Geballte Kompetenz

Medientagebuch Das Rechercheteam aus NDR, WDR und Süddeutscher Zeitung sucht neue Mitstreiter - aber leider nicht uns
Ausgabe 08/2014

Der Printmarkt ist auch nicht mehr, was er einmal war. Vorbei die Zeit, als die Kollegen nur die Rückseiten der Anzeigen mit mehr oder minder sauber recherchierten Geschichten füllen mussten, um den nächsten Business-Class-Flug zum Interviewpartner in der Sonne wieder einzuspielen. Heute sinken die Auflagen fast überall und gute Recherche kostet richtig Geld. Das ist kaum mehr zu leisten für überforderte und unterbezahlte Zeitungsredakteure.

Wie die Zukunft für journalistische Qualität aussehen könnte, zeigt ein Blick nach Hamburg. Dort hat der ehemalige Spiegel-Chefredakteur Georg Mascolo kürzlich ein Büro beim NDR bezogen. Er leitet dort ein Rerchercheteam, an dem noch der WDR und die Süddeutsche Zeitung beteiligt sind. Man teilt sich die Kosten für große und aufwendige Recherchen. Am Ende veröffentlichen alle drei die Ergebnisse. Die ersten ließen nicht lange auf sich warten. So konnte der Verbund beispielsweise erfolgreich nachvollziehen, dass die Bild am Sonntag im Herbst herausfand, dass 2002 auch das Handy von Gerhard Schröder abgehört wurde. Auch so kann man Zeilen und Sendeminuten füllen.

Für die beteiligten Medien gibt es nur Vorteile. Sie profitieren von der geballten Kompetenz und sparen bei den Kosten. Insbesondere für die Süddeutsche Zeitung ist das ein guter Deal. Die Auflage ist im vergangenen Jahr wieder um 15.000 Exemplare gesunken – das verheißt nichts Gutes für die Einnahmenseite. Aber warum sollten nur die Kollegen aus München von dieser Lösung profitieren? Der Freitag darf hier nicht abseits stehen! Der Zeitpunkt für eine Kontaktaufnahme schien günstig: „Mascolo will Rechercheteam weiter ausbauen“, verkündete in der vergangenen Woche der Branchendienst Kress.

Hohe Hürden

Einige E-Mails später folgte die Ernüchterung. Man freue sich über unser Interesse, teilte das Büro des NDR-Chefredakteurs mit, aber dann kam es: „Wenn die Redaktion Der Freitag mit konkreten Ansatzpunkten für eine große Recherche auf uns zukäme, wie sie NDR und SZ etwa im Fall von Offshore Leaks gelungen ist, würden wir das gern prüfen.“

Das ist natürlich eine Hausnummer. Zur Erinnerung: Offshore-Leaks war ein massives Datenleck, das Kundenbeziehungen von ca. 130.000 Menschen zu vermeintlich steuersparenden Offshore-Trusts in die Öffentlichkeit brachte. Die Daten hatten zwar weder NDR noch Süddeutsche Zeitung selbst recherchiert – sie kamen vom Internationalen Konsortium für investigativen Journalismus – aber sie bereiteten sie zumindest sehr professionell auf und veröffentlichten sie im vergangenen April.

Da können wir leider nicht mithalten. Aber gerne wollen wir den Kollegen ein paar Anregungen geben, worum sich ihr Rechercheverbund demnächst kümmern könnte. Zum Beispiel könnte er der Frage nachgehen, wie viel von unseren Rundfunkgebühren von NDR und WDR dafür aufgebracht werden, um die Ausgaben für ein privatwirtschaftliches und gewinnorientiertes Unternehmen wie die Südwestdeutsche Medienholding niedrig zu halten? Oder warum es der öffentlich-rechtliche Rundfunk trotz eines Budgets von mehr als 7 Milliarden Euro im Jahr nicht schafft, eine eigenständige Investigativabteilung aufzubauen, die auf Amtshilfe von der Süddeutschen Zeitung nicht angewiesen ist? Herr Mascolo, wir freuen uns auf Ihre E-Mail.

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Geschrieben von

Julian Heißler

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