Amt und Würden

Regierung Heiko Maas lässt sich nicht verbiegen. Der linke SPD-Flügel ist begeistert, die Konkurrenz genervt
Ausgabe 06/2015

Ruhig und entspannt ist er sicher nicht ins neue Jahr gekommen. Der Justizminister hat alle Hände voll zu tun – nicht erst seitdem die Anschläge von Paris die innere Sicherheit wieder ganz oben auf die politische Agenda gebracht haben. Frauenquote, Mietpreisbremse, Prostitutionsgesetz, Verschärfung des Vergewaltigungsparagrafen, Korruption im Gesundheitswesen – Heiko Maas (SPD) muss sich derzeit um zahlreiche Themen kümmern. Und weil ihm diese Baustellen anscheinend noch nicht ausreichen, meldet er sich regelmäßig in gesellschaftlichen Debatten zu Wort. Am vergangenen Wochenende legte er sich dann noch mit Facebook an. Die neuen Nutzungsbedingungen gingen sehr weit, meint der Minister, zu dessen Aufgabenbereich auch der Verbraucherschutz gehört. „Wenn Facebook unser Surfverhalten im Netz umfassend auswertet, ist eine Beeinflussung leicht möglich“, wird Maas auf Spiegel Online zitiert. „Jeder sollte bei Facebook auch einzelnen Teilen der Datennutzung widersprechen können – anstatt nach dem Motto ‚Alles oder nichts‘ allein die Option zu haben, sich ganz aus Facebook abzumelden.“

Nun folgt es schon einer gewissen Tradition, dass sich deutsche Verbraucherschutzminister öffentlich mit Facebook anlegen. Auch Maas‘ Vorgängerin, die CSU-Politikerin Ilse Aigner, bombardierte den Social-Media-Konzern mit Forderungen und Drohungen, bis sie schließlich vor fünf Jahren demonstrativ und mehr oder weniger öffentlichkeitswirksam ihr Profil löschte. Für Aigner, die einen eher ausgleichenden Politikstil pflegte, war die Aktion schon so etwas wie ein ziemlicher Kracher. Wenn Maas es hingegen knallen lässt, dann ist das Echo üblicherweise auch außerhalb des Ministeriums hörbar.

Markige Sprüche

Dass er in seinem Amt etwas erreichen will, war von Anfang an klar. Bevor SPD-Chef Sigmar Gabriel ihm das Justizministerium anbot, hatte Maas – obwohl Volljurist – nie als Rechtspolitiker gearbeitet. Erfahrung brachte er allerdings reichlich mit. Mit gerade mal Anfang 30 leitete er das saarländische Umweltministerium. Dann, nach 13 Jahren als Oppositionsführer in Saarbrücken, übernahm er das Wirtschaftsministerium des Landes. Der Wechsel nach Berlin im Dezember 2013 war für den damals 47-Jährigen wohl die letzte Chance auf einen großen Karriereschritt. Und er nutzte sie. Als Minister nimmt er kaum ein Blatt vor den Mund. Als etwa die Pegida-Demonstrationen in Dresden mehr und mehr Zulauf bekamen und mancher Politiker sich noch fragte, wie mit dem Phänomen umzugehen sei, legte Maas sich fest. Die Aufmärsche seien eine „Schande für Deutschland“, teilte er mit. Als die Pegida-Anhänger dann nach den Attentaten von Paris ihre Demonstrationen zu Trauermärschen umetikettieren wollten, platzte dem Minister endgültig der Kragen: „Wenn die gleichen Leute, die vor einer Woche über die Lügenpresse schimpfen, jetzt mit Trauerflor zur Verteidigung der Pressefreiheit demonstrieren, ist das an Heuchelei nicht zu überbieten“, sagte Maas. Für seine Anhänger wurde er mit solchen markigen Sprüchen zum Helden. Für seine Gegner zunehmend zur Nervensäge.

Einen besonderen Narren hat die AfD an Heiko Maas gefressen. Der Justizminister macht aus seiner Abneigung für die rechtspopulistische Partei keinen Hehl. Sie sei „nicht viel besser als die NPD“, ließ er die Truppe um Bernd Lucke wissen. Die reagierte empört. Es sei „skandalös, wie dieser Mann es fertig bringt, uns in die rechte Ecke zu stellen“, beschwerte sich AfD-Vize Hans-Olaf Henkel. „Wir haben noch nie einen so unanständigen Justizminister gehabt wie heute.“ Auch AfD-Sprecherin Frauke Petry forderte Maas schon mal zum Rücktritt auf.

In seiner politischen Heimat kommen solche Sprüche natürlich hervorragend an. Maas steht dem linken Flügel der SPD nahe. Dort ist man von seiner Amtsführung hellauf begeistert: „Für mich ist er die große, angenehme Überraschung in der Regierung“, sagt Johanna Uekermann, Vorsitzende der Jusos und Mitgründerin der parteilinken Magdeburger Plattform. Maas‘ kompromissloser Umgang mit Pegida komme sehr gut an. „Ich unterstütze seine Position da voll und ganz.“

Beim Koalitionspartner ist man hingegen nicht so begeistert. „Die Zusammenarbeit gestaltet sich in verschiedenen Bereichen schwerfällig und schwierig“, erzählt Gerda Hasselfeldt, Vorsitzende der CSU-Landesgruppe im Bundestag. „Zum Beispiel verstehe ich die starre Haltung des Justizministers bei der Mindestspeicherung von Verbindungsdaten überhaupt nicht. Für die Bekämpfung jeglicher Art von Verbrechen ist die Speicherung von Verbindungsdaten für die Sicherheitsbehörden von ganz entscheidender Bedeutung. Da sind sich alle Fachleute einig.“

Worüber Maas sich noch streitet

Ärztebestechung

Neuer Anlauf bei der Korruptionsbekämpfung im Gesundheitswesen: Bestechlichen Vertretern aller Heilberufe droht künftig bis zu drei Jahren Haft. Die bisherige Gesetzeslücke ist seit dem Jahr 2012 bekannt, ein Vorstoß der schwarz-gelben Koalition, sie zu schließen, scheiterte jedoch.

Frauenquote

In der vergangenen Woche wurde das Gesetz in den Bundestag eingebracht. Es trägt die Handschrift von Frauenministerin Manuela Schwesig, doch Maas war an seiner Ausarbeitung intensiv beteiligt. Widerstände in der Union gab es lange. Mancher forderte gar, dass die Wirtschaft für die Zumutung einer Frauenquote extra entlastet werden müsse.

Mordparagraf

In seiner jetzigen Form geht er auf die Nazis zurück. Viele sehen eine Reform als drängend an, da er bis heute eine nationalsozialistisch geprägte Abstufung nach der Gesinnung des Täters enthält. Einige Landesjustizminister sehen die Reform skeptisch.

Prostitutionsgesetz

Ähnlich wie bei der Miet-preisbremse sind die Verhandlungen hier schon weit, aber es gibt kaum zu überbrückende Diffe-renzen bei dem Mindestalter von Prostituierten und einer eventuellen Kon-dompflicht. Auch hier ist das Familienministerium von Manuela Schwesig federführend, Maas‘ Justizministerium ist allerdings an der Ausarbeitung beteiligt.

Vergewaltigung

Der entsprechende Straf-tatbestand sei zu eng definiert, sagt Maas und kündigt eine Verschärfung an, um „Schutzlücken“ zu schließen. Die Reform ist umstritten, denn einige Juristen sehen keinen Handlungsbedarf.

Da ist sie wieder, die Vorratsdatenspeicherung. Seit Beginn der Großen Koalition steht sie zwischen Maas und weiten Teilen der Union. Kaum hatte der Minister seinen neuen Amtssitz nahe des Berliner Gendarmenmarktes bezogen, verkündete er, dass das Projekt für ihn vorerst „auf Eis“ läge – zumindest bis der Europäische Gerichtshof, kurz EuGH, über die Speicherung der Verbindungsdaten entscheide. Das war im Koalitionsvertrag anders vereinbart worden, doch Maas setzte sich durch. Im April vergangenen Jahres kippten die Luxemburger Richter dann die Vorratsdatenspeicherung, da sie „einen Eingriff von großem Ausmaß und besonderer Schwere in die Grundrechte auf Achtung des Privatlebens und auf den Schutz personenbezogener Daten beinhaltet, der sich nicht auf das absolut Notwendige beschränkt“. Maas konnte sich als Sieger fühlen. Das Grummeln in der Union war dennoch unüberhörbar. Seit den Terroranschlägen in Frankreich ist der Streit wieder offen ausgebrochen.

Stephan Mayer zumindest will die Hoffnung auf eine baldige Einführung der Vorratsdatenspeicherung nicht aufgeben. Der CSU-Politiker ist innenpolitischer Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag und damit schon qua Amt einer der prominentesten koalitionsinternen Gegenspieler von Maas. „Er macht es uns in manchen Dingen nicht einfach“, sagt Mayer. Der CSU-Mann glaubt an die Vorratsdatenspeicherung. Von dem Argument, dass es das Instrument in Frankreich schließlich gebe und trotzdem die Anschläge nicht verhindert wurden, hält er nichts: „Es geht doch darum festzustellen, ob es sich um Einzeltäter oder um ein größeres Netzwerk handelt“, sagt er.

Mayer hofft, dass es nun auf europäischer Ebene einen neuen Anlauf zur Einführung der Vorratsdatenspeicherung geben werde. Aber auch einen nationalen Alleingang will er nicht ausschließen. „Das EuGH-Urteil ist nicht trivial, und es ist nicht einfach umzusetzen – aber es ist möglich“, meint Mayer. Auch SPD-Chef Sigmar Gabriel hatte sich jüngst in diese Richtung geäußert. Mayer sieht das mit Genugtuung. Er sei froh, dass es auch beim Koalitionspartner „ein gewisses Umdenken“ gebe.

Tatsächlich ist die Haltung der SPD zur Vorratsdatenspeicherung immer noch nicht eindeutig. Vor vier Jahren stimmte ein Parteitag für das umstrittene Instrument. Und schon wenige Tage nach dem Luxemburger Urteil forderten SPD-Landesinnenminister, die Vorratsdatenspeicherung trotzdem einzuführen. Justizminister Maas hingegen wehrt sich weiter gegen eine Einführung: „Wir sind verpflichtet, unser Land so sicher zu machen wie möglich, aber eine absolute Sicherheit wird es niemals geben. Daran würde auch eine Totalüberwachung von uns allen ohne jeden Anlass nichts ändern“, sagte er nach den Pariser Anschlägen. Von der SPD-Linken gab es dafür Applaus: „Es ist richtig, wie Maas unsere Bürgerrechte verteidigt“, so Jusos-Chefin Uekermann.

Verfahrene Situation

Zum großen Knall ist es zwischen Maas und den Innenpolitikern der Koalition bislang auch noch nicht gekommen, weil er und CDU-Innenminister Thomas de Maizière bisher ein gutes Arbeitsverhältnis pflegen. „Ich weiß nicht, ob sie ,ziemlich beste Freunde‘ sind“, so CSU-Mann Mayer, beide seien jedoch an einem ordentlichen Verhältnis interessiert. Da ist es hilfreich, dass de Maizière kein „Schwarzer Sheriff“-Image pflegt, wie so manche seiner Vorgänger. Trotzdem weiß er die Innenpolitiker der Unionsfraktion hinter sich. De Maizière genießt in der Fraktion hohes Ansehen. „Der lässt sich nicht über den Tisch ziehen“, sagt Mayer. So schafften es Maas und de Maizière bisher, größere Streits zu vermeiden – obwohl beide inhaltlich teils weit auseinanderliegen.

Weniger grundsätzlich, aber ebenso verfahren ist die Situation bei der Mietpreisbremse. Prinzipiell sind Union und SPD sich hier einig. Die Wohnungsmiete bei einem Mieterwechsel soll künftig nur noch so stark steigen dürfen, dass sie höchstens zehn Prozent teurer als eine vergleichbare Wohnung derselben Lage und Größe ist. Das soll aber nur in Gebieten gelten, die von den Bundesländern als „angespannte Wohnungsmärkte“ ausgewiesen werden. Neue oder umfassend modernisierte Wohnungen bleiben außen vor. Eigentlich hätte die Bremse schon zum 1. Januar in Kraft treten sollen, doch um Details wird immer noch heftig gestritten. Die SPD wirft ihrem Koalitionspartner mittlerweile offen Verzögerung vor: „Bei der Mietpreisbremse hakt es“, sagt die Parlamentarische Geschäftsführerin der SPD-Fraktion, Christine Lambrecht. Ihre Kollegin Eva Högl wird konkreter: „Die Union muss den Weg für den Beschluss der Mietpreisbremse im Bundestag freimachen und darf hier nicht weiter verzögern“, sagt die stellvertretende Fraktionsvorsitzende.

Tatsächlich zieht sich der Streit um das Projekt schon lange hin. Bereits im Sommer erntete Maas von der CDU Kritik für seinen ursprünglichen Gesetzesentwurf. Er decke sich nicht mit den Vereinbarungen des Koalitionsvertrags, teilten Mietrechtsexperten der Unionsfraktion mit. „So, wie der Gesetzesentwurf ist, darf er nicht bleiben, Justizminister Maas muss sich bewegen“, forderte der Berliner CDU-Abgeordnete Jan-Marco Luczak im Juni. Erst im Oktober stimmte das Kabinett schließlich zu. Seitdem hängt der Entwurf im Parlament fest. Wie eine Einigung zustande kommen soll, ist noch unklar. Im Ministerium hofft man, dass das Gesetz noch in diesem Jahr in Kraft treten kann.

Dass das Gesetz noch scheitert, ist allerdings auch so gut wie unvorstellbar. Schließlich machte sich sogar Bundeskanzlerin Angela Merkel im Bundestagswahlkampf 2013 die ursprüngliche SPD-Forderung nach einer Mietpreisbremse zu eigen. Die Union zeigte sich jüngst auch an einer Lösung interessiert. „Ich bin zuversichtlich, dass wir es zeitnah zu Ende bringen“, sagte Gerda Hasselfeldt. Maas wird also wahrscheinlich demnächst wieder einen Erfolg verbuchen dürfen. Und damit seinen Gegnern einmal mehr auf die Nerven gehen.

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