Ein Buch für 99 Cent

Netzgeschichten Johnny Haeusler hat einen Bestseller geschrieben: "I live by the river" war innerhalb von sieben Stunden auf Platz 1 der eBook-Charts bei Amazon. Könnte das jeder?

Kunden, die diesen Artikel kauften, kauften auch ... eine Aeropress-Kaffeemaschine, ein (gedrucktes) Buch namens Hackbrause und einen Kindle-Reader. Letzterer ergibt gemeinsam mit Johnny Haeuslers eBook wohl am meisten Sinn, schließlich geht es bei der Kurzgeschichtensammlung I live by the river nicht nur um Haeuslers geschriebene Geschichten, sondern auch um das eBook an sich. Ist das eBook der Tod des gedruckten Werkes? Oder ist das eBook selbst schon wieder tot, eine einzige Fehlgeburt? Wieviele Ebooks kauft sich der moderne Mensch, um sie in seine virtuelle Bibliothek zu stellen? Fragen, denen es nachzugehen gilt. Denn von Amazon als auch von Printverlagen gibt es kaum offizielle Zahlen über verkaufte Exemplare.

Das ist Anlass genug für Haeusler - bislang vor allem als Ex-Punk-Sänger und Bloggründer sowie -schreiber von Spreeblick bekannt - seine Buchautorkarriere als transparentes Mitmachprojekt zu starten. Ein Buch für 99 Cent. Und alle sollen es kaufen. Was viele auch tun. Schließlich propagiert Haeusler das Ganze auf allen Wegen der virtuellen Kommunikation. Twitter, Facebook, Blog. Dort präsentiert er auch immer die aktuellen Verkaufszahlen. Nach sieben Stunden ist I live by the river tatsächlich auf Platz 1 der Kindle-Charts in der Rubrik „Kurzgeschichten und Anthologien“ sowie auf Platz 1 der Rubrik „Humor“ (noch vor Die 219 besten Witze aller Zeiten). Mit 189 verkauften Exemplaren. In den gesamten Kindle-Charts erreicht das Werk nach wenigen Tagen Platz 5, verkaufte Exemplare dabei: 1100 Stück. Bei iTunes vertreibt er mit rund 200 Verkäufen nach einem Tag die Gebrüder Grimm von der Spitze, längst abgeschlagen Krieg und Frieden, dabei kostet dieses zugegebenermaßen etwas kompaktere Werk sogar nur 49 Cent.

Winterpause bei Apple

Und was lernen daraus? Zum Beispiel, dass bei Amazon der Autor von den 99 Cent etwa 35 Cent bekommt, würde er seine Lektüre für 2,99 verkaufen wären es weitaus mehr. Dass die bei Apple tatsächlich Winterpause machen. Dass es hunderte eBook-Shops gibt, bei manchen der Mindestbestellwert allerdings bei einem Euro liegt. Dass man, um bei iTunes ein eBook zu verkaufen, eine US-Umsatzsteuernummer braucht. Dass man gar kein Kindle-Gerät benötigt, um Kindle-Bücher zu lesen.

Und vor allem, dass es doch recht einfach ist, in der eBook-Welt, die vom Feuilleton noch unbeachtet vor sich hin vegetiert, Erfolg zu haben. Angeblich verkaufen sich auch die größten Bestseller der Buchladenwelt in elektronischer Form nur im zweistelligen Bereich. Da sind 1.000 verkaufte Stück innerhalb einer Woche natürlich nicht schlecht. „Es ist schon irre leicht, selbst ein Buch zu publizieren“, stellt Haeusler selbst fest. Ihm habe aber natürlich seine wenn auch begrenzte Prominenz durch Spreeblick geholfen. Schließlich gab es außer dem Blog kein Marketing, allein durch die dadurch erreichten Chartplatzierungen fand sich dann wieder eine neue Leserschaft.

„Wir verkaufen hier ja auch keinen Scheiß“, erklärt der Autor von Kurzgeschichten wie „Don't mention the war“, die bestätigt, dass alle Deutschen in England immer nur von Hitler reden, oder „Beim Arzt“, die all denen, die irgendwann schon mal bei irgendeinem Arzt waren, ans Herz zu legen ist. „Für das Projekt hätte es natürlich auch gereicht, einfach nur eine Geschichte zu verkaufen“, sagt Haeusler. Aber er wollte auch etwas Vollwertiges anbieten, 15 Geschichten aus seinem Blog hat er zusammengestellt und überarbeitet. „Toll, dass es kein Reinfall ist“, meint Haeusler, der vorher auch kaum Ahnung hatte, wie das alles funktioniert, selbst aber längst mehr eBooks als gedruckte kauft. Irgendwann wird das eBook auch keine Seltenheit mehr sein, da ist er sich sicher. Aber der erste Printverlag hat schon angefragt.

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