Brautkleid bleibt nicht Brautkleid

Tradition Für die Ausstellung "Trading Style" hat das Ethnologischen Museum in Frankfurt sein Archiv jungen Modelabels geöffnet. Das ist progressiv – und kommerzialisierend
Ausgabe 23/2013
Inspirationsquelle Museumsarchiv: In der Mitte eine Brauthaube aus Neuguinea, links die Adaption aus Kunsthaar des Labels CassettePlaya
Inspirationsquelle Museumsarchiv: In der Mitte eine Brauthaube aus Neuguinea, links die Adaption aus Kunsthaar des Labels CassettePlaya

Foto: Wolfgang Guenzel

Was passiert, wenn man junge Modedesigner vier Wochen lang in den Archiv-Kisten eines ethnologischen Museums mit rund 67.000 Exponaten wühlen lässt? Dieses Experiment hat das Museum der Weltkulturen in Frankfurt am Main gewagt und sich damit erstmals von seinem didaktisch-wissenschaftlichen Ansatz gelöst, um seinen Fundus einer Art modischer Laborarbeit zu öffnen.

Die vier Labels – P.A.M. aus Australien, Buki Akib aus Nigeria, A Kind of Guise aus Deutschland und CassettePlaya aus Großbritannien – haben während ihrer Residenz Kleidung, Schmuck und Videoarbeiten entwickelt, um zu fragen: Was haben die zeremoniellen Gewänder und Schmuckstücke aus aller Welt mit uns zu tun? Und wie können wir uns ihnen nähern? Im Erdgeschoss zeigen sie Exponate des Museums, in großen Vitrinen thematisch sortiert. In einem Raum voller handgearbeiteter Schuhe hängt die Fotografie eines Verkäufers auf Madagaskar, der Schuhe aus alten Autoreifen verkauft. Wie weit die globalen Konsumströme reichen, zeigt auch ein handgeschnitzter Kamm aus Polynesien aus dem Jahr 1997: In das dunkle Material wurde ein helles Nike-Zeichen eingearbeitet. Fremd muten hingegen die Penishüllen in der Vitrine nebenan oder die schillernden Federkronen aus Amazonien an, von denen man nur erahnen kann, wie und wozu sie getragen werden. Doch nur zwei Räume weiter schlägt ein bunt schillernder Brautkopfschmuck aus dem Schwarzwald der Versuchung einer eurozentristischen Exotisierung dieser Accessoires ein Schnippchen.

Allen Exponaten gemein ist ihre feine und aufwendige Herstellung, über die man in Zeiten massenindustrieller Kleidungsproduktion naiv staunt. Sie erinnern daran, dass Trachten anders als Mode beständig sein dürfen und ihre Fertigung vor allem eines ist: ein kunstvolles Handwerk.

Entsprechend drastisch ist der Bruch im zweiten Stock, wo die Designer ihre eigenen Entwürfe und Videoarbeiten mit Objekten und Fotografien aus dem Bestand des Museums kombiniert haben. Das Label CassettePlaya der Londonerin Carri Munden hat sich an lokalen Subkulturen als „neuen Tribes“ orientiert und Stücke produziert, die sich zwischen neonfarbener Luxuskleidung und kriegerischen Printmustern bewegen. Für die Ausstellung hat sich Munden auf männliche Initiationsriten etwa aus Neuguinea konzentriert. Ihr Video kombiniert Szenen aus einem Dokumentarfilm von 1973, der die blutüberströmten Körper junger Männer zeigt, die mit Pflanzenstacheln tätowiert werden, mit aktuellen Bildern aus einem Tattoostudio in England. Kann man ein archaisches Ritual mit einer ästhetischen Körpermodifikation auf eine Stufe stellen? In solchen Momenten wird deutlich, dass der Blick der Gast-Kuratoren kein wissenschaftlich-ethnologischer ist: Ihre Perspektive wirkt verkürzt, ja naiv, ist aber gerade darin wiederum auch authentisch.

Gerne würde man mehr über die Gründe für die Auswahl der Objekte wissen, von denen sich die Labels inspirieren ließen. So bleibt der ungute Beigeschmack, dass hier allzu willkürlich in die vermeintliche „Exotik-Kiste“ gegriffen worden ist. Und die Kulturgüter ihrerseits zu billigen Fundstücken der Verwertungsspirale geworden sind. Die T-Shirts von CassettePlaya etwa werden von Prominenten wie der Sängerin M.I.A. getragen und kosten über 200 Euro.

http://img51.imageshack.us/img51/4048/34r4.jpg

CasettePlaya Richard. Foto: Wize, Styling: Carri Munden, 2012

http://img211.imageshack.us/img211/2096/gadi.jpg

CasettePlaya Sara. Foto: Wize, Styling: Carri Munden, 2012

Trading Style Weltkulturen Museum, Frankfurt am Main, verlängert bis 27. Oktober

Nur für kurze Zeit!

12 Monate lesen, nur 9 bezahlen

Geschrieben von

Juliane Löffler

Onlinerin beim Freitag. Quelle: Papier

Juliane Löffler

Freitag-Abo mit dem neuen Roman von Jakob Augstein Jetzt Ihr handsigniertes Exemplar sichern

Print

Erhalten Sie die Printausgabe zum rabattierten Preis inkl. dem Roman „Die Farbe des Feuers“.

Zur Print-Aktion

Digital

Lesen Sie den digitalen Freitag zum Vorteilspreis und entdecken Sie „Die Farbe des Feuers“.

Zur Digital-Aktion

Dieser Artikel ist für Sie kostenlos. Unabhängiger und kritischer Journalismus braucht aber Unterstützung. Wir freuen uns daher, wenn Sie den Freitag abonnieren und dabei mithelfen, eine vielfältige Medienlandschaft zu erhalten. Dafür bedanken wir uns schon jetzt bei Ihnen!

Jetzt kostenlos testen

Was ist Ihre Meinung?
Diskutieren Sie mit.

Kommentare einblenden