Es nieselt. Männer, Frauen und Kinder steigen, gefolgt von Polizisten der Bundespolizei, in einen Bus. Aus dem Off sagt eine Stimme: „Nicht wenige haben den falschen Versprechungen von Betrügern geglaubt, dass es einfach wäre, in Deutschland und anderen EU-Staaten als Asylbewerber zu bleiben und viel Geld zu verdienen.“ Das Video ist im Rahmen einer Kampagne entstanden und zeigt abgeschobene Asylbewerber aus Albanien, Bosnien und Herzegowina, Kosovo, Mazedonien, Montenegro und Serbien. Besonders ihre Asylanträge seien fast durchweg aussichtslos, schreibt das Innenministerium auf seiner Homepage und veröffentlicht deshalb ein „Aufklärungsvideo für potentielle Flüchtlinge aus den Westbalkanstaaten“.
Es ist erschütternd wie hier unter dem Deckmantel des Mitgefühls Propaganda betrieben wird. Der Sprecher mahnt: „Ruinieren sie nicht sich und ihre Familie finanziell und wirtschaftlich für ihre Schleusung nach Deutschland, sondern helfen sie aktiv mit ihr Heimatland wirtschaftlich aufzubauen.“ Dass es mit dem Mitgefühl nicht allzu weit her ist, wird schnell deutlich.
Die „Maßnahme im Rahmen des aktuellen Aufklärungskonzepts“ versucht jene einzuschüchtern, die aus Verzweiflung und fehlenden Zukunftsperspektiven ihr Heimatland verlassen. Denn das Video betont: Wer sich der Abschiebung entziehen will muss mit Abschiebungshaft rechnen. Zusätzlich wird mit der finanziellen Notlage der Flüchtlinge gespielt, in dem man sie darüber informiert, dass ihnen die hohen Kosten der Abschiebung in Rechnung gestellt werden. Der Kurzfilm weist außerdem darauf hin, dass diese auch noch Jahre später von dem Abgeschobenen eingefordert werden können und eine Einreise nach Deutschland erst wieder möglich sei, wenn die Kosten bezahlt worden sind.
Doch nicht genug der Einschüchterungsversuche. Die Aufklärungskampagne gibt sich vermeintlich fürsorglich. Auf Flüchtlinge würden in Deutschland nur Enttäuschungen warten und die Erkenntnis, dass die einzigen Gewinner, die Schlepper sind, die sie für viel Geld über die Grenzen gebracht haben. Wie fern jeder Realität! Denn wenn sich Menschen entscheiden, ihre Heimat zu verlassen, so treibt sie nicht eine bestimmte Erwartungshaltung an. Sondern die Gewissheit, dass es für sie in ihrer Heimat keine Zukunft mehr gibt und es überall anders nur besser sein kann.
Die Bundespolizei hat keine Kosten und Mühen gescheut, den knapp vierminütigen Clip auch ins albanische, bosnische, mazedonische und serbische zu übersetzen, damit das Video in der jeweiligen Landessprache gezeigt werden kann und unerwünschte Asylbewerber abgeschreckt werden. Geplant ist auch die heimische Medien mit einzubinden, um eine größere Reichweite zu erzielen.
Dass die Flüchtlingskrise in den letzten Monaten ein neues Ausmaß angenommen hat ist nicht zu leugnen. 400.000 Asylanträge alleine im ersten Halbjahr 2015 zählt das Europäische Statistikamt in den 28 Staaten der Europäischen Union. Im Vergleich zum Vorjahr haben sich die Anträge somit fast verdoppelt. Und auch die Zahlen aus Deutschland sprechen eine ähnliche Sprache: 190.000 führt die Statistik auf.
Flüchtlinge aus den Balkanstaaten haben eine geringere Chance auf Anerkennung, weil viele als Wirtschaftsflüchtlinge gelten. So weit, so richtig. Dass ein Drittel von ihnen aber den Sinti und Roma angehören und aus ihren Heimatländern vor Diskriminierung fliehen, wird dabei vergessen. Anstatt Wege und Möglichkeiten zu finden, um mit der Situation in Deutschland umzugehen, kann man das Video als Akt der Verzweiflung sehen. Es ist der Versuch, die Probleme jenseits der eigenen Grenzen zu verorten, statt dort zu reagieren, wo sie derzeit sichtbar werden: vor der eigenen Haustür. Lieber greift man auf eine Politik der Abschreckung zurück.
Kommentare 12
Zu dem Thema gibt es parallel einen hervorragenden Artikel auf Telepolis, der verstärkt auf die Zustände und Ursachen der prekären Armut in diesen Ländern eingeht:
http://www.heise.de/tp/artikel/45/45671/1.html
Was genau soll bei den Beiträgen denn diskutiert werden?
Artikel 1) Hat nichts mit Asylanträgen aus den Westbalkanstaaten zu tun.
Artikel 2) Hat nichts mit Asylanträgen aus den Westbalkanstaaten zu tun.
Artikel 3) Hat nichts mit Asylanträgen aus den Westbalkanstaaten zu tun.
Sie wünschen sich mehr "Ausländer sind generell doof"-Debatten? Da werden sie beim Freitag wohl tatsächlich enttäuscht werden.
Ich bin mir aber ziemlich sicher dass sie niemand hindert eine sachliche Diskussion zu führen wenn sie es schaffen argumentativ an einer Sache zu bleiben anstatt alles, was nicht zusammengehört in eine große braune Suppe zu verrühren.
Ein paar Anregungen zu den Artikeln:
1) thematisiert keine "kulturelle Wertvorstellungen". Eine Ghettoisierung prekärer Bevölkerung - gleich woher sie stammt - ist aber nie eine gute Idee. Die Erkenntnis ist ein alter Hut. Es braucht Sozialwohnungen auch in "besseren" Vierteln und ja, auch in Nachbarschaft des grünen Stammwählers, anstatt die Probleme, die mit Integration leicht einhergehen immer wieder einseitig den deutschen Unterschichten aufzulasten.
2) thematisiert ebenfalls keine kulturellen Wertvorstellungen, sondern politische. Und ja, man kann mit Recht fragen warum der deutsche Staat die AKP-Türkei hofiert, wärend gleichzeitig jeder Kurde, der auch nur Umgang mit PKK-Mitgliedern unterhält kriminalisiert wird.
Und ich war selbst auf genügend Demonstrationen anwesend um die Darstellungen der Polizei wer wo wann zuerst Gewalt angewendet hat begründet als Märchenstunde einordnen zu können.
Ihre Zeitung offenbart da nebenbei bemerkt ein problematischeres Verhältnis zu Prinzipien des deutschen Rechtstaats als so mancher Migrant: Auf einer Demonstration festgenommene Tatverdächtige sind keine Straftäter. Weder Polizei, noch Journalisten sprechen in diesem Land rechtskräftige Urteile.
Ich war selbst längere Zeit mit einer Dame aus besagter Balkanregion zusammen. Ich kann ihnen versichern, so groß sind die kulturellen Unterschiede nicht, auch wenn sie natürlich im Kleinen existieren. Die angesprochene Sexualmoral zB ist auf dem Balkan lockerer als im doch recht verklemmten Deutschland.
>Wo ziehen wir denn die Grenze bei dem allen ?<
Die Grenze ist ziemlich klar: Flüchtlinge vor Krieg und politischer Verfolgung erhalten Asyl. Flüchtlinge vor Elend und Perspektivlosigkeit nicht. Das ist im einzelnen schnell unappetitlich, aber auch notwendig.
Wer da von "Aufklärung" spricht hält Albaner, Serben und co für ein bisschen blöde. Die wissen zimlich genau was sie hier erwartet und entgegen der Darstellung der Kampagne hat sich der Asylantrag für sie schnell gerechnet.
Das einzige was da hilft ist eine schnellere Bearbeitung der Asylanträge. Das kostet aber nicht weniger, sondern mehr Ressourcen.
Atmen sie erst einmal tief durch.
Welcher Debatte stelle ich mich denn bitte nicht? Ich habe ihnen gerade eine ausführliche Antwort geschrieben und sie darin sogar ausdrücklich aufgefordert doch eine Debatte zu führen.
Das geht aber nicht, indem man lustig von Thema zu Thema springt ohne sich einem einzigen mit mehr als einem dutzend Hirnzellen zu widmen. Und ja, das sind exakt die Methoden des braunen Sumpfes.
Die Kriminalität von Libanesen die legal in Deutschland leben kann man diskutieren, aber eben nicht, wenn es um Asylanträge aus dem Westbalkan geht! Entscheiden sie sich für ein Thema. Wenn es zum Artikel passt, diskutieren sie es hier. Wenn sie lieber über etwas anderes Schreiben wollen, machen sie einen eigenen Blog.
Statt dessen sind sie nun bei bei nicht näher genannten Menschen die Straftaten kommentieren. Liegt ihnen das strukturierte Denken generell nicht so?
Die aktuelle Rhetorik insbesondere der CSU, und nun auch von de Maizière, macht alle wohlmeinenden Interpretationen zunichte!Die derzeitige Ausländer- bzw. Asylpolitik ist insbesondere in Deutschland noch geprägt von parteiideologisch aufgeladenen Positionen ("Deutschland ist kein Einwanderungsland", "Wer betrügt, der fliegt", "Mia san mia", "massenhafter Asylmißbrauch", "rasanter Kostenanstieg", "rigorose Maßnahmen", "weniger Bargeld") der - auch noch jüngsten - Vergangenheit. Man sollte sich daher nicht wundern, wenn neben der erfreulichen Entwicklung von Befürwortern und Helferkreisen für Flüchtlinge und Einwanderer aber auch Ausländerfeinde, angefeuert von geistigen Brandstiftern ("Bayern soll als Zuwanderungsland unattraktiv werden": PFUI) , weiterhin, und wie die Kriminalitätsstatistiken belegen, verstärkt ihr Unwesen treiben.
Selbst die Wirtschaftsverbände sprechen sich mittlerweile - aufgrund des infolge der demographischen Entwicklung absehbaren Mangels auf dem Arbeitsmarkt - für eine aktive Einwanderungspolitik aus. Und auch Kommunalpolitiker sehen hier eine Möglichkeit, dem "Ausbluten" ihrer Region entgegenzuwirken.
Es wird daher Zeit, vom Schutz der Grenzen auf den Schutz der Menschen umzuschalten und auch Ausländern im biblischen Sinne als unseren Brüdern und Schwestern zu
begegnen. Nicht zuletzt könnten Sie Deine Schwiegersöhne/Töchter, Schwäger/innen, Nichten/Neffen, Cousins/Cousinen etc. sein, wie auch Sigismund Rüstig in seinem Song "Ich bin, ich hab, mia san mia" thematisiert:http://youtu.be/2AdoJY-VRkwViel Spaß beim Anhören!
Und nicht zu vergessen: die CDU und insbesondere Merkel haben vor 14 Jahren das Süssmuth-Konzept für eine moderne, zeitgemäße Zuwanderungspolitik abgeschmettert! Und über das heute sichtbare Chaos werden Krokodilstränen vergossen. Scheinheilig!
Um mal wieder von der mehr oder weniger autologisch verlaufenden Debatte über die Debatte weg- und zu den Betroffenen, aka „Abzuschreckenden“, hinzukommen. Die Lage der Sinti und Roma, das weiß ich leider aus eigener Anschauung, ist, zumindest, was Mazedonien betrifft, schlimm. Sie ist so schlimm, wie sie es gerade eben noch sein kann, ohne dass „Gefahr für Leib und Leben“ zwingend festgestellt werden müsste (was im Übrigen vermutlich auch nicht bedeuten würde, dass ein Land wie Deutschland, dessen Interesse an der Markierung „sicherer Herkunftsländer“ ungebrochener ist denn je, anerkennen würde, das wäre, was im Rahmen dieser Festsetzung eben nicht sein dürfte).
Und insofern ist die wahrscheinliche Abschiebung zumindest rechtens. Aber (und sorry fürs Selbstzitat): „Natürlich liegt keine klassische politische Verfolgung vor. Aber es ist die Politik, die die Verfolgung persönlicher Ziele bestimmter Volksgruppen verhindert, und das so unscheinbar, so scheinbar unpauschal, dass sie eine indes sowieso nicht so genau hinsehen wollende EU-Kommission damit zu täuschen vermag. Und dadurch treibt sie die betreffenden Gruppen in Lebensumstände, die sie ihnen dann, falls doch mal die Sprache drauf kommt, als Grund für die Aussortierung vorhalten kann. Also der bekannte Regelkreis von Vorurteil und Umständeschaffen, der sich durch aufopferungsvoll betriebene Gegenseitigkeit in Gang hält…“
Damit ist, das muss ich leider zugeben, das Problem von Unterbringung, menschenwürdiger Versorgung und künftiger Integrierung (oder gar Interkulturalität) natürlich nicht gelöst, und „wir vom Freitag“ geraten einmal mehr in den Verdacht der wolkenkuckucksblauen Gesinnungsethik.
Aber ich finde den zugrundeliegenden Artikel auch deshalb sympathisch, weil ein derartiges Propagandafilmchen, obwohl es viel Zutreffendes beinhalten mag, diskursiv näher bei Pegida/CSU/AfD zu verorten ist und somit rein atmosphärisch dem entgegensteht, was es zu betreiben vorgeben: vorurteilsfreier Aufklärung.
Über Ulbricht wird sich regelmäßig aufgeregt! ( Mauer ) Was aber in diesen reichen Deutschland für geistige Mauern aufgebaut werden - mit Hilfe der Presse, Politik, Rechtsextremisten usw. ist oberpeinlich und dann war ja noch was mit der Menschenwürde! Nicht Flüchtlinge bekämpfen sondern Ursachen!
... erst werden Länder kaputt gemacht oder "demokratisiert" und was kommt dann? Ursachen wie Krieg!
"Ländern bloss die Klugen fehlen, die zum Aufbau benötigt werden.)." Na stellen Sie sich mal vor, dass Land will nicht einen pro - westlichen Kurs - was dann los geht?! Kapitalismus und seine Kriese/n! Hausgemachte Probleme !
Sie wollen mich nicht verstehen und ich muss keinem missionieren!
Solange sich vor allem der amerikanische Imperialismus seinerseits bedient sich wieder zynischer Sprüche über Menschenrechte, um weitere Militäroperationen zu rechtfertigen, die immer und immer mehr Flüchtlinge “Produzieren“ braucht man sich nicht wundern. Heuchelei ist doch diese “Demokratisierung“ es geht nur um eiskalte wirtschaftliche Interessen! Und neulich wurde ich belehrt, ein Diktator ist nicht gleich ein Tyrann – AHA!
Wenn Sie nicht die Ursachen für Flüchtlingsströme erkennen wollen, dann brauchen wir nicht weiter zu diskutieren.