Zur Freiheit gehört das Risiko

Nach Charlie Hebdo Die deutsche Innenpolitik fordert nun die Verschärfungen der Sicherheitsgesetze. Aber Anschläge lassen sich nicht mit Vorratsdatenspeicherung verhindern
Ausgabe 03/2015
Mehr Überwachung (hier das BND-Gebäude in Berlin) ist auch keine Lösung
Mehr Überwachung (hier das BND-Gebäude in Berlin) ist auch keine Lösung

Foto: Soeren Stache/AFP/Getty Images

Das ging mal wieder schnell. Die letzten Schüsse der Terroranschläge von Paris waren kaum verhallt, da forderten die üblichen Verdächtigen der deutschen Innenpolitik bereits die nächsten Verschärfungen der Sicherheitsgesetze. Ganz oben auf der Liste steht wieder einmal die Vorratsdatenspeicherung, aber auch der Abgleich von Fluggastdaten zwischen den EU-Ländern wird gewünscht. Und natürlich mehr Geld und Personal für die Überwachung von Terrorverdächtigen. Aber können solche Mittel tatsächlich für mehr Sicherheit für die deutsche Bevölkerung sorgen?

Nicht alle dieser Forderungen sind sinnlos. Es ist bestürzend, dass etwa die Kouachi-Brüder französischen und auch amerikanischen Behörden als gefährlich bekannt waren, das Gemetzel an der Redaktion von Charlie Hebdo aber trotzdem nicht verhindert wurde. Hier hätte mehr oder sinnvoller eingesetztes Personal womöglich einen Unterschied machen können. Anders sieht es bei der in Frankreich genutzten Vorratsdatenspeicherung aus. Jetzt wissen wir zwar, dass Chérif Kouachis Ehefrau über 500 Mal mit der Lebensgefährtin des dritten Attentäters, Amedy Coulibaly, telefonierte, welchen Mehrwert diese Information allerdings haben soll, ist schleierhaft. Dass die drei Attentäter nicht unabhängig voneinander agierten, war schließlich schon klar, bevor die veritable Standleitung zwischen den beiden Frauen bekannt wurde. Anschläge lassen sich mit der Vorratsdatenspeicherung zudem nicht verhindern – ganz abgesehen davon, dass der Europäische Gerichtshof sie ablehnt. Deshalb ist es gut, dass Justizminister Heiko Maas (SPD) eine Wiedereinführung dieses Instruments weiter ablehnt – auch wenn Koalitionspartner und so mancher Sozialdemokrat das lieber anders sehen würden.

Eine freie Gesellschaft ist ohne eine funktionierende Sicherheitsarchitektur nicht vorstellbar. Wer beständig Angst um Leib und Leben hat, wird sich kaum in freier Rede auf den Marktplatz der Ideen wagen. Umgekehrt besteht immer die Gefahr, dass der Versuch größtmögliche Sicherheit zu schaffen, die Freiheit der Bürger über die Maßen einschränkt. Diese Erfahrung haben wir in der Bundesrepublik bereits gemacht, etwa durch die „Otto-Kataloge“ des ehemaligen Innenministers Otto Schily (SPD) nach dem 11. September oder durch das geradezu orwellisch betitelte „Luftsicherheitsgesetz“, das den Abschuss von entführten Passagiermaschinen ermöglichte und vom Bundesverfassungsgericht kassiert wurde.

Diese Dimension haben die jetzt wieder in die Diskussion gebrachten Forderungen lange nicht. Das ist auch nicht nötig. Die vergangenen Jahre zeigen, dass die deutschen Sicherheitsbehörden ganz gut auf die terroristische Bedrohung eingestellt sind. So konnte etwa das BKA den geplanten Anschlag der Sauerlandgruppe im Jahr 2007 durch klassische Ermittlungsmethoden verhindern. Allerdings: Die Deutschen hatten in der Vergangenheit auch mehrfach Glück. Einige Anschläge scheiterten nur daran, dass die Attentäter nicht in der Lage waren, die Zünder ihrer Sprengsätze scharf zu stellen.

Aber absolute Sicherheit, das haben die Anschläge jetzt in Frankreich oder auch vor zwei Jahren in Boston gezeigt, kann es in einer freien Gesellschaft nicht geben. Wer jetzt nach schärferen Gesetzen ruft, kann nicht gleichzeitig „Je suis Charlie“ sagen. Gerade angesichts einer realen terroristischen Bedrohung muss das der Gesellschaft klar sein.

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Geschrieben von

Julian Heißler

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