Mehr Licht!

Fernsehen Talk im Dunklen: Zur 1111. Sendung dimmte Johannes B. Kerner seine Studiobeleuchtung, um ein "Zeichen für die Umwelt" zu setzen. Dabei half er vor allem sich selbst

In seiner 1111. Sendung saß Johannes B. Kerner im Dunkeln. Die Macher hatten sich selbst den Saft abgedreht. Anstatt das Studio mit den üblichen Scheinwerfern auszuleuchten, sah der Zuschauer ein nur von Neonlicht erfülltes (und deshalb leicht blaustichiges) Fernsehbild, wodurch deutlich weniger Strom verbraucht werden sollte. Die Maskenbildner verwendeten ausschließlich Öko-Cremes, das Catering nutzte nur Lebensmittel aus biologischem Anbau und JBK selbst steckte in einem nachhaltig produzierten Anzug. So wollte die Sendung ein Zeichen gegen den Klimawandel setzen - und betätigte sich doch nur als eine Art grüner Ablasshändler.

Damit ein über Jahre vertiefter ökologischer Fußabdruck nicht mehr allzu sehr das Gewissen deformiert, leistet man öffentlich Abbitte und ruft „Mea Culpa“. Danach kann man mit einem besseren Gefühl weiter tonnenweise Kohlendioxid in die Atmosphäre pumpen - oder wie Kerner in seinen Werbespots für eine Fluggesellschaft andere dazu ermutigen. Der Ablass ist schließlich gezahlt, der Weg ins Paradies steht wieder offen.

In der nächsten Woche ist die Welt immer noch nicht gerettet. Aber das interessiert wenige, wenn die High-Tech-Scheinwerfer Kerners Betroffenheitsmiene dann wieder mit ihrer vollen industriellen Härte ausleuchten. Bei solchen Aktionen geht es ja schließlich nicht ums Ergebnis, sondern allein um die Selbstdarstellung. Das unterscheidet die gestrige Selbstbeweihräucherung auch von anderen Aktionen, die ihr vordergründig ähnlich sehen.

Graswurzel schlägt Top-Down

Beispiel Earth-Hour, eine Aktion unter anderem angeschoben vom World Wildlife Fund WWF: Am 28. März sollen etwa eine Milliarde Menschen überall auf der Welt für eine Stunde das Licht löschen, um den Teilnehmern der UN-Klimakonferenz in Kopenhagen zu signalisieren: Tut etwas gegen globale Erwärmung.

Zwar ist auch das Schaufensterpolitik, doch sollten Ende des Monats wirklich rund um den Erdball die Lichter ausgehen, ist das ein Signal an die Konferenzteilnehmer, das sie schlecht übersehen können.

Die Earth-Hour ist eine gerichtete Aktion mit einem konkreten Ziel. Außerdem wendet sie sich an die breite Masse, die durch ein einfaches Signal zumindest das Gefühl bekommen kann, Teil einer Bewegung zu sein. So funktionieren soziale Kampagnen – nach dem Graswurzelprinzip. Revolutionen von oben hingegen haben in der Moderne nur selten das Bewusstsein von Menschen verändert. Niemand tauscht seine Glühbirne gegen eine Energiesparlampe aus, nur weil JBK eine Stunde im Dunkeln sitzt.

Doch das ist auch gar nicht das Ziel einer solchen Sendung. Es geht um Quote, und die war angesichts des massiven Presseechos auf die Aktion sehr gut: 1,28 Mio schalteten ein. So wurde gestern zumindest ein Klima gerettet: das in den Hamburger Redaktionsräumen von Johannes B. Kerner.

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