein, was die Geldgeber lesen wollen, dann kriegst du das Geld und alle sind zufrieden. Was du dann aus dem Film machst, ist ganz allein deine Sache." Statt soviel über Globalisierung zu diskutieren, sollte man lieber ein paar gute Filme drehen.
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