Gedanken zum Ende der Welt

Apokalypse Die Apokalypse ist ein beliebtes Filmthema und wird meist heldenhaft abgewehrt. Wir können das Ende der Welt aber auch als positiven Kampf für ein besseres Morgen deuten.

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Die Apokalypse – das Ende der Welt. Fernab von apokalyptischen Reitern ist sie ein beliebtes Motiv der Unterhaltungsindustrie, ein immer wiederkehrender Gegenstand für Hollywoods FilmemacherInnen. Sie ist die Ausformulierung der totalen Katastrophe, denn sie belässt es nicht bei einem kleinen Ausreißen aus dem Happy End-Alltag, nein, sie droht das endgültige Ende zu sein. Die Apokalypse, sie ist also im filmischen Alltag ein oder besser gesagt: DAS Szenario des Untergangs. Der Untergang, der meist noch abgewehrt werden kann, durch das Agieren heldenhafter Akteure.

Kampf um die Ordnung

In Filmen von The Day After Tomorrow und Krieg der Welten über I am Legend und 12 Monkeys – wo Präventivmaßnahmen per Reise in die Vergangenheit zur Verhinderung der Katastrophe uns alle retten - bis zu Trashklassikern wie Waterworld. Es gilt: Etwas will unsere Ordnung zerstören. Etwas, das ist das Böse, das gerne personifiziert wird. Bei Batman und ähnlichen Superhelden-Filmen kommt das Böse einem Menschenwesen noch sehr nah, häufig wird jedoch auch zu Monstern und Maschinen gegriffen, oder – um Nähe zu wahlweise dem Klimawandel oder göttlicher Rache zu verschaffen – Naturkatastrophen. Das Böse, es will Chaos, es schafft Chaos, es tötet, es vernichtet. Nein, es greift Recht und Ordnung an. Es greift den Status Quo an. Es bringt unser Leben durcheinander. Denn so viel sollte doch klar sein: Die Guten, Unschuldigen, das sind doch auch wir, oder?

Als Gegenmacht zum verbildlichten Bösen werden HeldInnen aufgebaut, die das Böse bekämpfen. Im Endeffekt wird das Böse meistens auch besiegt. Der Gegner des Bösen ist selbsterklärend das Gute, das reaktiv uns alle verteidigt. Es ist Recht und Ordnung, es ist die monopolisierte Gewalt, es ist der Status Quo… mit anderen Mitteln. Das Heldenhafte steht über den Normen und Regeln, die vom Bösen angegriffen werden, es setzt sich selbst darüber hinweg. Weil die geordneten Stellen versagen, überfordert sind. Wir erkennen den Ausnahmezustand, das Unvorstellbare. Und wir erkennen, dass ungewöhnliche Situationen außerordentliche Reaktionen erfordern. Das Gute – es tötet nicht, es verteidigt. Mit denselben Mitteln wie das Böse. Aber es ist die unumstößliche moralische Überlegenheit.

Wenn Staaten auf dieser Welt, die sich nicht permanent in Filmen abspielt, in Kriege ziehen, vollziehen sich diese Abläufe nicht minder, ich frage mich manchmal nur, wer sich von wem inspirieren lässt. Und stets werden Kriege nur aus Verteidigungszwecken geführt, weil der Feind angreift. Stets ist das eigene Aufgebot an Brutalität als Gegengewalt zu begreifen. Das Böse kommt von außen. Diese meist über mediale Ströme geleiteten Legitimationsmechanismen funktionierten quasi schon immer. Und 100 Jahre später diskutieren immer noch Leute über Kriegsschuld.

Zombies – das überzogene Böse

Zurück zum bewegten Bild. Naturgewalten, Maschinen, Monster. Oder die Komparation des Bösen: Zombies. Zombie-Apokalypse ist wohl die ultimative Darstellung des Endes der Welt. Mit den Zombies ist die Abscheu und damit die Abkehr vom als Böse konstruierten sehr leicht. Da sehen Recht und Ordnung gleich viel schöner aus. In den Zombies sehen wir noch die hässliche Fratze des Bösen. Es wird völlig von uns entfremdet, es ist hässlich, gruselig, gleichgeschaltet, eventuell dumm. Es ist das Gegenteil von uns, so erfahren wir doch täglich zur Beruhigung wie aufgeklärt, individuell und schön wir sind. Und außerdem will das Böse uns alle töten. Es will das zerstören, wofür wir angeblich stehen. Es ist in Ausnahmesituationen entstanden und muss bekämpft werden. Zugegeben, bei Zombiefilmen handelt es sich meist um ausgewiesenen Trash, gern mit humoristischem Anteil; an den Implikationen ändert dieser Umstand aber nichts. Dafür ist es egal, ob wir nun Dawn oft he Dead schauen oder das Meisterwerk Zombieland oder über Brad Pitt in World War Z den Kopf schütteln. Zombiefilme sind die perfekte Darstellung des apokalyptischen Objekts, denn es ist abstoßend. Schon deshalb muss sich doch eine Allianz zur Bekämpfung formieren. Das kann dann ruhig absurde Züge annehmen, wie bei Scouts vs. Zombies, wo pubertierende Pfadfinder zu Helden werden.

Das Gute gegen die Untoten

Aber was ist diese Apokalypse denn normalerweise? Das Ende dieser Welt, der bestehenden Ordnung. Gut und Böse werden konstruiert, um den Status Quo als Bastion des Beständigen zu manifestieren. Wir werden angegriffen, Zombies entstehen meinetwegen durch einen Virus und infizieren uns alle, in dem sie uns beißen und töten. Das Aufständische lebt also gar nicht mehr. Der Drang nach radikaler Veränderung wird als leblos dargestellt. Gut und Böse, nicht anders als abseits des Filmgeschäfts. Wir erleben das gleiche täglich beim Konsum medialer Inhalte und politischer Rhetorik. Gut und Böse sind wichtiges Element jedes ideologischen Fundaments einer Gesellschaft, in der so etwas wie eine Identität oder sogar Homogenität begründet werden muss.

Es geht immer um den Zustand der unsagbaren Katastrophe. Vor kurzem gab es diese furchtbaren Attentate in Paris. Über die Grausamkeit des IS müssen wir hier nicht sprechen, Terror und Gewalt werden hier nicht verharmlost. Wichtig ist hier: Das Böse zeigte sich und war leicht zu bestimmen. Aber was gleichzeitig geschah, war eine für mich befremdliche Zeichnung des Guten, von uns. Die Freiheit, der Spaß, das Leben. Es wurde angegriffen. So etwas war überall zu lesen und zu hören. Es klang nach Zombie-Apokalypse. Die Untoten griffen das Leben an. Sofort sind wir im Ausnahmezustand und es wird gekämpft, getötet, Unschuldige aus der Luft abgeschossen, denn der moralische Vorteil liegt bei uns, wir sind die Guten. Wir verteidigen uns, egal wo. Das Böse ist nur das, was uns unmittelbar angreift, nicht der abstrakte Völkermörder in Syrien.

Mit dem IS ist eine Verbildlichung der apokalyptischen Reiter vor unsere Augen getreten. Es lässt sich leicht zeichnen, dass so das ultimative Böse abseits von Film und Fernsehen aussehen könnte. Erfreulicherweise sind Nebendiskurse, in denen Skepsis vor vagen Kriegseinsätzen gegen den IS stark ist. Aber ähnliche Wirklichkeitskonstruktionen sind auch in ganz anderen Situationen zu erleben. Immer, wenn ein offensives Zeichen gegen den Status Quo gesetzt wird. Immer, wenn Recht und Ordnung in Frage gestellt werden. Wenn aus Protest Widerstand wird. Das reicht von der Dämonisierung kommunistischer Gedanken, hierzulande besonders seit der RAF, bis zum Aufkommen und Siegen der Syriza in Griechenland, die für die Herrschenden Europas und deren Medien Endzeitstimmung hervorbrachten, bis zu erkennen war, dass sie denselben Stillstand bedeuten, den es für Schäuble und co zu erhalten gilt.

Generell ist die in modernen neoliberal organisierten Gesellschaften vorherrschende Angst und Abscheu vor abweichenden Auffassungen bezüglich der Organisation menschlichen Zusammenlebens (um es zu labeln: kommunistische, anarchistische, humanistische ... Ideen) exemplarisch für die grundlegende Gut-Böse-Differenzierung. Aber die Abneigung gegen Veränderung ist natürlich generell staatstragend, das liegt im Wesen eines Staates an sich, dessen oberstes Ziel sehr existentiell ist, nämlich der Selbsterhalt.

Das Ende der Welt als emanzipatorisches Moment

Verstehen wir das Ende der Welt doch als das, was es ist: Den Beginn einer neuen Welt. Das revolutionäre Subjekt, oder weniger reißerisch: die Negation des Bestehenden, das sind die Zombies in den Augen der Herrschenden. Apokalyptische Filme sind Teil eines hegemonialen Diskurses. In diesem Diskurs sieht das Andere, Abweichende, Fremde böse und ekelhaft aus. Es erscheint gnadenlos böse. Gleiches Verhalten auf Seiten des Guten erscheint harmlos. Wenn – wie so häufig in Endzeitfilmen – die USA sich und damit die ganze Welt verteidigen müssen, ist stets die Suggerierung eines Angriffs auf Law and Order zu erkennen. Es wird lediglich das Destruktive hervorgehoben.

Eine Darstellung der Gegenseite würde wohl andere Aspekte betonen: Die produktiven Momente der Zerstörung. Die hässlichen Masken des Bösen würden abfallen. Die Zeichnung des Endes der Welt wird meist totalisiert, so dass es als Ende allen Lebens verstanden werden soll. Dabei wäre eine positive Konfrontation mit dem Ende der Welt sinnvoll. Das Ende der Welt nicht als Ende der Geschichte, sondern das Ende dieser Welt als Ende dieser Geschichte, damit gleichzeitig als Geburtsstunde einer neuen Welt. Der Kampf gegen das Bestehende darf folglich progressiv als Kampf für ein besseres Morgen verstanden werden. Diese Darstellung bedeutet die Fortschreibung des Lebens in einer anderen Welt, die Emanzipation von gegebenen Zwängen und Dogmen. Die Vision von freiheitlichen Errungenschaften, von Frieden, von einem neuen Alltäglichen.

Natürlich ist all das im hegemonialen Denken gefährlich, denn es ist ein Angriff. Ein Angriff auf das verschleißende Bestehende. Auf die Abstumpfung und Abnutzung des Menschen. Auf die Eindimensionalität der Gesellschaft im Bestehenden. Hier ließe sich noch ausführlich über Begriffe reden, wie Kapitalismus, Ausbeutung, Lohnversklavung, Alltagstrott, Ungleichheit, Entsolidarisierung, Fremdenhass, Ausgrenzungsmechanismen, EU, Machtblöcke, usw. Aber das Gespräch kann es auch wann anders geben.

Die Apokalypse ist ein Szenario von Gewalt und Gegengewalt. Die Konstruktion des katastrophalen Ausnahmezustands. Aber Ausnahmezustand ist all das nur im Film. Abseits dessen ist es Normalität… der katastrophale Normalzustand.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Julius Wolf

Über Politik, Gesellschaft, Emanzipation und Antiemanzipatorisches.

Julius Wolf

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