Wer entscheidet, was berichtet wird?

Medien Wenn sie auch morgen noch kraftvoll zuschreiben wollen, müssen Journalisten mit ihren Lesern reden
Ausgabe 23/2018
Journalisten müssen ihre Arbeit besser erklären, damit ihre Leser, Zuschauer und Nutzer ihnen vertrauen
Journalisten müssen ihre Arbeit besser erklären, damit ihre Leser, Zuschauer und Nutzer ihnen vertrauen

Foto: Action Pictures/Imago

Was machen diese Journalisten eigentlich den ganzen Tag? Warum berichten sie nie über die Dinge, die mir wichtig sind? Und bezahlen sie von meinen Gebühren nur die Tagesschau oder auch den Porsche des Chefredakteurs?

Mit solchen Fragen werden Journalisten derzeit gerne konfrontiert, nicht nur bei rechtslastigen Demos, sondern auch in den Kommentarspalten von tagesschau.de, auf Familienfesten und in Leserbriefen an das Nachrichtenmagazin Der Spiegel. Letzterer hat sich der Sache angenommen, indem er Ende Mai zu einer Leserkonferenz einlud. Davon berichtet in der aktuellen Ausgabe Chefredakteur Klaus Brinkbäumer. Die Art und Weise, wie er es tut, steht aber weniger für eine Annäherung beider Seiten als für die Gründe, warum manche Probleme mit Medien haben.

Wenn es in den vergangenen Monaten etwas zu lernen gab, dann, dass Journalismus für Externe genauso eine Black Box ist wie der Arbeitsalltag von Consultern, Controllern oder Think-Tank-Mitarbeitern. Oder wüssten Sie jetzt auf Anhieb, was die konkret tun? Wie erfahren Redaktionen, dass etwas passiert ist? Wer entscheidet, was berichtet wird, und wie? Was gibt es für moralische, ethische und rechtliche Regeln? Journalisten müssen das viel besser erklären, damit ihre Leser, Zuschauer und Nutzer das Ergebnis ihrer Arbeit besser verstehen und demnach wieder bereit sind, ihnen Glauben zu schenken. Wenn sie sich bei Gelegenheit noch einmal selbst auf ihre Kernkompetenzen besinnen, schadet das nicht.

Doch das Erklären und der Umgang mit dieser Kritik müssen auf Augenhöhe stattfinden. In Brinkbäumers Artikel geht es aber erst einmal ausführlich darum, wie großartig die Spiegel-Redaktion sich selber findet („Unser Selbstbild besagt, dass der SPIEGEL von 2018 keine von alten Herren dominierte Firma mehr sei, sondern Spiegelbild einer modernen Gesellschaft“). Erst im letzten Drittel konkretisiert er die vorgebrachten Kritikpunkte, um sie gleich wieder zu entkräften, mit Hinweisen auf die hervorragend arbeitende Dokumentation sowie Demokratie und Pressefreiheit, denen man einen harten Umgang mit Typen wie Putin und Trump schuldig sei. Als Empfänger von Kritik solle man nicht in einen Selbstverteidigungsmodus rutschen, schreibt er. Nur hält er sich nicht daran.

Mit diesem halbgaren Versuch steht Brinkbäumer nicht allein. Die Tagesschau eröffnete einst ein Blog, um einen Blick hinter die Kulissen zu ermöglichen und Fragen zu begegnen. Seit Ende Januar gingen zwei Texte online. Noch leerer ist es im dem gleichen Zweck gewidmeten „Glashaus“ von Zeit Online, an dem die Redaktion drei Monate nach Gründung im Dezember 2016 die Lust verlor. Drei Texte wurden seit Jahresanfang noch veröffentlicht; in einem davon reagiert Chefredakteur Jochen Wegner auf den Vorwurf, im „Glashaus“ erschienen keine Texte.

Dabei ist das grundsätzliche Interesse an den Details des Arbeitsalltags nicht nur etwas, für das jeder Buchhalter seine letzte Motivkrawatte gäbe. Es ist auch zentral, wenn – Achtung, Pathos! – der Journalismus in Zukunft seinen Beitrag zum Erhalt der Demokratie leisten möchte. Wenn sie auch morgen noch kraftvoll zuschreiben wollen, müssen Journalisten mit ihren Nutzern reden. Aber nicht von oben herab und nicht nur sporadisch, wenn es gerade passt.

Juliane Wiedemeier schreibt im Wechsel mit Klaus Raab, Julia Seeliger und Benjamin Knödler für den Freitag die wöchentliche Kolumne Medientagebuch

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