Mietdeckel in Spanien - Blaupause für Berlin?

Mietpreisbremse Mit Plakaten protestieren die spanischen Mieter in Barcelona gegen den Boom an Ferienwohnungen.

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Mit Transparenten vom Balkon wettern sie gegen die Verschlimmerung auf dem dortigen Wohnmarkt, nach dem Motto: „Wir wollen auch bezahlbar wohnen“. Bis in die 80er Jahre hatten sich die Mieten in Spanien nicht verändert, wurden gesetztlich eingefroren. Heute sind die Folgen deutlich zu spüren. Es fehlt Wohnraum für sozial Schwache und junge Leute. Dieses Schicksal könnte auch bald Berlin treffen.

Wer sich mit dem öffentlichen Wohnungsbau in Berlin beschäftigt, sollte an Lorenzo Karasz nicht vorbeikommen. Seit 2002 lebt der Österreicher in Barcelona und pflegt seit einigen Jahren immer wieder gute Kontakte zu deutschen Gästen aus Berlin als Kunden. Die Kontakte der deutschen Kunden werden genutzt, um sich über den bautechnischen Wandel und der Wohnungspolitik in der katalanischen Stadt zu informieren. Bei seinen Führungen zeigt Karasz und Team je nach Bedarf verschiedene Blickwinkel auf die Infrastruktur und Gebäude.

BBU nimmt Stellung

Der Vorstand des Verbandes Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen (BBU) deren Mitglieder alleine schon rund 40 Prozent aller Mietwohnungen in Berlin bewirtschaften war vor einer Weile sehr interessiert am Modell des sozialen Wohnungsbaus in der Metropole Barcelona. So ist es nicht verwunderlich, dass auch die Berliner Senatsbaudirektorin Regula Lüscher im März nicht zum ersten Mal wieder in Barcelona gesichtet wurde. Begleitet von anderen Mitgliedern der Senatsverwaltung für Wohnen und Stadtentwicklung ließ sich die Truppe vom Wandel der Stadt positiv inspirieren.

Der Kampf gegen die Wohnungsnot in Barcelona hat es sich zur Aufgabe gemacht, mit allen verfügbaren Mitteln Wohnungen zu schaffen, die auch bezahlbar sind. Eine Magnetwirkung noch aus der Zeit der Olympiade von 1992. Die Stadt befindet sich in einem aufstrebenden Prozesse, mit sehr viel Mut für Veränderungen, so der waschechte Wiener Architekt Karasz. Seine süffisanten Sätze geben ein Gefühl von Schlagsahne auf der Sachertorte, wenn er erst einmal richtig loslegt. Das Wohnthema rückte in Barcelona in den letzten Jahren an die Spitze der politischen dortigen Auseinandersetzungen. Vielleicht ist gerade deshalb in der momentanen Situation vieles in Barcelona passiert, sagte der 38 jährige Karasz.

Freiwillig in Deutschland einen Mietendeckel einführen – kühl kalkuliert oder eher großzügig?

Weil die Probleme in Barcelona für gesellschaftlichen Sprengstoff sorgen, kommt der Mut zur Veränderung nicht von ungefähr, die Stadt musste einfach handeln, weil gerade junge Menschen und die sozial Schwachen für sehr viel Probleme verantwortlich sind, mit Recht. Mieten steigen fast von Tag zu Tag in schwindelerregende Höhen, Wohnraum ist knapp und Eigentum kann sich kaum noch einer leisten. „BERLIN LÄSST GRÜßEN“. 2015 schaffte sogar eine Aktivistin als Bürgermeisterin den Sprung ins Rathaus, weil die Probleme so massiv sind. Vor ihrer Zeit als Politikerin kämpfte Ada Colau gegen Mietwucher und Zwangsräumungen.

Sie nahm ihre Agende mit in den Wahlkampf und legte sich schon während ihrer ersten Amtszeit mit Portalen an, welche für kurzfristige Aufenthalte Privatwohnungen vermittelte. Derartige Onlineportale erwarben Grundstücke, kauften Immobilien mit öffentlichen Geldern und zerfallene Häuser, um neue Gemeindezentren oder sozialen Wohnraum zu schaffen. Die Bürgermeisterin wurde vor wenigen Wochen knapp in ihrem Amt bestätigt. Es ist und bleibt auf jeden Fall eine Mammutaufgabe: Sozialwohnungen in städtischer Hand liegen laut aktueller Zahlen immer unter Zehntausend, was exakt ein bis zwei Prozent aller Haushalte entspricht. Ein Spruch sagt: „Der Wille heiligt die Mittel“, so ist auch hier der Wille vorhanden und neue Projekte befinden sich in der Bauphase.

Wie können daraus in Berlin Lehren gezogen werden?

Es könnte bedeuten, dass hier die Politik von einem Siegerland etwas in Berlin lernen könnte, da sich die Symptome der beiden Städte sehr ähneln. Die Hintergründe sind jedoch grundverschiedener Natur, sagt Karasz. Dort wo Berlin jetzt hingeht, kommt Spanien her: von einem Wohnungsmarkt mit starren Mieten.

Der Mietzins war in Spanien für über zwei Jahrzehnte gesetzlich vorgeschrieben. Eine Mietstabilität war schon nach dem Ende des Bürgerkriegs von 1939 gängige Praxis. Unter anderem auch, weil der damalige Diktator Francisco Franco es so befahl. Zu gut waren die Erinnerungen an den Mietstreik 1931 in Barcelona, wo die Spannungen in Gewalt endeten und 18 Menschen dabei starben. Erst 25 Jahre nach der Ära Francos wurden die gefrorenen Mieten in gesetzliche Mieten festgeschrieben.

Investoren in Berlin verschreckt?

Berlin ebnet jetzt einen Weg für eine Mietdeckelung, ein Blick auf den Berliner Immobilienspiegel und man weiß warum. Selbst mehr als 30 Jahre nach dem Beginn einer schrittweisen Öffnung sind die Auswirkungen dieser Politik noch zu spüren, glaubt zumindest die Rechtsanwältin Monica Regano, Partnerin einer Kanzlei in Madrid. Das Mietgesetz von 1964, sowie die verhängten Regelungen stärkten zu dieser Zeit hauptsächlich die Mieter und sorgten bei den Vermietern für Angst vor langwierigen finanziellen Verlusten und Räumungsklagen. So ließen sie ihr Eigentum lieber leer stehen.

Massive Kritik an Berliner Senat wegen Mietstopp über 5 Jahre

Die Rolle rückwärts folge dann im Frühjahr. Die sozialistische Regierung stoppte diese Preisexzesse und passte das Gesetz noch einmal an. So wurde die Mindestdauer von drei auf fünf Jahre angehoben, dabei darf die Höhe der Inflationsrate die Mietzinsanpassung nicht übersteigen. „Eine Deckelung der Mieten ist nicht die ideale Lösung“, sagte Regano. Erst kommt die Preissteigerung und anschließend wird Geld in andere Bereiche gesteckt, genau dort wo dann Spekulationsblasen entstehen. Aus meiner Erfahrung sage ich: Die besten Mittel sind, steuerliche Vorteile, sozialer Wohnungsbau und schnellere Genehmigungen.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Juliane von Hopfgarten

Meine Themenbereiche umfassen internationale Politik, Wirtschaft sowie Frauenrechte. Unten ein Link zu meinen Beiträgen auf EditionF.

Juliane von Hopfgarten

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