Problem erkannt – mehr nicht

Zuwanderung Ein modernes Einwanderungsgesetz ist in Deutschland nicht in Sicht
Ausgabe 07/2015
Peter Tauber (CDU) wagte Anfang des Jahres einen Vorstoß für ein Zuwanderungsgesetz
Peter Tauber (CDU) wagte Anfang des Jahres einen Vorstoß für ein Zuwanderungsgesetz

Foto: John MacDougall/AFP/Getty Images

Zumindest in einer Sache ist sich die Politik mittlerweile weitestgehend einig: Deutschland ist ein Zuwanderungsland. An diesem Befund kommt außerhalb eines Pegida-Aufmarsches heute kaum mehr jemand vorbei. Zwischen 1991 und 2013 sind 21,3 Millionen Menschen nach Deutschland gezogen – und 15,9 Millionen wieder gegangen. So geht es aus dem Migrationsbericht der Bundesregierung hervor. Heute leben rund sieben Millionen ausländische Staatsbürger in der Bundesrepublik. Doch angesichts der demografischen Entwicklung und des jetzt schon von der Wirtschaft beklagten Fachkräftemangels wird das auf Dauer nicht reichen. Deutschland braucht mehr Zuwanderung. Doch wie sie organisiert werden soll, ist nach wie vor umstritten.

Derzeit führen in der Regel drei Wege nach Deutschland. Am einfachsten ist es für EU-Bürger. Sie können sich hier jederzeit niederlassen, sofern sie ihren Lebensunterhalt bestreiten können. Für hochqualifizierte Nicht-EU-Bürger gibt es die Möglichkeit, über die Blue Card nach Deutschland zu kommen. Bewerber müssen einen Hochschulabschluss und einen Arbeitsvertrag mit einem Jahresgehalt von mindestens 44.800 Euro vorhalten (in manchen Branchen gibt es niedrigere Schwellen). Diese Hürden haben bislang nur gut 20.000 Menschen genommen. Für den Rest bleibt nur das Asylverfahren, das Menschen, die in Deutschland ihr Glück suchen wollen, ohne in der Heimat politisch verfolgt zu sein, allerdings nicht offen steht.

Dass dieser Zustand ein Problem ist, ist mittlerweile sogar in Teilen der Union angekommen. CDU-Generalsekretär Peter Tauber wagte Anfang des Jahres einen Vorstoß für ein Zuwanderungsgesetz. „Hoch qualifizierte Zuwanderer kommen, weil es hier Arbeit gibt. Doch die sind vermutlich schnell wieder weg, wenn es einmal schlechter läuft. Eine Nation braucht, wenn sie auch schwierige Zeiten überstehen will, Bürger, die sie dann tragen und ein positives Staatsverständnis haben“, so Tauber.

Kaum Einigkeit

Damit sprach der CDU-Mann ein absehbares Problem an. Der Großteil der Zuwanderung nach Deutschland kommt aus anderen EU-Ländern. Im Zuge der Euro-Krise kamen vermehrt Menschen aus Italien, Griechenland und Spanien. Sobald es in diesen Ländern wirtschaftlich wieder aufwärtsgeht, wird diese Quelle der Zuwanderung nach Deutschland wohl versiegen. Trotzdem bekam Tauber heftigen Gegenwind. „Mit der CSU wird es kein Einwanderungsgesetz geben“, richtete etwa CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer aus. Auch die Führung der Bundestagsfraktion stellte sich gegen Tauber. Und Innenminister Thomas de Maizière (CDU) teilte dem Generalsekretär gleich auf einer ganzen FAZ-Seite mit, warum er keine Notwendigkeit für ein neues Gesetz sehe. Tauber will trotzdem dranbleiben. Zustimmung bekam er vom Wirtschaftsflügel seiner Partei, aber auch von der saarländischen Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer und der stellvertretenden CDU-Vorsitzenden Julia Klöckner.

In den anderen Parteien ist das Thema weniger umstritten. Einig ist man sich trotzdem nicht. Als etwa SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann Anfang Februar forderte, die Zuwanderung nach Deutschland aus Nicht-EU-Staaten über ein Punktesystem nach kanadischem Vorbild zu regeln, zog er auch Kritik aus den eigenen Reihen auf sich. Es müsse sichergestellt werden, dass es durch die Zuwanderung nicht zu einem „Unterbietungswettbewerb bei den Löhnen“ komme, merkte etwa der stellvertretende SPD-Vorsitzende und Vertreter des linken Parteiflügels, Ralf Stegner, an. Bei den Grünen wiederum gibt es Bedenken, dass ein Einwanderungsgesetz dafür genutzt werden könnte, etwa die Zuwanderung aus humanitären Gründen einzuschränken. Entsprechend umfassend sind dann auch die Eckpunkte, die nach Ansicht der Grünen-Bundestagsfraktion bei der Ausarbeitung eines solchen Gesetzes berücksichtigt werden sollen. Neben einfacheren Regeln für Arbeitszuwanderer sollen auch „grund- und menschenrechtliche Schutzstandards“ erhöht werden. So steht es in einem Antrag, den die Fraktion in der vergangenen Woche einbrachte. Außerdem fordert die Fraktion die Regierung auf, bis Ende des Jahres ein Gesetz vorzulegen. Dass es tatsächlich so kommt, dürften allerdings selbst die größten Optimisten nicht glauben.

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Geschrieben von

Julian Heißler

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