Vorwärts immer, rückwärts nimmer

Westerwelle Der FDP-Vorsitzende blieb sich beim Dreikönigstreffen selbst treu und vieles schuldig, Parolen und Phrasen ausgenommen. Es gilt die „Vogel-Friss-Oder-Stirb“-Doktrin

Guido Westerwelle geht auf’s Ganze. Anstelle einer dringend nötigen Kurskorrektur schaltet der Außenminister und FDP-Vorsitzende beim traditionellen Dreikönigstreffen der Liberalen in Stuttgart lieber einen Gang höher. Trotz Umfragewerten, die am statistisch Messbaren kratzen, trotz mittlerweile offener Kritik aus den eigenen Reihen: der selbsternannte Kapitän hält Kurs – komme was da wolle.

Es war eine kämpferische Rede, die Westerwelle hielt. Der Parteichef tat das, was er am besten kann: angreifen. Routiniert watschte er die politische Konkurrenz von SPD und Grünen ab und fand auch noch in der vermurkstesten Reform der schwarz-gelben Koalition zumindest einen Schritt in die vermeintlich richtige Richtung. Das Ganze erinnerte verdächtig an Franz Münteferings Bonmot „Partei gut, Fraktion gut, Glück auf“ – kurz bevor Rot-Grün endgültig der Atem ausging.
Dass Westerwelle die Partei dabei längst nicht mehr so uneingeschränkt folgt wie in den vergangenen Jahren, konnte man ob der Szenerie fast vergessen. Der Außenminister wurde mit stehendem Applaus vom Rednerpult verabschiedet – ganz wie in den alten Zeiten, als die Partei sich an zweistelligen Umfragewerten und satten Wahlerfolgen ergötzen konnte. Doch das sich der Wind draußen im Land mittlerweile gedreht hat, ging auch an den Liberalen nicht spurlos vorbei. Birgit Homburger – als Fraktionschefin der FDP im Bundestag zumindest nominell eine der wichtigsten Stützen der schwarz-gelben Bundesregierung – bekam bereits kurz vor dem Dreikönigstreffen ihr Fett weg. Mit gerade einmal 66 Prozent bestätigte der mächtige Landesverband Baden-Württemberg Homburger als Vorsitzende. Das waren rund 20 Prozent weniger als beim letzten Mal. Das Ergebnis darf als Warnschuss an die Bundesspitze verstanden werden – schließlich geht bei den Ländle-Liberalen gerade die berechtigte Angst um bei den Landtagswahlen im März nicht nur aus der Regierung, sondern sogar aus dem Parlament zu fliegen.

Auch deshalb blieb es beim Dreikönigstreffen gestern relativ ruhig. Zwar bot sich Generalsekretär Christian Lindner mit seiner Rede eindrucksvoll als mögliche Alternative zu sowohl Westerwelle als auch Homburger an, doch einen Putsch aus der zweiten Reihe hat die derzeitige Führungsspitze zumindest bis zu den Landtagswahlen im März nicht zu befürchten. Bleiben die Liberalen sowohl in Rheinland-Pfalz als auch in Baden-Württemberg in den Parlamenten, und reicht es am Ende vielleicht sogar für eine Regierungsbeteiligung, dürfte erst einmal Ruhe einkehren. Wenn nicht, wird es auf dem Parteitag in Rostock eng für Westerwelle. Der hat mit seine „Vogel-Friss-Oder-Stirb“-Rede gestern klargestellt, dass er die künftigen Wahlergebnisse der FDP mit seiner Person verbindet. Einen Kurswechsel – soviel hat dieser Auftritt am 6. Januar deutlich gemacht – wird es mit ihm nicht geben, ganz abgesehen davon, dass er ihn auch nicht glaubwürdig verkörpern könnte. „Die Demoskopie ist nicht der Maßstab für unsere Grundsätze“, rief er gestern seinen Zuhörern zu – und meinte damit vor allem sich selbst. Wie viele Liberale er damit auf seiner Seite hat, wird sich im März zeigen. Wieder in Stuttgart.

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Geschrieben von

Julian Heißler

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