Für die Volksgemeinschaft in den Landtag

AfD Bei den Wahlen in Sachsen-Anhalt kann die AfD mit völkischer Programmatik wohl einen großen Erfolg einfahren. Das zeigt das Ausmaß des Rechtsrucks in Deutschland.

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Am 13.März ist es soweit: Es gibt wieder Landtagswahlen, unter anderem in Sachsen-Anhalt. Die Chancen für ein Fortbestehen von Haseloffs schwarz-roter Koalition stehen nicht schlecht, auch wenn die SPD im Vergleich zur letzten Wahl laut Prognosen verlieren wird. Das ist auch sein erklärtes Ziel. Eine Koalition mit der erstarkenden AfD schließt er bisher aus.

Sowohl SPD als auch Grüne können sich eine Regierungsbeteiligung unter CDU-Führung vorstellen. Rot-rote bzw. rot-rot-grüne Bündnisse wären allen lieber, jedoch sträubt man sich vor einem linken Ministerpräsidenten (Wulf Gallert).

Da die Linke und die SPD in Umfragen klar verlieren, sieht es danach aus, dass eine CDU-AfD-Koalition rechnerisch zumindest möglich wäre. Mit 15%, die der AfD derzeit prognostiziert werden, wären sie nicht weit hinter Linken und SPD. Der Landtagseinzug der Grünen scheint nicht gesichert, die FDP dürfte erneut scheitern, auch die NPD ist wohl kein Kandidat für den Landtagseinzug. Die AfD kann voraussichtlich mit ihrer rechten, nationalistischen Ausrichtung in Sachsen-Anhalt genügend rechtsgerichtetes Wählerpotential bündeln. Das Parteienspektrum bei der Wahl weist zwar noch andere rechte Blüten auf: ALFA, die Rechte und eben die NPD. Aber gegen die AfD bleiben sie chancenlos. So ist es offensichtlich, dass die AfD durch die Parteienlandschaft hindurch ihre Wählerschaft sammeln kann: Von der Linken über die SPD bis zum rechtsextremen Bereich.

Die offenkundig rechte und völkische Rhetorik und Programmatik der AfD (und speziell der AfD Sachsen-Anhalts) ist dabei für die einen ein Grund, für die anderen kein Hindernis, die Partei wählen zu wollen.

Das Auftreten der AfD in Sachsen-Anhalt

Spitzenkandidat ist der Landeschef André Poggenburg. In den letzten Monaten ging es steil bergauf, nun ist Poggenburg in Bedrängnis, weil es bei dem Unternehmer zu finanziellen Ungereimtheiten kam und es wohl Haftbefehle gegen ihn gab, wegen unbezahlter Rechnungen. Ob das dem Wahlergebnis für die AfD schaden könnte, darf bezweifelt werden, zumal in diesen Anschuldigungen natürlich sofort Hetze gegen die AfD gewittert wird.

Seine Kernthemen sind Flüchtlingspolitik und Zuwanderungsbegrenzung, gerne auch wird über Kinderarmut in Sachsen-Anhalt gesprochen, ein Aufhänger für fremdenfeindliche und exkludierende Forderungen. Er gehört seit langem offenkundig zum rechten Flügel der AfD und ist Mitstreiter von Björn Höcke (der beim rechtsextremen Institut für Staatspolitik rassistische Vorträge gibt). Und er ließ sich kürzlich vom rechten Compact-Magazin interviewen, das er auf Facebook als seriöses Medium bezeichnet.

Im Compact-Interview erklärt er, was die Wahlen mit einer starken AfD nach sich ziehen könnten, wenn es nach ihm geht: „Die Tolerierung einer CDU-Minderheitsregierung wäre da eine Option.“ Und er betont das Erfolgsrezept der AfD: „Mut zur Wahrheit, Bürgernähe und Glaubwürdigkeit.“ Auch die Bürgerlichkeit der Partei muss viel betont werden, während Kritik am rechten Kurs und Äußerungen beispielsweise von Björn Höcke leicht abgewatscht werden mit Verweis auf die gefährlichen Parteien im Parlament.

Wer denn alles so gefährlich ist und gegen wen man sich positioniert, wurde in Wittenberg beim letzten Parteitag vor der Wahl nochmal klargestellt: Es wird von "grünen Spinner und Ideologen", "Willkommenskriminalität", der „Lückenpresse“ (in AfD-Kreisen sicherlich ein super lustig-medienkritischer Begriff, seit sie nicht mehr Lügenpresse sagen dürfen) und Flüchtlingen aus "rückständigen Kulturkreisen" geredet und stolz darauf verwiesen, schon vor einem Jahr Obergrenzen gefordert zu haben. Der Fokus ist also klar: "Multikulti und Masseneinwanderung stoppen".

Auf der Homepage gibt es Solidaritätserklärungen zum Kurs der CSU; die CDU in Sachsen-Anhalt wird von Poggenburg kritisiert, jetzt zum Stimmenfang nach rechts zu rücken, nachdem sie diese linke Politik der Bundesregierung unterstützt hätten (mittlerweile 3 massive Asylrechtsverschärfungen plus Verhärtung des Ausweisungsrechts sind zu liberal für die AfD). Auf Facebook wird das neue Asylpaket II dafür kritisiert, dass der Familiennachzug nur ausgesetzt - nicht abgeschafft - wird und keine Obergrenze Null eingeführt wird. Die Junge Alternative des Landes postet unterdessen Beiträge mit dem Hashtag "Grenzendicht" und feiert den Geburtstag der Proklamation des Kaiserreichs auf Facebook.

Auffällig sind auch die Vorwürfe von Sprachdiktatur, aufgrund der Empörung, die geäußert wurde, nachdem Begriffe wie Volksgemeinschaft offensiv positiv besetzt wurden, auch von Kandidaten der AfD-Sachsen-Anhalt. Relativierungen der deutschen Vergangenheit sind im wahrsten Sinne des Wortes Programm, wie ein Blick auf das Wahlprogramm zeigen wird.

Da das Programm eigentlich aussagekräftig genug ist, genügt der kurze Hinweis darauf, dass auch Leute mit guten Kontakten in rechtsextreme Kreise in der Landes-AfD von Bedeutung sind, wie der Sprecher der Patriotischen Plattform, Hans-Thomas Tillschneider auf Listenplatz 10.

Programmatik

Poggenburgs wichtigste Forderung dürfte wohl eine Obergrenze von Null, also ein Aufnahmestopp als asylpolitische Sofortmaßnahme sein, um eine Eskalation irgendeines Asylchaos‘ abzuwenden. Asyl, Flüchtlinge und Zuwanderung allgemein sind sowieso seine Lieblingsthemen. Aber kommen wir zum Wahlprogramm.

Schon in der Präambel werden hochtrabend die wichtigsten Themen angeschnitten, nachdem in den ersten Sätzen der regionale Patriotismus mehr als deutlich gemacht wird. Zum Thema Zuwanderung sticht dieser Satz gleich hervor: „Die zügellose Masseneinwanderung bedroht unseren bescheidenen Wohlstand und unseren inneren Frieden.“ Dem hat die AfD aber viel Heimatliebe (die Betonung der Nation überlassen sie der NPD) und deutsche Geschichte entgegenzustellen. Immer wieder wird betont, dass SIE sich um die Interessen des Landes kümmern wollen. Das Land solle nicht im Moloch namens EU untergehen. Ein Europa der Vaterländer ist dagegen die Forderung, die die AfD für eine solide Verbrüderung mit den hochkonjunkturellen rechten Parteien Europas qualifiziert. Die Ablehnung einer europäischen Union wird schon in der Präambel mehr als deutlich. Es geht dann noch gegen einen knapp geäußerten Brüssel-Zentralismus, politische Korrektheit, Denkverbote, manipulierte Geschlechterrollen und lebensfremde Gesellschaftsexperimente, sowie gegen die Blockparteien.

Rhetorisch beeidruckt die Präambel also schon durch rechtspopulistische bis -radikale Phrasen und Unsachlichkeit. Unhaltbare Vorurteile vom Geld für die Wohlstandsflüchtlinge, dass dem armen Steuerzahler weggenommen wird, dürfen da nicht fehlen. Sich direkte Demokratie herbeizusehnen unter Verweis darauf, Sachsen-Anhalt zur Schweiz der BRD machen zu wollen, mutet dann schon merkwürdig belustigend an. Und - im Vergleich zu vielem Anderen - wirkt die Forderung harmlos, wobei der Hintergrund nationalistische, exkludierende Strategien sind.

Beim Blick auf die deutsche Vergangenheit bewegt sich das Wahlprogramm dann vom Rechtspopulismus weiter zu geschichtsrevisionistischen Standpunkten. Hier lässt sich die Sachsen-Anhalt-AfD zu NS-Relativierung hinreissen:

Eine einseitige Konzentration auf zwölf Unglücksjahre unserer Geschichte verstellt den Blick auf Jahrhunderte, in denen eine einzigartige Substanz an Kultur und staatlicher Ordnung aufgebaut wurde.“

So gab es halt eine 12-jährige Unglückszeit, auf die man in Deutschland zu fixiert sei. Die glorreiche Geschichte des Landes solle doch mal mehr beachtet werden. Geht es um deutsche Geschichte, möchte die AfD deutschen Opferkult aufleben lassen.

Nach der Präambel ist es nur schwer möglich, noch weiterzulesen. Zu offen das Bekenntnis zur Verklärung gesellschaftlicher Realitäten. Aber manchmal kannst du einfach nicht aufhören.

Thema 1: Familienpolitik

Familienpolitisch ist die Betonung traditioneller, starrer Familienvorstellungen dominant. Familie sei auf die Weitergabe von Leben ausgerichtet. Das ist auch eine Art, sich gegen die Ehe homosexueller Paare auszusprechen. Weiterhin deutet vieles auf ein verzweifeltes Erzwingenwollen von mehr Geburten hin. Aber spannender wird es beim Thema Bildung, bei dem ein faschistischer Anstrich nicht zu übersehen ist.

Thema 2: Bildung

Schule wird zu Recht zunächst einmal als Sozialisationsinstanz begriffen. Das bedeutet bei der AfD: Erziehung zu Fleiß und Disziplin muss gefördert werden, und gegen die internationalistische Verwahrlosung angegangen werden; rhetorisch werden klare Abgrenzungen vorgenommen. Es werden klassisch preußische Tugenden herbeigesehnt und die Notwendigkeit starker Autorität als Grundlage von Bildung betont.

Nach aller Ablehnung der ganzen Manipulation und Verklärung, die den politischen und medialen Maistream in Deutschland laut AfD charakterisieren, ist ein wichtiger Punkt im Programm die Förderung eines positiven Bezugs zu Deutschland, wozu der Unterricht umgebaut werden müsse. Der Fokus liegt bei den netten Bezugspunkten, die es in der deutschen Geschichte angeblich gebe. Oft wird betont, dass irgendwas Deutsches bewahrt oder wieder eingeführt werden müsse. Dann fallen prägnante Begriffe wie Leitkultur und es geht um die kulturelle Förderung von Patriotismus und Nationalismus, also um die Erlangung und Durchsetzung kultureller Hegemonie - im Sinne Gramscis - für ein völkisches Projekt - nicht im Sinne Gramscis. Eine Eigenart neurechter Strömungen wie der AfD ist die Hervorhebung der eigenen Ideologiefeindschaft. Dabei werden im Wahlprogramm Ideen zur ideologischen Umkrempelung des Schulwesens manifestiert. So werden kulturpolitisch Verpflichtungen zum positiven Heimatbezug gefordert. Das erinnert an die rechtsnationale Praxis in beispielsweise Ungarn.

Inklusion wird als ideologisches Großexperiment natürlich abgelehnt und Genderstudies will man abschaffen.

Und dann kommt das große Lieblingsthema:

Thema 3: Zuwanderung, Asyl und Integration

Es wird von der Abwendung einer sozialen Katastrophe gesprochen und unbegrenztem Zustrom von Millionen Menschen. Integration sei unmöglich unter den gegebenen Umständen, jedoch wird folgend klargemacht, dass Integration keinesfalls ein Ziel der AfD ist. Es gibt obligatorische Zugeständnisse, nämlich strenge Regeln für qualifizierte Zuwanderung. Aber der Fokus wird aufs Volk gelegt. Dann wird vom Missbrauch des Asylrechts in aller Ausführlichkeit geredet, ohne dabei Fakten heranziehen zu müssen. Was bei Facebook und anderen Auftritten Poggenburgs explizit geschieht, wird im Programm noch umschrieben, nämlich die Obergrenzen-Forderung, sowie eine radikalere Auslagerung von Asylverfahren (Anträge sind außerhalb der EU zu stellen). Damit reihen sie sich ein in die gängige Praxis und Entwicklung europäischer Asylpolitik. Ein Taschengeld von 143€ für Asylsuchende erscheint ihnen ein zu hoher Anreiz zu sein, Bargeldleistungen dürfe es nicht geben. Es folgt ein wirres Zahlengedresche, das eigentlich eine gesonderte Richtigstellung vertragen würde. Die Ausgrenzung von Balkanflüchtlingen möchte man auch manifestieren.

Das Schengen-Abkommen soll ausgesetzt werden; das ist nun aber keine spezielle AfD-Forderung mehr, sowie die zuvor genannten Forderungen ebenfalls politische Praxis in Europa und Deutschland geworden sind. Da zeigt sich, wie mittlerweile konsequent rechtsextreme Forderungen umgesetzt werden - von den konservativen und sozialdemokratischen Parteien Europas, die sich im gleichen Atemzug über den Rechtsruck heuchlerisch empören. Nicht vergessen werden darf die eindimensionale Integration (die Migrierenden sollen sich gefälligst integrieren, während wir 24/7 unsere Kultur und Identität wahren). Interessant, dass beim Kapitel über Zuwanderung und Integration noch ein Abstecher zum Unterkapitel Identität gemacht wird. Aber die Wichtigkeit dieser Identität wird erklärt. Es werden strammstehende Soldaten gesucht. Oder:

Eine gefestigte Landesidentität garantiert Leistungs- und Opferbereitschaft, Gesetzestreue und Solidarität.“

Neben der ständigen Erwähnung einer Genderideologie ist noch ganz witzig die Erklärung zum Kampf gegen Anglizismen. Aber die Belustigung ist wohl eher ein Abwehrmechanismus, um dieses Programm zu ertragen, das - auch wenn ungelesen - immer mehr Zuspruch in der Bevölkerung findet.

Der Rest des Programms

In den folgenden Kapiteln geht es dann um so Dinge wie die Bejahung von Braunkohle und Atomkraft (auch wenn Sachsen-Anhalt keine Atomkraftwerke hat), gute wirtschaftliche Beziehungen zu Russland (von Anti-Russland-Wirtschaftssanktionen ist die Rede) und in jedem Bereich klare Nationalisierung.

Die Förderung der Volksgemeinschaft allgemein ist immer wieder wichtig (hier fällt das Wort nicht, aber Poggenburg erläuterte kürzlich auf Facebook und in einem Weihnachtsbrief die Richtigkeit des Begriffs). Die GEZ-Abschaffung sei durch einseitige Aufkündigung des Rundfunkstaatsvertrags von Sachsen-Anhalt zu erzwingen. Und weil Massenzuwanderung als Sicherheitsrisiko zu verstehen sei, kommt noch eine gruselige Idee auf: Die Förderung von Bürgerwehren (die sich bestehend aus Rechtsradikalen in Sachsen-Anhalt einigerorts bilden oder gebildet haben).

Nach ein wenig Gerede über direktdemokratische Elemente ist endlich Schluss.

Was kommt nach der Wahl?

Da Poggenburg nur von der Duldung einer CDU-Minderheitsregierung spricht und Haseloff eine Koalition mit der AfD ausschließt, ist diesmal sicherlich noch keine AfD-Regierungsbeteiligung zu erwarten. Aber es rückt in den Rahmen des Möglichen. Und stark und einflussreich wird die Partei auf jeden Fall sein. Noch mehr als sie es eh schon sind.

Die AfD an der Macht ist nicht das ferne Grauen, ihre Forderungen werden jetzt schon umgesetzt. Den Diskurs verschiebt die AfD beständig nach rechts; sie militarisieren und enthumanisieren ihn, wo es nur geht. Und es reicht, einfach mal kurz vom möglichen Schusswaffeneinsatz an den Grenzen zu reden, schon entstehen Diskussionen, schwupps ist das Thema aufgebracht und es hat seinen Zweck erfüllt. Um eine rechtliche Grundlage dafür geht es nicht, es geht nur darum, das Thema anzusprechen und einzuspeisen. Am 13.März wird die AfD nicht nur in Sachsen-Anhalt in den Landtag einziehen und ihre Einflussmöglichkeiten werden damit steigen. Der Diskurs in diesem Land ist massiv nach rechts gerückt. Und die Taktik von SPD und CDU, auf diesem Pfad mitzuziehen, ist kein Hoffnungsschimmer, sondern ebenso gefährlich.

Der AfD wird recht gegeben und ihr immer offener werdender Rechtsradikalismus wird gesellschaftsfähig.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Julius Wolf

Über Politik, Gesellschaft, Emanzipation und Antiemanzipatorisches.

Julius Wolf

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