Der Applaus wird schnell rhythmisch. Kaum hat der FDP-Bundesvorstand zu Beginn des außerordentlichen Parteitags der Liberalen die Bühne im Hangar 2 des Berliner Flughafens Tempelhof betreten, hält es die 600 Delegierten nicht mehr auf ihren Sitzen. Guido Westerwelle genießt den Moment sichtlich. Der designierte Außenminister winkt strahlend in die Halle. Kein Zweifel: Heute ist Festtag bei der FDP.
Nach elf Jahren auf der harten Oppositionsbank wechseln die Liberalen jetzt wieder auf die weichen Regierungssessel. Westerwelles Strategie ist aufgegangen. Mit knapp 15 Prozent hat er es geschafft den Stimmanteil der Liberalen bei Bundestagswahlen seit 2002 zu verdoppeln. Nie gab es in Deutschland mehr FDP-Amtsträger als heute – und in der nächsten Woche werden mit stattlichen fünf Bundesministern wieder ein paar mehr dazu kommen.
Deshalb feiern sie heute. Der Festtag der FDP ist vor allem die Krönungsmesse für Guido Westerwelle. In wenigen Tagen, wenn er die Ernennungsurkunde in der Hand die Stufen vor Schloss Bellevue hinunter steigt, wird man ihn mit liberalen Monumenten wie Walter Scheel und Hans-Dietrich Genscher in einem Atemzug nennen. Doch ob dieses vorgezogene Heldengedenken verdient ist, fragt in Hangar 2 niemand.
Die Partei dankt
Für die Liberalen sieht es auf dem Papier ja auch zu gut aus. Steuersenkungen in Höhe von 24 Milliarden haben sie Hand in Hand mit der CSU in den Koalitionsverhandlungen durchgesetzt, ein Stufentarif bei der Einkommenssteuer wird geprüft, das Gesundheitssystem soll langsam Richtung Kopfpauschale umgebaut werden. Es sind Konzepte aus dem Wahlkampf von 2005, die hier zunächst noch dezent aufgewärmt werden sollen. Westerwelle hat die CDU hier aus der Dresdener Ecke wieder ein Stück in die Nähe von Leipzig geführt. Die Partei dankt es ihm. Bei keinem anderen Themenkomplex erntet der Vorsitzende so lange anhaltenden Beifall, wie bei der Steuerpolitik.
Dabei ist völlig unklar, ob Westerwelle überhaupt liefern kann. Zu erwarten ist, dass sich schwarz-gelb mit den sozialen Grausamkeiten zumindest in den nächsten Monaten zurückhalten wird. Im Frühjahr wird in Nordrhein-Westfalen gewählt. Schafft es eine rot-rot-grüne Mehrheit, Jürgen Rüttgers aus der Staatskanzlei zu verjagen, ist die schwarz-gelbe Bundesratsmehrheit wieder weg. Dann könnte es schwierig werden mit Kopfpauschale und Bierdeckelreform.
Damit es nicht so kommt, haben sich die Koalitionäre sozialpolitische Feigenblätter verordnet. Das Hartz-IV-Schonvermögen wird erhöht, genau wie das Kindergeld und der Kinderfreibetrag. Schwarz-gelb will sich so gegen Attacken von links absichern. Entsprechend kämpferisch ruft Westerwelle den Delegierten entgegen: „Wer das als kalte Politik bezeichnet, dem ist in seiner Hirnverbranntheit nicht mehr zu helfen.“
Die Schatten des Erfolgs
Trotz dieser Zugeständnisse hat es die FDP geschafft dem 124-seitigen Koalitionsvertrag ihren Stempel aufzudrücken. Wie groß der Einfluss des ehemals zum reinen Mehrheitsbeschaffer geschrumpften Partei im Jahr elf nach Ende der Regierung Kohl ist, zeigt ein Blick auf die Kabinettsliste. Fünf Ministerien für knapp 15 Prozent Stimmen ist eine sehr gute Ausbeute für die Liberalen. Deren Besetzung zeigt allerdings auch die Schattenseiten von Westerwelles Erfolg.
Die Personaldecke der Partei ist unter seiner Führung dünn geworden. Entsprechend ist die Kabinettsliste der Liberalen von einigen Enttäuschungen gezeichnet. Rainer Brüderle, in den 90ern noch Wirtschaftsminister in Deutschlands bislang letzter sozialliberaler Regierung in Rheinland-Pfalz ist ebenso wenig eine Überraschung wie die Rückkehr Sabine Leutheusser-Schnarrenberger ins Justizministerium. Dafür gibt es bei letzterer zumindest keinen Zweifel an ihrer Qualifikation. Das ist bei Dirk Niebel anders. Was genau Westerwelles bisherigen Lautsprecher zum Entwicklungshilfeminister qualifiziert, wissen nicht einmal Parteiinsider.
Bei Philipp Rösler ist das zwar auch nicht ganz klar, doch der designierte Gesundheitsminister hat gegenüber dem Brachialpolitiker Niebel einen Vorteil: Er taugt zum Medienstar. Die Bild am Sonntag widmete ihm schon die Titelseite – Kinderfoto inklusive. Das könnte nur der Anfang gewesen sein. Schließlich darf der bisherige Boulevardliebling Karl-Theodor zu Guttenberg demnächst als Verteidigungsminister die öffentliche Verantwortung für gefallene Bundeswehrsoldaten übernehmen. Da bietet sich Rösler, 36, niedersächsischer FDP-Landeschef und Kurzzeitminister, als nächster Posterboy geradezu an.
Rösler ist es dann auch, den die Delegierten neben Westerwelle und dem bei der Ressortvergabe leer ausgegangenen Hermann Otto Solms am lautesten feiern. Überhaupt ist Kritik an diesem Tag nicht erwünscht. Das bezieht sich auch auf den Koalitionsvertrag. Der Parteitag nimmt ihn mit deutlicher Mehrheit an.
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