Am 6. Juni finden die Landtagswahlen in Sachsen-Anhalt statt und laut dem jüngsten Meinungstrend des Markt- und Sozialforschungsinstituts INSA vom 26. Mai könnte die AfD stärkste Kraft werden (26 Prozent), noch vor der CDU (25 Prozent). Die aktuelle Koalition der CDU mit SPD und Bündnis 90/Die Grünen würde so ihre Mehrheit verlieren. Laut Infratest dimap würde die AfD mit 24 Prozent hinter der CDU landen. Entgegen des Bundestrends kann die AfD also nach dem 24,3 Prozent-Erfolg bei der Landtagswahl 2016 erstmals die stärkste Fraktion in einem Landtag werden – mit einem der rechtsradikalsten Landesverbände und in Konkurrenz zu einem der rechtesten CDU-Landesverbände.
Über Jahre hinweg bereitete die CDU den Boden und forcierte die entsprechende politische Stimmung, von der nun die AfD profitiert. Und die obligatorischen Abgrenzungen werden zwar formal formuliert, jedoch auch aus der Landtagsfraktion immer wieder hinterfragt und kritisiert. Die Bereitschaft, mit der AfD zu koalieren, ist wohl nirgendwo so groß wie in Sachsen-Anhalt – zuletzt bewiesen beim Rundfunkbeitrags-Eklat.
Insofern ist die Gefahr, die von der Stärke der AfD ausgeht, gar nicht zu überschätzen. Bei ihren Wahlkampfkundgebungen und im Wahlprogramm werden Hass verbreitet und Hetze betrieben. Gleichzeitig und in unmissverständlichem Zusammenhang erlebt das Bundesland unmittelbar vor der Wahl eine Welle rechtsradikaler Gewalttaten, die viel zu wenig Aufmerksamkeit erzeugt (für eine Chronik abseits dieses Beitrags siehe hier).
Am 17. Mai wurde ein Brandanschlag auf das Auto eines Linken-Parteimitglieds, das sich gegen Nazis engagiert und Vorsitzender des Vereins „Integration Naumburg e. V.“ ist, verübt. Der Staatsschutz ermittelt. In derselben Nacht gab es in Seehausen einen Brandanschlag auf ein altes Bahnhofsgebäude, welches das Quartier der „Moni bleibt“-Waldbesetzer:innen ist. Die Umweltaktivist:innen besetzen als Protest gegen die Nordverlängerung der A14 den Losser Forst. Bereits zuvor habe es immer wieder Drohungen aus dem Umfeld der Jungen Alternative (der AfD-Jugendorganisation) und aus der Neonaziszene gegeben. Nachdem am 21. Mai die AfD bei einer Kundgebung in Seehausen die Räumung des Camps der Waldbesetzer:innen forderte und für die Drohkulisse rechtsextreme Akteure mobilisierte, fand in der folgenden Nacht ein weiterer Anschlag statt: Neonazis warfen einen Sprengsatz und randalierten im Innenraum.
Klar und deutlich
Ebenfalls am 22. Mai gab es einen Brandanschlag auf das autonome Wohn- und Hausprojekt Libertäres Zentrum (L!Z) in Magdeburg, bei dem ein Umsonstregal vor dem Haus in Brand gesetzt wurde. Am selben Tag – im selben Stadtteil wie das L!Z – wurden die Scheiben des Wahlkreisbüros des grünen Landtagsabgeordneten Olaf Meister eingeworfen. In der Nacht zum 24. Mai wurde in Magdeburg noch ein Auto in Brand gesetzt und auf die Beifahrertür ein Hakenkreuz gesprüht. Ebenfalls kam es in der Nacht in Salzwedel zu einer großen Sprühaktion von Neonazis: U. a. auf Wahlplakaten wurden Nazi-Parolen, Hakenkreuze und SS-Runen gesprüht. Ein FDP-Plakat wurde markant mit dem rotfarbigen Schriftzug „06.06. – AFD“ (dem Datum der Landtagswahl) versehen – im Vorfeld einer AfD-Kundgebung vom 27. Mai.
Die Drohungen und Anschläge sind klar und deutlich und das Umfragehoch der AfD in diesem Kontext kein Zufall und umso alarmierender. Am Samstag, den 29. Mai gibt es daher in Halle (Saale) eine Abschlussaktion des zivilgesellschaftlichen Bündnisses #unteilbar Sachsen-Anhalt, kurz vor der Landtagswahl. Das Bündnis steht „ein für eine Gesellschaft, in der Menschenrechte unteilbar und vielfältige und selbstbestimmte Lebensentwürfe selbstverständlich sind“. Deshalb organisierte die Gruppe vor den Wahlen eine Kampagne, um der Mobilisierung der Rechtsradikalen – mit der AfD als parlamentarischem Arm – etwas entgegenzusetzen.Es bleibt zu hoffen, dass der Protest und die Öffentlichkeit des Bündnisses noch einige Menschen erreichen kann, um die Menschenfeinde und ihre Sympathisanten am Wahltag zu schwächen.
Kommentare 9
Irgendwie ist der Wurm drin ... und alle [Anti-AfD] Akteure müßten sich hinterfragen. Die Linke in Brandenburg, Sachsen und Sachsen-Anhalt bei 10%. Die Nach-Ramelow-Ära in Thüringen wird ähnlich abgebrannt für die Linke ausfallen. Dagegen bleibt die AfD weitestgehen stabil ... Eine Argumentation, die (nur) aus Platzhaltern (Schwurbler, Nazis, Covidioten, Aluhüten, Reichsbürgern ...) besteht, taugt schon lange nicht mehr. Der Normalo aus Bunzelhausen dreht sich weg ...
"Widerstand an der Wahlurne" (Wahlplakat, Abbildung).
Wie wär's mit "Ich bin doch nicht blöd"?
:))
Lokale Einschüchterungen und optimaler Einsatz der mittlerweile vorhandenen ökonomischen Mittel für regionale Kampagnen, sind, neben Netzwerkbildungen in Behörden und unter lokalen Respektspersonen (Honoratioren und örtlich wirtschaftliche Erfolgreiche), klassische Methoden rechtskkonservativer und rechter Parteien und ihres informellen, eher nicht offiziell in Erscheinung tretenden Umfeldes.
Sie engagieren sich in der Öffentlichkeit dagegen, Herr Wolf. Das ist notwendig und löblich, steht doch eine unteilbare, inklusive und akzeptierende Gesellschaft für das demokratische Ideal.
Der politische Gegner argumentiert jedoch mit einem verführerischen Gegenbild, von einer ebenso einheitlichen, jedoch um die vermeintlich störenden Elemente befreiten, Gesellschaft.
Bei Teilen der Ost- CDU und der Ost- FDP gilt seit langer Zeit, dass man eine wesentlich konservativere, nationale und gegen alle, von der dortigen regionalen Alltagsnorm, abweichende Menschen ablehnende Gesellschaft anstrebt, unter Beibehaltung und Ausbau des liberalen Wirtschaftssystems und der Bevorzugung von Leistungsträgern, die möglichst einen regionalen Bezug und eine sogenannte "nationale Gesinnung", sowie klassische Familienorientierung erkennen lassen.
Die AfD treibt mittlerweile fast alle politischen Kräfte vor sich her, indem sie dieses Weltbild radikalisiert und seine tatsächliche Umsetzung verspricht. Ihr Gedankengut führt eben nicht nur an und hinter die Grenze zur Verfassungsfeindlichkeit, sondern erweist sich als ausgesprochen populär, im situierten Mittelstand, vom Handwerker bis zum Beamten und Soldaten.
Die Linke, auch ihre zentristischer Teil, sofern sie überhaupt noch Themen setzen kann, krankt an der, unter PolitikerInnen, aber auch unter Journalisten/Medialisten, weitverbreiteten Ansicht, der schleichende Rechtsruck sei ein Ausdruck für die alltäglich erlebte Missachtung Armer, der sogenannten sozial Benachteiligten und jener im West- Ost Angleichungsprozess nicht mitgenommenen Menschen.
Diese Selbsttäuschung führt, nicht zum ersten Mal, zur öffentlich- gesellschaftlichen Hilflosigkeit gegenüber der Rechten und zu stetigem Verlust an politischem Einfluss. Wenig tröstlich, dass dies nicht nur ein Befund für die deutsche Linke ist.
Gestandenen Bürgern- weniger auch gestandenen Bürgerinnen, sie sind nicht so anfällig- die nun zu einem Viertel oder gar Drittel Rechte wählen, sowie konservative und rechte Ansichten schlicht teilen, kann man keine Motive unterstellen, die sich auf ganz andere soziale und gesellschaftliche Gruppen beziehen! - Schließlich möchten diese sich von fremd empfundenen, wenig leistungsfähig erachteten und nicht im gleichen sozialen Kontext lebenden Menschen abgrenzen.
Von rechten PolitikerInnen erwarten sie, dass diese moralisch eher anrüchige Problemlösungen zur Wunscherfüllung für sie umsetzen. Daher wählen sie AfD und keinesfalls SPD, Linke, Grüne.
Beste Grüße
Christoph Leusch
Warum zersplittern sich die fortschrittlichen Kräfte (Lifestyle-Linke) mit "antifaschistischem Sprachgebrauch" und Kontaktschuldvorwürfen an den Problemen der Menschen vorbei, anstelle des Volkes Sorgen von "deren Maul abzulesen"? Warum hat man die Kritik an den verordneten "Hygienemaßnahmen" ausgerechnet der AfD überlassen, von der Sachlichkeit am allerwenigsten zu erwarten ist? Warum kennen auch die Linken keine gesunden Bürger mehr, sondern nur noch potenziell todkranke Gefährder?
In dieser Situation geriert sich die AfD als Trojanisches Pferd für Enttäuschte und Abgehängte, die offene Türen verhängnisvoller Regierungspolitik einreißen will.
Schicksal?
Linke und SPD geben Geringverdienern keinen inhaltlichen Halt mehr oder sind nicht mehr glaubwürdig. Bei den Linken dominieren, unterstützt durch die Konzernmedien, die Regierungsbeteiliger und die SPD suhlt sich in ihrer Selbstgerechtigkeit mit höchstbelastetem Spitzenpersonal. Beide möchten dann noch von der identitären Lyfestylekampagne der Grünen profitieren - klassische Sozial- und Infrastrukturpolitik fällt da hinten runter.
Herr Christ, kann das wirklich stimmen, was Sie schreiben?
Ist es nicht vielmehr so, dass in den neuen Bundesländern ganz klassische Sozial- und Infrastrukturpolitik betrieben wurde und wird?
Selbst da, wo sich nach dem Ende der DDR eine starke Abwanderung zeigte und sich nun eine, nur noch knappe, Minderheit gegen Zuwanderung wehrt, wurden vom Ortskern bis zur Kläranlage, von überdimensionierten Straßenausbau für Industrie, Handel und Handwerk, aber noch viel mehr, für den rasch einsetzenden und höchstsubventionierten Eigenheimneubau an Ortsrändern und im Umfeld der städtischen Wachstumskerne, bis zur Ansiedlung von Ersatzbetrieben mit Zukunft und der überlangen Subventionierung der nicht abwickelbaren Altindustrien, alles getan, damit sich die dort lebenden und nun oft rechtswählenden Bürger nicht ändern und verändern müssen. Wer da ein wenig herumreist, wundert sich, angesichts der oft vorbildlichen Sanierungen, selbst in entlegenen Ecken und zugleich über den nationalen und regional eigentümlichen Jargon der Klagen.
Diese klassische Politik entsprach exakt dem Vorgehen beim Strukturwandel in der alten Bundesrepublik, z.B. in den dortigen Konversionsgebieten (militärisch zu zivil), in strukturschwachen Grenzgebieten oder im Ruhrgebiet, bei der Beendigung der Dominanz von Stahl und Kohle. Sogar die veranschlagten Zeiträume sind exakt gleich. - Nur der herzenskonservative Helmut Kohl meinte, vom Mantel der Geschichte eingehüllt, vom Erfolg an der Wahlurne berauscht, die blühenden Landschaften kämen praktisch über Nacht und kosteten praktisch nichts.
Leider ist diesbezüglich das Gedächtnis des typischen Wut- und Grummelbürgers, typisch eines Mannes, nicht sehr ausgeprägt, wenn er lieber, mit Zorneslust, seine Vorurteile pflegt, die ihm erlauben, die Schuld bei der Politik, bei den Medien, bei den Wissenschaften und vor allem im "System" zu suchen. Interessanterweise, wird auf der Rechten und bei Rechtswählenden, die Schuld nicht dem Wirtschaftssystem unterstellt! Man will nur die angeblich schuldige Konkurrenz der Fremden loswerden.
Nun, Vorurteile sollte ich es nicht nennen, denn es sind tatsächlich fast unabänderliche und verfestigte Urteile, die auch zum Wahlverhalten führen, die ein größerer Teil der Bürger im Osten teilt, die weniger mit realen Bedrohungen und sozialen Unsicherheiten und viel mehr mit ihren Vorstellungen von einer für sie akzeptablen Alltagskultur zu tun hat, in der z.B. individuelle Abweichung und eben zu viel Fremdheit keinen Platz haben.
Es geht nicht ums Geld oder noch mehr Strukturhilfe, sondern um Befindlichkeiten, geteilte Meinungen und "Kulturvorstellungen". Damit gewinnen Rechte und Konservative, seit es sie gibt, die Wahlen.
Schönen Sonntag
Christoph Leusch
Das mit den rechtsWählern ist ja kein Ostproblem sondern ein republikweites, gar EUropaweit.
"Interessanterweise, wird auf der Rechten und bei Rechtswählenden, die Schuld nicht dem Wirtschaftssystem unterstellt" das zeigt einerseits die Macht der Konzernmedien und andererseits die Unfähigkeit linker Parteien die sozialen und emotionalen Bedürfnisse der Menschen wahrzunehmen- Stattdessen werden Identitäre Parolen krakehlt.
Es mag ja HippundHopp sein keine Heimat zu haben und mal hier mal da auf dem Erdenrund "zu Hause" zu sein um als richtiger Lyfestyler zu gelten. Die Bedürfnisse der meisten Menschen richten sich aber an einem sicheren Arbeitsplatz und an einem stabilen Wohnumfeld aus. Und das sollten die Lyfestyler nicht als reaktionären Lenbensentwurf verteufeln. Die Rechten, als Vertreter neoliberaler Kapitalverwertung, können keine sicheren Arbeits- und Wohnverhältnisse bieten, das müssen wir rüberbringen satt Hipstemäßig "modern" zu sein.
Nun habe ich in meinem Leben schon einige besonders linke kennen gelernt. Die Spontis und Maoisten der 1970er und 80er Jahre - Fücks, Fischer - Kretschmann ...... ein Grund für meine Skepsis gegenüber denen die "in", Woke", Hipp" etc. sind.
Gerne gelesen. Ja ich denke, daß ich da wo ich lebe die Afd haben werde, da kann ich machen-sagen und tun, wie ich will.Mein Optimismus hält sich in Grenzen.
Wer zu oft, rechts blinkt, wie die CDU / "Werteunion" – sollte nach Sachsen – Anhalt blicken! Keine Deals mit der AfD, es lohnt sich … auch für die CDU und dessen MP!