Vergewaltigungswitze sind nicht lustig. Die BILD sieht das anders. Am Dienstag druckte das Blatt in der Rubrik „Lachen mit Bild“ einen Witz über eine eheliche Vergewaltigung ab. Schnell reagierten Nutzer auf Twitter: "Vergewaltigung? Oh wie lustig! (Versteht ihr langsam, was #rapeculture ist?) RT @Dueseberg: Das ist widerlich @bild", war dort zu lesen.
Twitter wird oft als Journalisten-Netzwerk belächelt, die Klickzahlen, die es für Nachrichtenseiten generiert, liegen im Promillebereich. Trotzdem hat sich dort ein hochwirksames System der Gegenöffentlichkeit etabliert, welches die Handschrift der größten Sexismus-Debatte der vergangenen Jahre trägt. #aufschrei hat den Nutzern des sozialen Netzwerks ihre Macht vor Augen geführt und sie haben gelernt, es einzusetzen. Ein Hashtag kann es in die Tagesschau schaffen. Besonders, wenn prominente Nutzer mit großem Followerkreis mittwittern.
Auch diesmal funktionierte es: Schon kurz nach den ersten Stimmen in dem sozialen Netzwerk reagierte Spiegel Online und zwang BILD zu einer Stellungnahme. Auch in der Redaktion habe es Debatten über den Witz gegeben, musste ein Sprecher einräumen.
Tritt gegen das Schienbein
Die Publizistin und Frauenaktivistin Anke Domscheit-Berg sagte einmal, mit Twitter verhalte es sich wie mit einem Schulhof. Wenn gemobbt werde, müssen diejenigen die drumherumstehen und zugucken, lernen sich einzumischen. #aufschrei war ein kollektiver Interventionsworkshop gegen Sexismus. Hanna Sammüller-Gradl hat als @LilithMuc einen Screenshot des BILD-Witzes auf Twitter veröffentlicht – und damit dem Stärksten auf dem Schulhof einen kleinen Tritt gegen das Schienbein verpasst. Genug, um den Klassensprecher auf den Plan zu rufen und den großen Stänkerer unter Druck zu setzen.
Journalisten haben gelernt, Twitter als Phänomen ernst zu nehmen und nutzen es gerne als Quelle für die Meinung "der Netzgemeinde". Dass damit auch wenige Stimmen schnell zu einem Millionenpublikum finden können, kann man als verzerrend empfinden. Aber es ist eine Chance. Sexistische Witze aus den etablierten Medien gehen nicht mehr ohne Rechtfertigung durch. Wie ernst auch Regierungen die Macht der sozialen Netzwerke inzwischen nehmen, kann man zur Zeit in der Türkei beobachten. Um Regierungskritiker zu stoppen, ließ Tayep Erdoğan den Nachrichtendienst abschalten. Der Druck auf ihn wird dadurch nur noch zunehmen.
Kommentare 16
Jetzt hab' ich bei Spiegel Online besagten Witz gelesen. Und, wenn ich ehrlich sein darf, verstehe ich ihn nicht als Witz über Vergewaltigung, sondern über einen Mann, der meint, er könnte um die „Ehre“ einer Frau kämpfen. Mhm. Was ist denn da los? Ich kaue und kaue auf diesem Kalauer rum und komme zu keinem anderen Ergebnis: ein Witz über einen Mann, der sich selbst über- und eine Frau unterschätzt.
Ansonsten sehe ich die Macht der Netzwelt nicht ganz so rosig, aber ich hoffe inständig.
Ehre = Sinnbild für Jungfräulichkeit. So ist das vermutlich gemeint.
In der Tat fehlt bei SpOn das Adjektiv "jung". Dass es um zu erzwingenden Sex geht, war mir hingegen schon klar. Ich bin aber einfach davon ausgegangen, dass der Versuch - aus seiner Sicht - kläglich gescheitert ist. Geht man allerdings vom Gegenteil aus, dann verstehe ich die Aufregung.
Ich kann auf solch einen Witz verzichten, dennoch finde ich den Vorwurf fragwürdig. Witze, kolportieren und brechen -bestenfalls- Tabuthemen, oder? Makabere Witze allemal!
http://www.spiegel.de/panorama/gesellschaft/missbrauchte-muslimin-laila-und-ihr-onkel-a-785929.html
http://www.emma.de/artikel/der-aufstand-der-musliminnen-263358
http://www.forum-islam.ch/fr/f-archiv/artikel.php?we_objectID=38
@antalus
Wie man die Relativierung von Vergewaltigung belanglos finden kann, ist mir völlig unverständlich. Das ist weder klein noch witzig. Gerade weil die Bild so eine große Leserschaft hat (die verkaufte Auflage laut ivw ist im letzten Quartal übrigens 2.438.684), stellt sich doch die Frage nach gesellschaftlicher Verantwortung.
Das ist ein übler Witz.
Wenn man da drüber lacht, akzeptiert man im Grunde sexuelle Forderungen an Frauen, die diese mit Gewalt abwehren müssen.
Ja aber ich bitte Sie, das sind doch keine Witze, das ist doch so, oder ?
Wenn man das als Witu erzählt, lädt man den anderen zum Lachen ein. So wie Sie das schildern, lachen sie da nicht.
Da lachen Männer aus der gemeinsamen Erfahrung darüber, daß mann fast immer kann, während bei Frauen meist längere Bekanntschaft und mehr emotionale Momente dabei sind. Natürlich nur statistisch, keine streng allgemeingülitige Regel.
Mann lacht aber nicht drüber, wenn so etwas wirklich geschieht, auch kein Bildleser. Sondern über die Übertreibung: aber ganz koscher ist es nicht. Also ich finde es nicht lustig.
Egal, wie gut oder schlecht oder möglicherweise diskriminierend der Witz in der ****-Zeitung war, an der gibt es wahrlich anderes und bedeutenderes zu kritisieren, als deren Verständnis von Humor.
"Wie man die Relativierung von Vergewaltigung belanglos finden kann, ist mir völlig unverständlicH"
Obacht- seit wann kann man einen Witz wortwörtlich nehmen, hm?
Und kann man das der BILD-Berichterstttung-Relativierung von vergewaltigung- unterstellen, hm ? Zu fragen wäre wohl eher, ob BILD ein Vorurteil über den Islam kolportiert (Ehrenmorde, Zwangsheirat etc). oder qua Witz dieses bricht ?
Dieser Frage gehen Sie nicht nach, weil ja ein Witz für Sie -a-literarisch, wortwörtlich zu nehmen ist. Ihr Artikel dann auch eher einer Eloge über den Segen von Twitter denn über die Dekonstruktion dieses -meinetwegen- blöden Witzes..
Und zur Vorbeugung: Sie werden im Netz und anderswo von mir weder eine Eoge auf BILD noch auf geschmacklose Witze finden. (...)
Ihr Artikel ist
http://www.bild.de/politik/ausland/indien/bild-report-ueber-indien-alle-20-minuten-eine-vergewaltigung-34602152.bild.html
Oha. Ich habe in Erinnerung, den Tweet auf Grund eines @ dem Thema zugeordnet zu haben, kann das jetzt aber (aus Gründen) nicht mehr nachvollziehen. Insofern danke für den Hinweis, habe die entsprechende Stelle korrigiert.
Tja, der besagte Witz ist leider in der Tat gar nicht so einach zu verstehen.
Wortlaut:
Zwei Freunde unterhalten sich: "Wieso bist du so zerkratzt?" - "Ich habe letzte Nacht um die Ehre einer jungen Frau gekämpft!" - "Und?" - Sie wollte sie behalten!"
Harhar, also:
1. Ein Witz über Vergewaltigung in der Ehe ist es schonmal nicht, Darstellung im hiesigen Artikel also FALSCH.
2. Fest steht, dass der Witz wohl nur so zu verstehen ist, dass die junge Frau die Annäherungsversuche des zerkratzen Herrn nicht wünschte und sich handgreiflich wehrte.
3. Dumm ist nur, dass der Witz auch funktioniert, wenn die junge Frau den Kampf gewonnen hätte. Und dann wäre er sogar witzig. Dass der Witz darin liegen sollte, dass sie im Endeffekt vergewaltigt wurde, kann man BILD zwar unterstellen, aber es folgt in keiner Weise zwingend oder auch nur als vorrangige Interpretation aus dem Syntax des Witzes.
4. Selbst eine vergleichsweise kurze & prägnante Analyse wie diese geht nicht mit 140 Zeichen
5. Twitter ist Scheiße für kritischen Journalismus.
mfG, der Krieger
Ja, ja sie sind da schon auf der richtigen Fährte. Laut Grammatik- Duden steht "kämpfen um" für Bewahren, Erhalten eine Sache. Die Pointe ist hier, dass der "Pawlowsche Hund/ (BILD/Unterleib) hier zubeißt.
einer