Kraftloser Akt

Haushalt Der Haushalt für 2010 steht. Um große Einschnitte drückte sich die Koalition herum – das wird nicht noch einmal klappen

Es war eine lange Sitzung geworden. Erst um 3 Uhr 15 schloss der Haushaltsausschuss des Bundestages die Beratungen über den Bundeshaushalt 2010 ab. Damit ist die Finanzierung des Bundes sicher gestellt, sofern das Plenum des Parlaments in der kommenden Woche noch zustimmt. Doch in dieser letzten Ausschusssitzung, der so genannten Bereinigung, werden traditionell noch große Korrekturen am Entwurf der Bundesregierung vorgenommen. So auch gestern.

Zunächst die gute Nachricht: Die Neuverschuldung des Bundes wird in diesem Jahr nicht so hoch ausfallen, wie bisher erwartet. Die schlechte: mit 80,2 Milliarden Euro ist es immer noch bei weitem die höchste Kreditaufnahme seit bestehen der Bundesrepublik. Zählt man die diversen Sondervermögen, Fonds und andere Schattenhaushalte noch dazu, schießt die Neuverschuldung noch in weitere, astronomische Höhen. „Ich hoffe, dass wir bei der Nettokreditaufnahme unter 100 Milliarden Euro bleiben“, so Otto Fricke, der haushaltspolitische Sprecher der FDP. Wahrscheinlich ist das nicht.

"Wille zur Konsolidierung"

Die Koalition hat Glück gehabt. Die Arbeitslosigkeit ist weniger stark gestiegen, als die Regierung noch vor wenigen Monaten befürchtet hatte. Hinzu kommt, dass die deutsche Wirtschaft laut den jüngsten Prognosen ein bisschen stärker wachsen wird, als erwartet. Deshalb wird der Bund weniger Zuschüsse an die Bundesagentur für Arbeit überweisen müssen – 3,2 Milliarden Euro weniger um genau zu sein. Es ist die größte Korrektur, die der Haushaltsausschuss am Regierungsentwurf vornehmen konnte. Insgesamt strich der Ausschuss 5,9 Milliarden Euro aus der Vorlage des Finanzministers. Das ist in der Tat eine hohe Summe, doch ob man bei einer Rekordneuverschuldung von 80,2 Mrd. Euro vom „ausgeprägten Willen der christlich-liberalen Koalition zur Konsolidierung“ sprechen kann, wie es in einer Pressemitteilung heißt, sei einmal dahin gestellt.

Die Opposition sah das naturgemäß nicht so. Carsten Schneider, der Chefhaushälter der SPD, nannte die Sparliste der Koalition eine „Mogelpackung“. Sein Kollege von den Grünen, Alexander Bonde, rechnete zusätzlich vor, dass lediglich sieben Prozent der im Ausschuss beschlossenen Kürzungen tatsächlich die Folge von Sparanträgen sei. „Unter dem Strich spart die Koalition gerade einmal 0,5 Prozent der Neuverschuldung ein“, so Bonde.

In der Tat ist die Streichliste des Ausschusses dürftig. Die Koalition begründet dies damit, dass man gerade in der gegenwärtigen Situation die Wirtschaft nicht abwürgen dürfte. Im Prinzip stimmt ihr die Opposition sogar zu. Deren Vorschläge hätten ebenfalls zu einer neuen Rekordverschuldung nur knapp unter der 80 Milliarden-Grenze geführt.

Alles also nicht so wichtig? Nicht ganz. Ab sofort laufen die Vorbereitungen für den Haushalt von 2011 – und bei dem wird die Koalition nicht mehr mit Kosmetik durchkommen. Schließlich müssen ab dem kommenden Jahr die Vorbereitungen für die Schuldenbremse anlaufen. Das heißt: Jährlich müssen zehn Milliarden Euro des strukturellen Defizits abgebaut werden, damit die im Grundgesetz verankerte Regelung eingehalten werden kann. Die politische Kraft dies durchzusetzen hat die Koalition in der gestrigen Bereinigungssitzung nicht gezeigt. Im Herbst hingegen muss es ihr gelingen.

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Geschrieben von

Julian Heißler

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