Während die Krim-Krise einmal mehr zeigt, dass die Idee der europäischen Einigung noch brennend aktuell ist, bereitet die Bundesregierung vor, das Rad zumindest ein Stück weit zurückzudrehen. Anders kann man den Zwischenbericht zum Thema „Armutszuwanderung“ kaum verstehen, den Thomas de Maizière und Andrea Nahles in dieser Woche vorgestellt haben. Arbeitssuchende Unionsbürger sollen Deutschland nach drei Monaten wieder verlassen müssen, Wiedereinreisesperren verhängt werden können und der Bezug von Kindergeld soll an die Steueridentifikationsnummer geknüpft werden. All das, um ein Problem zu lösen, von dem der Innenminister selbst sagt, es sei „durchaus kleiner als häufig dargestellt“, nämlich den Missbrauch von Sozialleistungen durch Zuwanderer aus armen EU-Staaten.
Richtig ist, dass die Zuwanderung armer Menschen einige deutsche Kommunen vor Probleme stellt. In manchen Großstädten leben sie in Zuständen, die in einem wohlhabenden Land wie Deutschland absolut indiskutabel sind. Hier müsste eine sinnvolle Hilfe ansetzen – was durch finanzielle Zuschüsse des Bundes ja auch geschehen soll. Aber der Regierung reicht das nicht. Auf Abschreckung will sie nicht verzichten. Dabei darf man ernsthaft bezweifeln, ob Menschen auf der Suche nach einem besseren Leben sich durch eine fehlende Steuernummer von ihrem Weg abbringen lassen.
Der Zwischenbericht zeigt auch, dass es falsch war, die unsägliche CSU-Formulierung „Wer betrügt, der fliegt“ als polemisch überspitzten Slogan vor dem alljährlichen Parteitreffen in Wildbad Kreuth abzutun. Die CSU hat damit den Ton für die Debatte vorgegeben und sich inhaltlich weitgehend durchgesetzt, auch wenn Maßnahmen wie Wiedereinreisesperren europarechtlich mindestens umstritten sind.
Damit ist die Europaskepsis an der Spitze des Regierungshandelns angekommen. Egal wie sehr man in Zukunft die Freizügigkeit in der EU loben wird – ein Beigeschmack wird bleiben, denn diese Regierung bemüht sich, das Kernstück der europäischen Einigung zu Lasten derer zurückzudrehen, die für ein besseres Leben am meisten darauf angewiesen sind.
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