Danke, Google-Werbung

Online-Sexismus Weniger Gehalt für Frauen? Eine Studie der Carnegie-Mellon-Universität hat herausgefunden, dass die personalisierte Werbung einen algorithmisierten Pay Gap beinhaltet
Ausgabe 29/2015
Mit dem Algorithmus lässt sich schlecht streiten - mit Google leider auch
Mit dem Algorithmus lässt sich schlecht streiten - mit Google leider auch

Foto: Scott Olson/Getty Images

Google, du kleiner Sexist! Es ist ja nicht so, dass personalisierte Werbung per se etwas Schlechtes wäre. Zwar ist es datenschutzrechtlich bedenklich, dass alle Online-Aktivitäten in einem Google-Profil gesammelt werden. Aber wenn ich schon Werbung angezeigt bekomme, ist es ja nicht verkehrt, wenn sie wenigstens meinen Interessen entspricht (bei Facebook bekomme ich immer wieder ein furchtbar hässliches Glitzerkleid angezeigt, blau, zum Sonderpreis). Aber nun hat eine Studie der Carnegie-Mellon-Universität herausgefunden, dass Männer auf Nachrichtenseiten mit deutlich höherer Wahrscheinlichkeit Anzeigen für gut bezahlte Managerjobs eingespielt bekommen als Frauen. Konkret ging es um einen Karriere-Coachingservice – 200.000 US-Dollar und mehr konnte man da verdienen. Den männlichen fiktiven Nutzern wurde der Job 1.852-mal angezeigt. Den weiblichen 318- mal. Ein algorithmisierter Pay Gap.

Die Forscher haben für ihre Studie ein Programm namens AdFisher gebaut, welches automatisiert Tausende Browser durch das Netz schickt und Werbeanzeigen analysiert, die über Google auf Webseiten angezeigt werden. Wo bist du gerade, wie viel Uhr ist es, was ist deine sexuelle Ausrichtung, was deine politische? All das weiß Google und nutzt es für personalisierte Werbung – wussten wir schon. Gleichzeitig wird angeblich auf die Auswertung intimer Daten verzichtet, etwa wenn es um die eigene Gesundheit geht. Stimmt aber gar nicht, argumentiert die Studie. Wer sich etwa über Drogenkonsum informiert, bekommt möglicherweise Anzeigen für Entzugskliniken. Um für uns Nutzerinnen und Nutzer ein bisschen mehr Kontrolle zu ermöglichen, hat Google zwar versucht, Transparenz zu schaffen: Über eine AdWords-Seite können auf dem eigenen Konto die gespeicherten Daten zu Alter, Geschlecht oder Interessen eingesehen und kann „interessenbezogene Werbung“ deaktiviert werden. Gegen die Diskriminierung hilft das freilich nicht – dann bekomme ich eben nur noch völlig unpassende Werbung angezeigt.

Überraschend ist die Ungleichbehandlung indes nicht. Auch Algorithmen werden von einem menschlichen Hirn erdacht und reflektieren – genau wie Werbung – bestehende gesellschaftliche Verhältnisse. Zynisch könnte man sagen: Da ist es nur konsequent, wenn Google Frauen schlechter bezahlte Jobs anzeigt. Empörend ist es trotzdem.

Abgesehen davon, dass mal wieder nur binär gedacht wird und alle zwischen den Geschlechterpolen Stehenden durchs Raster fallen. Mit dem Algorithmus kann ich nicht einmal darüber diskutieren, dass ich das Recht habe, gefälligst genauso viel wie Männer zu verdienen. Oder erklären, dass es sich nicht nur um „ein bisschen Werbung“ handelt, sondern subtil die Gehalts- und Berufsvorstellungen all jener prägt, die sich im Netz bewegen. Also schlappe drei Milliarden Menschen. „Dann sollen sich die Frauen für besser bezahlte Berufe entscheiden“ – lautet ein beliebtes Argument, wenn über Topgehälter gesprochen wird. Oder: „Was soll man da machen, es gibt halt nicht so viele Managerinnen.“ Wie sich das ändern soll, wenn diese Machtstrukturen immer reproduziert werden, on- oder offline, muss mir mal jemand erklären. Rollenmuster fallen schließlich nicht vom Himmel.

Gerade hat das Institut der deutschen Wirtschaft erklärt, dass Berufe, die für beide Geschlechter interessant sind, weniger von Fachkräftemangel betroffen sind. Dass es also allen hilft, wenn Berufe geschlechtergerecht vergeben werden (wozu eine faire Bezahlung gehört). Was kann man also tun? Klassische Manipulation. Ich habe jetzt meinem Google-Konto gesagt, ich bin männlich. Mal schauen, ob der Algorithmus mir glaubt.

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Geschrieben von

Juliane Löffler

Onlinerin beim Freitag. Quelle: Papier

Juliane Löffler

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