Der Freitag: Was hätte es für die Slowakei bedeutet, wäre sie 2004 außerhalb der EU geblieben?
PAVOL DEMES: Der Weg in die EU war für die Slowakei etwas steiniger als für die anderen sieben osteuropäischen Staaten, die damals aufgenommen wurden. Doch die in Aussicht gestellte EU-Mitgliedschaft half uns, die Gesellschaft zu modernisieren und das politische, wirtschaftliche und soziale System zu reformieren. Die EU-Mitgliedschaft ist jetzt eine Garantie dafür, diese Fortschritte zu erhalten. Ich will mir nicht einmal ausmalen, was eine Nicht-Mitgliedschaft für Konsequenzen gehabt hätte! Unsere jungen Leute wären abgewandert. Es wäre zu Populismus und Nationalismus gekommen.
Empfinden Sie sich als Last, weil die EU jetzt viel tun muss, um in vielen EU-Staaten Osteuropas die Krise einzudämmen?
Ganz im Gegenteil. Die Slowakei verfügte zuletzt über eine der am schnellsten wachsenden Volkswirtschaften der EU. Außerdem haben wir es geschafft, die ökonomische Talfahrt bislang ohne politische oder soziale Verwerfungen zu überstehen. Viele westliche Unternehmen – darunter auch deutsche – haben in unser Land investiert und dabei Profit gemacht. Die Slowakei ist ohne Probleme dem Schengen-Raum beigetreten und führte im Januar dieses Jahres des Euro ein. Natürlich sind wir noch nicht auf dem Level der alten EU-Staaten – aber wir holen auf und die EU hilft uns dabei.
Inwiefern hilft es der Slowakei, den Euro eingeführt zu haben?
Auf alle Fälle stellen wir fest, dass die Situation bei uns noch lange nicht so dramatisch ist wie beispielsweise in Ungarn, Litauen und einigen anderen Staaten Mittel- und Osteuropas. So profitiert die Slowakei davon, nicht mehr unter Wechselkursschwankungen leiden zu müssen. Außerdem verlangt die Präsenz in der Euro-Zone von unserer Regierung ein hohes Maß an Haushaltsdisziplin. Doch das ist nicht der einzige Grund, warum es uns nicht ganz so schlimm erwischt hat. Wir verfügen über ein stabiles und gesundes Bankensystem, das zahlt sich jetzt aus.
Was ist in der jetzigen Krise anders im Vergleich zur Zeit des Systemwechsels nach 1990?
Das lässt sich nur schwer vergleichen, weil der Zusammenbruch des von der Sowjetunion dominierten, kommunistischen Systems in Osteuropa die Türen für Freiheit, Demokratie, Marktwirtschaft und eine Erweiterung der EU aufgestoßen hat. Dies wurde auf dem europäischen Kontinent durchweg begrüßt, während wir es bei der jetzigen Wirtschaftskrise mit einem globalen Desaster zu tun haben, das globales Handeln erfordert.
In Westeuropa wird der Staat immer mehr zum Retter in der Not. Wie sehen Sie das in einem, Land, das sich vor fast 20 Jahren von einer staatlich koordinierten und geplanten Ökonomie verabschiedet hat?
Die richtigen Lösungen für die durch die Finanz- und Wirtschaftskrise entstandenen Probleme zu finden, stellt selbst die besten Experten vor zahlreiche Dilemmata. Die richtige Balance zwischen staatlichen Kontrollmechanismen und Interventionen einerseits wie den Kräften des freien Marktes andererseits zu finden, wird in der Slowakei heftig diskutiert. Allerdings sehe ich bei uns keinen politischen Willen die Zeit zurück zu drehen und das aufs Spiel zu setzen, was wir mit der Marktwirtschaft erreicht haben. Mir scheint, die Slowakei kann sich in dieser Hinsicht schon mit den alten EU-Staaten messen. Schließlich ergreifen wir alle – ob es sich nun um alte Mitglieder der EU handelt oder Debütanten wie uns – ähnliche Maßnahmen, um die Krise zu überstehen.
Fürchten Sie trotzdem um die politische Stabilität Ihres Landes?
Nein. Ich glaube, die Demokratie ist bei uns in der Slowakei fest verwurzelt und wird handlungsfähig bleiben. Allerdings will ich nicht ausschließen, dass unsere jetzige Regierung, die den Bürgern viele unrealistische Versprechungen gemacht hat, einige ihrer Aussagen überprüfen muss.
Unterstützen Sie die Auffassung Deutschlands wie anderer EU-Staaten in Westeuropa, vorerst keine Neuaufnahmen aus Ost- beziehungsweise Südosteuropa in Betracht zu ziehen?
Die Erweiterung der EU ist ein historisches Projekt. Seit Mai 2004 sind zehn postkommunistische Staaten aufgenommen worden. Und obwohl die EU derzeit mit internen Problemen konfrontiert ist, sollten wir es als unsere Verpflichtung ansehen, den Nachbarstaaten zu helfen, die ebenfalls langfristig zur EU-Familie gehören wollen. Wir müssen ihnen versichern, dass die Türen der EU nicht geschlossen sind! Das ist entscheidend für die weitere Stabilität dieser Staaten. Aber es ist genauso wichtig für die zukünftige Stärke der EU in der globalisierten Welt.
Haben die neuen EU-Staaten in Osteuropa eine besondere Verantwortung für die Nicht-EU-Staaten Osteuropas?
Die neuen EU-Mitglieder sind insgesamt offener für EU-Anwärterstaaten aus dem Osten. Wir erinnern uns noch sehr gut daran, wie wichtig es vor fünf Jahren war, der EU beizutreten, um die vielen Hindernisse in der Zeit des Übergangs zu bewältigen. Allerdings wissen wir auch, dass die anderen Staaten Osteuropas einen viel längeren Weg zu gehen haben als wir, um die Beitrittskriterien zu erfüllen. Das hängt sowohl mit der Vergangenheit dieser Staaten zusammen, als auch mit der aktuellen Situation, in der sich die EU gerade befindet.
Das Gespräch führte Julian Heißler
Pavol Demes war 1991 Außenminister der Tschechoslowakei, bevor sich Tschechien und die Slowakei voneinander lösten und zu souveränen Staaten erklärten. Mitte der neunziger Jahre war Demeš dann außenpolitischer Berater des slokwakischen Präsidenten Kováč.
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