Frankreich streicht Homöopathie

Gesundheitswesen Das französische Gesundheitsministerium hat beschlossen, dass die französischen Krankenkassen homöopathische Präparate ab 2021 nicht länger erstatten dürfen

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Klinische Doppelblindstudien belegen, dass homöopathische Produkte nicht über den Placebo-Effekt hinaus wirksam sind
Klinische Doppelblindstudien belegen, dass homöopathische Produkte nicht über den Placebo-Effekt hinaus wirksam sind

Foto: Peter Macdiarmid/Getty Images

Da die Hersteller der verschiedenen Mittel nicht in der Lage sind, deren Wirksamkeit nachzuweisen, bezweifelt die Regierung diese generell. Auch in Deutschland wird momentan darüber diskutiert, den Krankenkassen die Erstattung von Homöopathie zu untersagen. Denn hier ist der Knackpunkt: Es kann zwar eine Wirksamkeit von homöopathischen Präparaten nachgewiesen werden, worauf sich die Hersteller und Unterstützer gerne berufen, doch ist diese nicht höher als beim Placeboeffekt.

Abschaffung in zwei Schritten

Bereits ab 2020 wird, so die französische Gesundheitsministerin Agnès Buzyn, die Höhe der Erstattung von 30% auf 15% halbiert, ehe sie dann ein Jahr später ganz entfallen soll. Ende Juni hatte das französische Gesundheitsministerium in einer Pressemitteilung bekanntgegeben, dass aus Sicht der Behörde die Wirksamkeit homöopathischer Mittel nicht gegeben und insofern eine Erstattung durch die öffentlich finanzierten Krankenkassen nicht länger zu rechtfertigen sei. Die von der Gemeinschaft aufgebrachte Finanzierung des Sozial- und Gesundheitssystems dürfe nicht genutzt werden, um die Produzenten wirkungsloser Mittel zu subventionieren.

Lob und Kritik an der Entscheidung

Während Mediziner und Ärzte erfreut auf die Nachricht aus dem Ministerium reagieren, äußern die Hersteller der umstrittenen Präparate, Heilpraktiker und Patientenverbände erwartungsgemäß Kritik. Allein der größte französische Produzent von Globuli und homöopathischen Tropfen Boiron rechnet damit, durch die Neuregelung 1300 Stellen abbauen zu müssen. Auch die Vertreterinnen und Vertreter von Gewerkschaften teilen diese Sorge und gehen vom Verlust von mehr als 1000 Arbeitsplätzen in Frankreich aus. Rund 10% der Franzosen nehmen regelmäßig homöopathische Produkte ein. Oft zur Behandlung relativ harmloser Erkrankungen wie zum Beispiel Erkältungen, mitunter aber auch bei gefährlicheren Leiden. Entsprechend regt sich auch aus diesem Teil der Bevölkerung Kritik am Beschluss des Ministeriums. Dennoch sei es wichtig, so Ministerin Buzyn, dass jeder Euro, der in das System hineinflösse, auch sinnvoll ausgegeben werde.

Mehr 200 Jahre ohne Wirkungsnachweis

Homöopathische Mittel werden in der Regel hergestellt, indem ein (zumeist toxischer) Wirkstoff immer weiter verdünnt wird. Dabei soll Gleiches mit Gleichem bekämpft werden, also zum Beispiel eine durch Arsen hervorgerufene Vergiftung mit Arsen. Dieser Potenzierung genannte Prozess soll, nach Vorstellung der Homöopathie-Gläubigen, die Wirkungskraft der Stoffe verstärken. Das geht in den meisten Fällen soweit, dass physikalisch keinerlei Reste des verdünnten Stoffes mehr im fertigen Präparat nachweisbar sind. Auch belegen klinische Doppelblindstudien, dass homöopathische Produkte nicht über den Placebo-Effekt hinaus wirksam sind. Der Placebo-Effekt beschreibt dabei die Fähigkeit des Körpers auch bei nur vermeintlicher Gabe einer Arznei, einen Heilungsprozess in Gang zu setzen.

Befürworter der Homöopathie dagegen heben hervor, dass die wirkstofffreien Mittel natürlich auch keinerlei Nebenwirkungen hervorrufen. Das Prinzip dieses Verfahrens geht auf den deutschen Arzt Samuel Hahnemann zurück, der es erstmals 1796 beschrieb. Schon damals galt die Methode vielen Zeitgenossen als unseriös, da ihre Wirksamkeit nicht nachweisbar war. Dass sich dennoch eine vergleichsweise große Gruppe von Gläubigen Hahnemanns alternativmedizinischem Konzept anschloss, muss man vor dem Hintergrund der damals noch vergleichsweise jungen Entdeckung der Impftechnik sehen. Diese war für viele Zeitgenossen ähnlich undurchschaubar und unerklärlich, wie Hahnemanns esoterische Heilmethoden.

Diskussion auch in Deutschland

Auch in Deutschland ist die Erstattung von Globuli und homöopathischen Tropfenpräparaten durch die gesetzlichen Krankenkassen stark umstritten. Viele Krankenkassen in Deutschland erstatten homöopathische Mittel als Werbemaßnahme, um Kundinnen und Kunden, die an die Wirkung glauben, für sich zu gewinnen. Kritiker, wie zum Beispiel der SPD-Vizefraktionschef im Bundestag, Karl Lauterbach, verweisen darauf, dass die medizinische Wissenschaft der Homöopathie fast einhellig die Wirksamkeit abspricht. Auch in anderen Parteien, quer über alle politischen Lager, finden sich zahlreiche Kritiker, aber auch Befürworter, der esoterischen Methode.

Viele der Befürworter der Alternativmedizin argumentieren, auch wenn die Mittel wirkungslos seien, schadeten sie ja niemandem. Die Kritiker dagegen sagen, durch die Finanzierung und Gabe homöopathischer Präparate werde nicht nur unwissenschaftlichem Aberglaube Tür und Tor geöffnet, sondern vor allem mit dem Leben der Patientinnen und Patienten gespielt. In vielen Fällen entschieden sich gutgläubige Patienten schließlich auch bei schwerwiegenden Erkrankungen für den alternativen Weg der Homöopathie. Dadurch ginge häufig wertvolle Zeit verloren, die oftmals benötigt werde, um die Leben der Patienten zu retten. Nicht zuletzt stiegen so oft auch die Behandlungskosten unnötig weiter an, sodass die Gemeinschaft der Beitragszahler hier doppelt belastet werde.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Juliane von Hopfgarten

Meine Themenbereiche umfassen internationale Politik, Wirtschaft sowie Frauenrechte. Unten ein Link zu meinen Beiträgen auf EditionF.

Juliane von Hopfgarten

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