Edward Snowden wollte nie nach Moskau. Eigentlich war er auf dem Weg von Hongkong nach Südamerika, wo er auf politisches Asyl hoffte. Schließlich hatte er erst Tage zuvor die Welt auf die massenhafte Überwachung von unbescholtenen Bürgern durch die NSA aufmerksam gemacht. Doch so weit kam er bekanntlich nie. Die USA annulierten seinen Pass, Snowden saß fest. Erst nach über einem Monat Hängepartie im Transitbereich des Moskauer Flughafens Scheremetjewo, beantragte Snowden dann doch vorläufiges Asyl in Russland.
Dieses unwürdige Schauspiel ist jetzt über ein Jahr her. Seitdem lebt Snowden in Moskau. Er könne sich dort frei bewegen und führe eine bescheidene Existenz, gab Snowdens Anwalt Anatolij Kutscherena am bekannt. Vorläufig wird sich daran nichts ändern. Seine Aufenthaltsgenehmigung wurde gerade um drei Jahre verlängert.
Entwürdigendes Schauspiel
Das ist zweifelsfrei eine gute Nachricht für Snowden. Anstatt in einem orangenen Overall im Hochsicherheitstrakt eines amerikanischen Gefängnisses zu sitzen, kann er weiter in einer interessanten Großstadt leben. Trotzdem bleibt ein unappetitlicher Beigeschmack. Die Tatsache, dass der wichtigste Whistleblower der jüngeren Vergangenheit sich ausgerechnet in Russland verstecken muss, ist für den Westen entwürdigend. Die russische Regierung ist nicht gerade dafür bekannt, die informationelle Selbstbestimmung ihrer Bürger zu achten. Berichte über bedrohte Journalisten und eingeschüchterte Oppositionelle gibt es mehr als genug. Dass sich Russlands Präsident Wladimir Putin dennoch als Beschützer Edward Snowdens präsentiert, grenzt an Zynismus.
An diesem Schauspiel ist der Westen Schuld. Keine funktionierende Demokratie in Europa fand sich bereit, Snowden aufzunehmen und vor einer Auslieferung in die USA zu schützen. In Deutschland hat zumindest die Opposition angekündigt, Snowden beim Bundesverfassungsgericht ins Land zu klagen, doch ob dieses Vorhaben Aussicht auf Erfolg hat, ist völlig offen. Die Bundesregierung hingegen rät Snowden hingegen, doch einfach in die USA zurückzureisen und fordert ihn damit faktisch auf, den Rest seines Lebens hinter Gittern zu verbringen. Mit dem großen Bruder will man es sich in den Berliner Ministerien halt nicht verscherzen.
Für Snowden gibt es derzeit also keine gute Lösung. Außer seiner Aufenthaltsgenehmigung in Russland, haben ihm nur noch drei andere Staaten Asyl angeboten: Venezuela, Nicaragua und Bolivien. Auf der Weltrangliste der Pressefreiheit von Reporter ohne Grenzen nehmen sie die Plätze 116, 71 und 94 ein. Russland liegt auf Rang 148. Es wäre die Verpflichtung des Westens und auch Deutschlands, Edward Snowden vor der Vereinnahmung durch diese Staaten zu schützen. Rechtliche Möglichkeiten hätte es gegeben und gibt es immer noch, den politischen Willen dazu nicht.
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