Malerisch am Grienericksee liegt das frühklassizistische Schloss Rheinsberg. Friedrich der Große verbrachte hier die ruhigeren Stunden seiner kriegerischen Regentschaft. Später entdeckten Theodor Fontane und Kurt Tucholsky den zauberhaften Flecken Erde für sich. „Hier verbinden sich Natur, Architektur und Kunst zu einem harmonischen Ensemble“, heißt es auf der Homepage der Stiftung Preußischer Kulturbesitz über das Anwesen. Doch mit der Harmonie ist es erstmal vorbei.
Denn Schloss Rheinsberg gehört zu 64 Schlössern, Villen und Ländereien, um die in Brandenburg eine heftige Debatte ausgebrochen ist. Hintergrund ist ein Antrag, den Louis Ferdinand Prinz von Preußen, kurz nach dem Mauerfall stellte. Der damalige Chef des Hauses Hohenzollern wollte für die Enteignung seiner Familie nach dem Zweiten Weltkrieg entschädigt werden. Jetzt, 23 Jahre später, gab das zuständige Amt zur Regelung offener Vermögensfragen des Landkreises Oder-Spree dem Antrag auf Entschädigung der ehemaligen Kaiserfamilie vorläufig statt – und schreckte damit die Brandenburger Landespolitik aus.
Vordergründig geht es nur um 1,2 Millionen Euro, aber der symbolische Wert der Zahlung läge unweit höher. „Ich halte es für die falsche Entscheidung und unzeitgemäß, aus Steuermitteln dem ehemaligen Kaiserhaus etwas zukommen zu lassen“, so der innenpolitische Sprecher der Linken-Fraktion im Landtag, Hans-Jürgen Scharfenberg. Sein Parteifreund, Finanzminister Christian Görke, will die Zahlung „kritisch prüfen“. In der Antwort auf eine kleine Anfrage zum Thema (liegt dem Freitag vor) lässt die Landesregierung dann auch wenig Sympathien für eine Entschädigung erkennen und gibt lediglich den Gesetzestext wieder. Das Haus Hohenzollern wollte sich gegenüber dem Freitag nicht zu dem Vorgang äußern.
Historische Verantwortung
Hintergrund der Debatte ist die Frage, ob die Hohenzollern überhaupt ein Anrecht auf Entschädigung haben. Rechtlich hängt dies davon ab, welche Rolle die Familie während der NS-Zeit spielte. Denn das entsprechende Gesetz sieht vor, dass nicht entschädigt wird, wer dem Nationalsozialismus oder dem Kommunismus „erheblichen Vorschub“ geleistet hatte. Wie die Hohenzollern in dieser Frage zu bewerten sind, darüber gehen die Meinungen jedoch auseinander.
„Die Hohenzollern waren keine Steuermänner auf der Brücke der NS-Herrschaft. Aber sie haben durch ihre Mitwirkung bei der Zerstörung der Demokratie den Nazis Vorschub geleistet“, so Stephan Malinowski, Historiker an der Universität Edinburgh und Autor des Buches Vom König zum Führer. Deutscher Adel und Nationalsozialismus. Etwa seit 1930, so Malinowski, sei den konservativen Eliten klar geworden, dass die Nazis die stärkste rechte Bewegung werden würden. Ein Teil dieser Eliten versuchte sie deshalb zu ihrem Vehikel zu machen, um die Monarchie zurückzubringen. Der Adel spielte dort eine wichtige Rolle – und die Hohenzollern als ehemalige Herrscherfamilie mit einem Kaiser im Exil und mehreren potentiellen Thronanwärtern im Reich nochmals eine hervorgehobene.
„Keiner der Hohenzollernprinzen sprach vor der Machtübertragung öffentlich gegen die Nationalsozialisten. Im Gegenteil: Kronprinz Wilhelm zeigte Sympathien für die Nazis. Er protestierte gegen ein Verbot der SA und unterstützte Hitler im Reichpräsidentschaftswahlkampf von 1932“, so Malinowski, „sein Bruder August Wilhelm, der vierte Sohn des Kaisers, trat 1930 der NSDAP bei und wurde SA-Mitglied. Die Partei benutzte ihn wie ein Zirkuspferd und setzte ihn als Redner ein. Das sollte zeigen, dass die Nazis eine grundanständige, praktisch ‚hoffähige‘ und und für die konservativen Eliten akzeptable Bewegung seien. Denn es macht ja sogar ein Kaisersohn mit. Das war symbolisch ein großer Aufschlag."
Kein einheitliches Bild
Andere Historiker sehen die Rolle der Hohenzollern nicht ganz so düster. So kommt der Historiker und Preußen-Experte Christopher Clark in einem Gutachten für die Familie Hohenzollern zu dem Ergebnis, dass Kronprinz Wilhelm dem Nationalsozialismus „keinen erheblichen Vorschub“ geleistet habe. Er sei für das NS-System schlicht irrelevant gewesen und habe mit seinem Handeln keinen Einfluss auf das Regime gehabt.
Einigkeit herrscht hingegen, was die Bewertung von Antragsteller Louis Ferdinands angeht, dem Sohn von Kronprinz Wilhelm. Dieser habe sich nachweisbar nicht im Dienste der Nazis engagiert. Historiker Malinowski nennt ihn einen „integeren Antinazi“. Er verstarb 1994. Sollte die Familie entschädigt werden, würde das Geld an seinen Enkel Georg Friedrich gehen, das neue Oberhaupt der Familie.
„Dass Louis Ferdinand Prinz von Preußen kein Nazi war, ist für die Entschädigungsfrage vollkommen irrelevant“, so Axel Vogel, Fraktionsvorsitzender der Grünen im Brandenburger Landtag, „bei der Bewertung geht es einzig und allein um das Verhalten derjenigen, die 1933 im Besitz der entsprechenden Anwesen waren – nicht um das der Erben oder der Antragsteller“.
Die zweite Entschädigung
Vogel ist einer der lautstärksten Kritiker einer möglichen Entschädigung der Hohenzollern. Direkt nach Bekanntwerden des Vorbescheids des Amts zur Regelung offener Vermögensfragen des Landkreises Oder-Spree, reagierte er mit Unverständnis. Die Begründung des Amtes stehe „auf wackeligen Füßen“.
Sollte es dennoch so kommen, würden die Hohenzollern bereits ein zweites Mal entschädigt werden. Denn bereits nach der Novemberrevolution von 1918 beschlagnahmte der Staat Preußen den Besitz der ehemaligen Herrscherfamilie. Einige Jahre später, 1926, handelten Preußen und Familie einen Vergleich aus, nachdem die Hohenzollern etwa ein Drittel ihres ehemaligen Vermögens zurückbekamen – darunter auch viele Liegenschaften, um die es heute wieder geht. Ein von KPD und SPD angeschobener Volksentscheid zur „entschädigungslosen Fürstenenteignung“ scheiterte.
Für Vogel war schon dieser Ausgleich mit den Hohenzollern ein Fehler: „Es ist merkwürdig, dass damals Krongüter und andere Liegenschaften als Privatvermögen der Familie angesehen wurden. Da handelte es sich ganz eindeutig um Staatsvermögen." In Österreich, wo die ehemals herrschenden Habsburger ebenfalls enteignet wurden, habe es keinen vergleichbaren Vorgang gegeben.
Ob Georg Friedrich Prinz von Preußen sich tatsächlich auf eine Entschädigungszahlung freuen darf, prüft derzeit das Bundesamt für zentrale Dienste und offene Vermögensfragen in Berlin. Dort wird der Entschädigungsfonds des Bundes verwaltet. Wann mit einer Entscheidung gerechnet werden kann, ist noch offen.
Was ist Ihre Meinung?
Kommentare einblendenDiskutieren Sie mit.