Germany’s Next Topmodel ist die Lieblingsserie für den feministischen Verriss. Zu Recht. Unerträgliches Leistungsdenken („Du musst uns zeigen, dass du es wirklich willst!“) wird gepaart mit lustfeindlichen Handlungsanweisungen („Warum isst du Pommes?“), die weit über Kritik am Körper hinausgehen („Du hast einfach nicht genug Personality“). Dazu kommt ein weiteres Merkmal der modernen Leistungsgesellschaft – der ständige Druck, sich selbst einschätzen zu müssen („Warum bist du besser als die anderen Mädels?“). Es ist ein paradoxer Spagat aus Auf- und Abwertung des weiblichen Schönheitsideals.
Trotz aller voyeuristischen Schaulust an dieser freiwilligen Selbstzerstörung hatte das Format zuletzt mit sinkenden Quoten zu kämpfen. Nach der siebten Staffel ist es schwierig, dem Zuschauer noch etwas wirklich Neues zu bieten. Daran können auch alle Larissas dieser Welt nichts ändern. Ob es eine Reaktion auf die Kritik oder auf niedrigere Einschaltquoten ist – Pro7 versucht sich an neuen Formatideen.
In der letzten Staffel wurde deshalb eine Blick-hinter-die-Kulissen-Strategie gefahren, mit der der Zuschauer näher ans Geschehen rücken sollte. Und nun startet in Österreich mit Austria’s Next Topmodel-Boys & Girls der Versuch, das Format auch geschlechtertechnisch zu erweitern. Eigentlich eine gute Nachricht, könnte man meinen. Schließlich stehen auch Männer unter dem Druck, für sie geltende Schönheitsideale zu erfüllen – warum das nicht auch zeigen? Und könnte es nicht auch eine Möglichkeit sein, die Grenzen einer stark mit Frauen verbundenen Berufssparte im Sinne der Geschlechtergerechtigkeit aufzulösen?
Das ist zu kurz gedacht. Denn erstens ist es Männern genauso wenig wie Frauen zu wünschen, dass der Schönheitsdruck durch öffentlichkeitswirksame TV-Sendungen noch weiter wächst. Es mag zwar fairer sein, hilft aber niemandem. Und zweitens ist das Konzept von Boys & Girls nicht auf der Höhe des zeitgenössischen Geschlechterdiskurses. Unter dem Motto „Der schönste Kampf der Geschlechter“ treten Männer hier gegen Frauen an. Wirklich gleichberechtigt wäre es aber, Männer und Frauen ohne Kategorisierung ihres Geschlechts teilnehmen zu lassen. Das böte die Möglichkeit, die heteronormative Geschlechterlogik aufzubrechen. Wenn Menschen wie Conchita Wurst teilnehmen könnten, wäre das Format zwar nicht weniger körperkapitalistisch – aber interessanter. Es wäre eine kleine Revolution.
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