Im Willy-Brandt-Haus konnte man eine Stecknadel fallen hören, als der rote Balken auf den Monitoren plötzlich zu steigen aufhörte. Nur 12 Prozent in Thüringen - ein Debakel. Da konnte auch der souveräne Sieg der Sozialdemokraten in Brandenburg nicht helfen. Bejubelt wurde er zumindest nicht. Diese Niederlage tut weh.
Mitleid ist jedoch nicht angebracht. Die SPD hat diesen Wahlkampf versemmelt. Aus Angst, potentielle Wähler durch eine Festlegung auf Rot-Rot-Grün oder Schwarz-Rot zu verschrecken, versuchte die Partei sich alle Optionen offen zu halten. Für kleine Parteien wie die Grünen mag das funktionieren, einer Volkspartei nimmt man das nicht ab. "Wir müssen uns die Frage stellen, ob eine klare Festlegung vorher nicht besser gewesen wäre", so Jusos-Chefin Johanna Uekermann zum Freitag, "der ,Wir-gucken-mal-Wahlkampf' hat zumindest nicht mobilisiert." Parteichef Sigmar Gabriel äußerte sich ähnlich.
Ein Regierungsauftrag für Rot-Rot-Grün lässt sich aus diesem Wahlergebnis tatsächlich nicht ableiten. Bodo Ramelow wird wohl nicht der erste Ministerpräsident, den die Linkspartei stellt - trotz eines guten Ergebnisses. Auch wenn die Konstellation eine Stimme Mehrheit im neuen Landtag hat: Es ist kaum vorstellbar, dass eine so verunsicherte Partei wie die SPD zu einem verlässlichen Partner in einem solchen Dreierbündnis werden kann – selbst wenn alle inhaltlichen und personellen Fragen geklärt würden.
Dass es auch anders gehen kann, zeigt ein Blick nach Brandenburg. Hier hat Ministerpräsident Dietmar Woidke im Wahlkampf klar durchblicken lassen, dass er seine rot-rote Koalition fortsetzen will. Ergebnis: Die SPD wurde klar stärkste Kraft, Rot-Rot hat eine satte Mehrheit. Auch wenn man die Länder natürlich nur schwerlich zu vergleichen sind, so zeigt es doch, dass Lagerwahlkämpfe sich auszahlen können. In Thüringen wusste der Wähler schlicht nicht, was eine Stimme für die SPD bedeuten würde.
Wahrscheinlich kann in Erfurt deshalb weiter eine große Koalition regieren – wenn auch nur mit einer hauchdünnen Mehrheit von einer Stimme, genau wie Rot-Rot-Grün. Ruhiger als in den skandalverseuchten vergangenen fünf Jahren dürfte es kaum werden. Zur Erinnerung: Schon nach der letzten Landtagswahl brauchte Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht (CDU) drei Wahlgänge, um ins Amt zu kommen. Für die SPD vor Ort wird das ein Kraftakt. Eigentlich gehört die Partei nach einer solchen Klatsche in die Opposition. Aber eine Regierung ohne die Sozialdemokraten ist in Thüringen politisch ausgeschlossen. Ein bitterer Witz am Ende eines Abends, der für die SPD überhaupt nicht lustig war.
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