Im deutschen Chor

Porträt Frauke Petry verkörpert den rechten Flügel der AfD. Ihr Einfluss auf die Partei ist nicht zu unterschätzen
Ausgabe 05/2015
In Sachsen holte Petry holte fast zehn Prozent der Stimmen
In Sachsen holte Petry holte fast zehn Prozent der Stimmen

Foto: Sean Gallup/Getty Images

Es wird voll werden, wenn die AfD sich an diesem Wochenende in Bremen zu ihrem Bundesparteitag trifft. Auf Delegierte verzichtet die Partei diesmal – das Treffen soll allen Mitgliedern offen stehen. Die nahmen das Angebot gern an. Mehr als 3.000 AfDler haben ihr Kommen angekündigt – dabei bietet der gebuchte Tagungssaal nur Platz für 2.000 Menschen. Doch die Basis hat Redebedarf. Allein die Anträge zur Tagesordnung umfassen 42 Seiten, das Antragsbuch gar stolze 461. Der Parteitag droht sich festzufahren – dabei steht eine für den inneren Frieden der AfD entscheidende Satzungsänderung an. Aus bisher drei Vorsitzenden, Sprecher genannt, soll bis zum Ende des Jahres einer werden. In der Zwischenzeit sollen zwei Sprecher gleichberechtigt die Partei führen. Ein Parteitag im April soll entscheiden, wer die künftigen Spitzenleute sein werden. Es ist ein Kompromiss, auf den die beiden Parteiflügel sich nach langem Ringen und viel öffentlichem Streit mit viel Mühe einigen konnten.

Neben Bernd Lucke hat vor allem Frauke Petry gute Chancen auf einen der beiden neuen Sprecherposten. Ihr Interesse an dem Job hat sie bereits angekündigt. Petry hat die AfD mitgegründet. Seitdem ist sie auch eine der Bundessprecherinnen, neben dem ehemaligen FAZ-Redakteur Konrad Adam und eben Lucke, der zumindest in der Anfangsphase alle anderen in der AfD-Führung überstrahlte. Diese Zeiten sind vorbei. Spätestens seit Petry die AfD im vergangenen August in Sachsen in den ersten deutschen Landtag führte, ist sie aus Luckes Schatten herausgetreten. Sie lebt viele Ideale des konservativen Bürgertums. Die 39-jährige promovierte Chemikerin versuchte sich vor ihrem Engagement in der Politik als Unternehmerin. Über sechs Jahre führte sie ihre eigene Firma, bevor sie 2013 Insolvenz anmelden musste. Petry ist Trägerin des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland, Mitglied im Gleichstellungsbeirat der Sächsischen Staatsregierung und sang jahrelang im Leipziger Vocalensemble mit. Mit ihrem Ehemann, einem Pfarrer für sechs Dörfer, hat sie vier Kinder.

Zusammen mit dem ehemaligen CDU-Mann Alexander Gauland, der die Brandenburger AfD anführt, verkörpert sie den nationalkonservativen Kurs der Partei. Im Wahlkampf setzte sie auf Themen wie innere Sicherheit und Grenzkriminalität. Gleichzeitig warb sie dafür, die Drei-Kind-Familie in Deutschland wieder zum Leitbild zu erheben. Es sei Aufgabe der Politik, für das „Überleben des eigenen Volkes“ zu sorgen. Die Euro-Kritik, das ursprüngliche Alleinstellungsmerkmal der AfD, spielte kaum eine Rolle. Es war eine Strategie mit Erfolg. Petry holte fast zehn Prozent in Sachsen, die meisten Stimmen bekam die Partei in den grenznahen Regionen. In Thüringen und Brandenburg, wo kurz nach Sachsen gewählt wurde, setzten die AfD-Verbände auf die gleiche Methoden, – und waren auch dort erfolgreich.

Petry tut sich nicht schwer damit, rechts zu blinken. Demonstrativ suchte sie die Nähe zur Pegida-Bewegung. Sie lud die Organisatoren in den Dresdner Landtag ein. Als dagegen Proteste angekündigt wurden, verlegte sie das Treffen in ein Lokal. Petry kritisierte in der rechtslastigen Zeitung Junge Freiheit Gegendemonstranten, die im Dezember einen Pegida-Aufmarsch blockiert hatten. Als rassistische Ausfälle und ein Foto in Hitler-Pose des ehemaligen Pegida-Chefs Lutz Bachmann bekannt wurden, teilte Petry Bachmanns Mitorganisatorin Kathrin Oertel eigenen Angaben zufolge mit, dass „Bachmann nicht mehr zu halten“ sei. Noch am selben Tag trat er zurück. Oertel widersprach dieser Darstellung. Pegida bleibe „überparteilich“. Es ist jedoch auffällig, dass die Pressemitteilungen von AfD und Pegida zu Bachmanns Rückzug fast wortgleiche Formulierungen enthalten.

Dass die AfD nicht nur in Sachsen künftig weiter nach rechts rücken könnte, legt eine Präsentation nahe, die für eine Bundesvorstandssitzung der Partei am 18. Januar vorbereitet wurde. In dem Strategiepapier werden vor allem „Innere Sicherheit“ und „Asyl-, Zuwanderungs-, Flüchtlingspolitik (Islamismus)“ als „politisch-strategische Schwerpunkte 2015“ ausgewiesen. Der Euro folgt erst deutlich darunter. Alles ein Missverständnis, beteuert die AfD-Führung. Das Papier sei nie verabschiedet worden und deshalb ohne Bedeutung, sagt etwa Alexander Gauland.

Trotzdem zeigen die vergangenen Monate, dass der Flügel um Petry sich im Aufwind befindet. Lucke wollen ihre Verbündeten sich nicht länger unterordnen. Als der Europaabgeordnete kürzlich die Kreisvorsitzenden der AfD nach Frankfurt einlud, um Unterstützung für seine Vision von einer Partei mit nur einem Vorsitzenden einzuholen, kritisierten Petry und Gauland ihn in einem Brief für seine „Führung nach Gutsherrenart“. Gauland hatte Lucke zuvor in der Presse bereits als „Kontrollfreak“ bezeichnet. Lucke wiederum machte bereits mehrfach deutlich, dass er die AfD nur weiter führen wolle, wenn er zum alleinigen Vorsitzenden gewählt werde. Er setzt also alles auf eine Karte. Auf dem Parteitag will er die Mitglieder nun auf dieses Szenario einschwören – laut Tagesordnung unter Ausschluss der Öffentlichkeit.

Ob ihm das gelingen wird, ist längst nicht ausgemacht. Schon im vergangenen Jahr versuchte Lucke auf dem Erfurter Parteitag seinen Alleinvertretungsanspruch durchzusetzen – und scheiterte. Seitdem ist seine Position nicht stärker geworden, mit Petry hat er eine veritable Konkurrentin bekommen. Spekulationen, dass sie sich für den alleinigen Parteivorsitz interessiere, weist Petry jedoch von sich. Sie habe immer gesagt, dass sie nicht gegen Lucke kandidieren werde. Und Lucke werde schon antreten. „Davon gehen wir alle fest aus. Auch wenn er sich ein bisschen ziert.“

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Geschrieben von

Julian Heißler

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