Es war nicht unbedingt der Start in den neuen Job, den Bärbel Kofler sich gewünscht hatte. Gerade einmal einen Tag nachdem das Kabinett die Ernennung der SPD-Abgeordneten zur neuen Menschenrechtsbeauftragten der Bundesregierung gebilligt hatte, musste Kofler im Plenum des Bundestags über das Asylpaket II abstimmen. Monatelang hatten CDU, CSU und SPD um das Gesetzespaket gerungen. Es soll Asylverfahren beschleunigen, Einspruchsrechte verkürzen und den Familiennachzug einschränken.
Menschenrechtsorganisationen wie Pro Asyl und Amnesty International stellten sich gegen die Vereinbarung und auch vom linken Flügel der Sozialdemokratie kam Kritik. 30 SPD-Abgeordnete stimmten gegen das Paket – darunter auch Christoph Strässer, Koflers Vorgänger im Amt des Menschenrechtsbeauftragten. Kofler hingegen schluckte ihre Bedenken herunter. „Ich bin keine begeisterte Unterstützerin der Vereinbarung“, sagte sie in einem Interview wenige Stunden vor der Entscheidung im Bundestag. Dann stimmte sie tapfer mit Ja.
Dass ihr diese Entscheidung nicht leichtgefallen ist, darf man Kofler glauben. Die 48-Jährige kennt sich mit den Krisenregionen der Welt aus. Seit sie vor zwölf Jahren in den Bundestag nachrückte, engagiert sie sich in der Entwicklungspolitik. Sie sitzt ehrenamtlich im Kuratorium der Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit und im Aufsichtsrat des Zentrums für Internationale Friedenseinsätze. Deutschland müsse angesichts des weltweiten Flüchtlingselends ein humanitäres Gesicht behalten, betonte sie kurz vor ihrer Ernennung. „Die humanitäre Verantwortung ist das A und O“, so Kofler. Als Menschenrechtsbeauftragte wolle sie ihren Beitrag leisten, um das individuelle Recht auf Asyl zu verteidigen.
Koflers jüngster Karrieresprung reiht sich ein in eine Aufsteigergeschichte wie aus dem sozialdemokratischen Bilderbuch. Nach dem Realschulabschluss lernte die Oberbayerin zunächst Bankkauffrau bei der Sparkasse Berchtesgardener Land. Per Fernkurs holte sie jedoch schnell die Fachhochschulreife nach, schloss ein Informatikstudium ab und setzte noch einen Abschluss in Russisch und Spanisch obendrauf. Es folgte schließlich ihre Promotion über „Sprachpolitik und Sprachsituation in der ehemaligen Sowjetunion und deren Nachfolgestaaten“. Nebenbei arbeitete sie bei einem Tourismusunternehmen. 1999 ging Kofler schließlich als Lektorin für zwei Jahre an die Technische Universität in Moskau. Nach ihrer Rückkehr verdiente sie als Sprachlehrerin und Dozentin an einer Zivildienstschule ihren Lebensunterhalt. 2004 folgte ihr Sprung in den Bundestag. Da war sie bereits 13 Jahre SPD-Mitglied.
Auch im Parlament dauerte es zehn Jahre, bis Kofler sich in die erste Reihe vorgekämpft hatte. 2014 wurde sie zur entwicklungspolitischen Sprecherin der SPD-Fraktion gewählt. Kein einfaches Amt. Ihr Vorgänger Sascha Raabe wollte nicht noch einmal für den Posten antreten, weil die SPD in den Koalitionsverhandlungen mit der Union nicht genug Geld für die Bekämpfung der weltweiten Armut durchgesetzt hatte. Kofler, zuvor Raabes Stellvertreterin, rückte auf. Sie nutzte ihre Position, um Sozialstandards in der Textilbranche und mehr Engagement im Kampf gegen Ebola zu fordern. Die Zusammenarbeit mit Entwicklungshilfeminister Gerd Müller (CSU) lief ordentlich.
Am vergangenen Mittwoch dann die nächste Beförderung. Koflers Vorgänger Christoph Strässer hatte nur zwei Tage vor ihrer Ernennung seinen Rücktritt vom Posten des Menschenrechtsbeauftragten erklärt. Die Doppelbelastung von Amt und Mandat mache ihm zu schaffen, so die Erklärung des 66-Jährigen. Außerdem könne er die Flüchtlingspolitik der Großen Koalition nicht länger mittragen. Das Asylpaket II sei „schwer vereinbar mit meinen eigenen Positionen und meiner eigenen Glaubwürdigkeit“, schrieb Strässer an die SPD-Mitglieder seines Wahlkreises in Münster.
Kofler gehört wie Strässer zum linken Flügel der Sozialdemokraten. Auch für sie wird die neue Position keine einfache Aufgabe, denn sie unterliegt vielen Beschränkungen. Eingerichtet wurde die Position 1998 von der rot-grünen Bundesregierung. Offiziell ist die Menschenrechtsbeauftragte im Auswärtigen Amt angesiedelt, aber nicht unterstellt. Sie soll dem Außenminister Vorschläge zur Gestaltung der deutschen Politik in den Bereichen Menschenrechte und humanitäre Hilfe machen. Es ist eine beratende Funktion, keine entscheidende. Zu möglichen Menschenrechtsverletzungen in Deutschland darf Kofler nichts sagen.
Nicht nur deshalb kritisierte Amnesty International bereits vor neun Jahren, dass es dem Amt des Menschenrechtsbeauftragten an Einfluss fehle. Auch Kofler-Vorgänger Strässer beklagte nach seinem Rücktritt die „Alibi-Rolle“ der Position, die „vielfach spürbar“ sei. Frank Schwabe, menschenrechtspolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, forderte, man müsse sich perspektivisch darüber unterhalten, ob es künftig einen „anderen Zuschnitt“ für den Beauftragten geben sollte. „Wir sollten darüber sprechen, ob mit Beginn der kommenden Legislaturperiode das Amt des Menschenrechtsbeauftragten in seiner Wirkungsmöglichkeit nicht verbessert werden kann“, so Schwabe zu Spiegel Online.
In der Koalition ist man trotz dieser Einschränkungen überzeugt, dass Kofler das Amt erfolgreich ausfüllen wird. Bei der Opposition ist man sich da nicht ganz so sicher. Grünen-Politiker Tom Koenigs, selbst von 2005 bis 2006 Menschenrechtsbeauftragter, bemängelte bereits, dass Kofler trotz ihres Profils kaum Erfahrung mit Menschenrechtspolitik habe. Sie müsse in das Amt erst „reinwachsen“, so Koenigs.
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