Abteilungsleiter Niebel

Entwicklungshilfe Die Bundesregierung stockt die Hilfszahlungen für Afghanistan auf – und forciert gleichzeitig eine neue Strategie. NGOs haben Bedenken gegen den neuen Weg

Kurz bevor der Bundestag sich am Donnerstag mit der Verlängerung des ISAF-Mandats beschäftigt, nimmt die Afghanistanpolitik der schwarz-gelben Bundesregierung langsam Formen an. Heute war es der neue Entwicklungshilfeminister Dirk Niebel (FDP), der die guten Nachrichten überbringen durfte. Die Hilfszahlungen für Afghanistan, so kündigte Niebel im elften Stock seines Ministeriums an, werde noch in diesem Jahr deutlich erhöht.

144 Millionen Euro wird die Bundesregierung in diesem Jahr an den Hindukusch überweisen – 52 Millionen mehr als bisher angekündigt. Außerdem wird die Entwicklungshilfe für den regionalen Schicksalspartner Pakistan ebenfalls um zehn Millionen Euro erhöht. So solle das „ambitionierte Reformprogramm“ des jüngst erneut vereidigten afghanischen Präsidenten Hamid Karzai unterstützt werden, der nun endlich auch die grassierende Korruption im Land bekämpfen will. „Mit dieser Zusage treten wir in Vorleistung“, betonte Niebel.

Mit dem zusätzlichen Geld sollen kleinere Bewässerungssysteme, Straßen und Berufsschulen gebaut werden – schwerpunktmäßig im Norden des Landes, wo auch die Soldaten der Bundeswehr Dienst tun. Damit die Versuchung im Beamtenapparat des laut Transparency International zweitkorruptesten Landes der Welt nicht zu groß wird, sollen die Mittel über die staatliche KfW-Bank direkt mit den Unternehmern vor Ort abgerechnet werden.

Schädlich und irreführend

So setzt die Bundesregierung einen neuen Akzent in der Afghanistanpolitik. Insbesondere die Konzentration der Bemühungen auf eine bestimmte Region ist neu. Die Gefahr: Die deutschen Entwicklungshelfer könnten in den Augen der afghanischen Bevölkerung zunehmend mit den ISAF-Truppen gleichgesetzt werden. Gerade in unsicheren Regionen wie Kunduz lassen sich Entwicklungsarbeiten kaum ohne militärische Hilfe durchführen. So könnte das eigentlich hohe Ansehen der deutschen Entwicklungshelfer in der afghanischen Bevölkerung sinken.

Davor warnt beispielsweise der Verband Entwicklungspolitik deutscher Nichtregierungsorganisationen (VENRO). In einem Positionspapier bezeichnet der Verband die Vermischung von zivilen und militärischen Aufgaben als „schädlich und irreführend“. In einer Erklärung heißt es weiter, die „unklare Abgrenzung“ zwischen humanitärem und politischem Mandat gefährde die Sicherheit der Hilfsorganisationen.

Niebel kennt diese Kritik, doch er teilt sie nicht. Zwar beeilt er sich klarzustellen, es werde „keine Militarisierung der deutschen Entwicklungshilfe“ geben, doch seine Pläne weisen genau in diese Richtung. Die Konzentration der zusätzlichen Finanzmittel auf das Einsatzgebiet der Bundeswehr schafft die Voraussetzungen für eine stärkere Verzahnung von Militär und Entwicklungshilfe.

Gefahr für Eigenständigkeit

Für Niebel ist diese Weichenumstellung kein Problem. Anders als seine Amtsvorgängerin hat der Mann erstmal keine Berührungsängste mit dem Militär. Immerhin war er acht Jahre lang Fallschirmjäger bei der Truppe im Schwarzwald. Auch heute bezeichnet er die Bundeswehr noch als „demokratischste Armee auf der Welt“.

Die Konsequenz aus dieser sich abzeichnenden Verschränkung von militärischen und entwicklungspolitischen Strategien dürfte auch eine engere Zusammenarbeit der zuständigen Bundesministerien nach sich ziehen. Niebel kündigte diesbezüglich an, die Leitungsebene seines Ministeriums in einen Planungsstab „wie in anderen Häusern“ umzubauen. So solle die Kommunikation mit dem Verteidigungsministerium und dem Auswärtigen Amt verbessert werden.

Das Entwicklungshilfeministerium läuft damit Gefahr seine Eigenständigkeit aufzugeben. Niebel, der schon als FDP-Generalsekretär auf Gedeih und Verderb an das Schicksal von FDP-Chef Guido Westerwelle gekettet war, scheint sich auch als Bundesminister nicht aus dem Schatten seines liberalen Übervaters zu trauen. Im schlimmsten Fall degradiert er sein Ministerium so zur reinen Abteilung des Auswärtigen Amts – ganz wie es die FDP noch kurz vor der Wahl gefordert hatte. So bleibt auch nach der eigentlich guten Nachricht einer Aufstockung der zivilen Unterstützung für Afghanistan durch Schwarz-Gelb immer noch ein fahler Beigeschmack.

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Geschrieben von

Julian Heißler

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