Manchmal reicht ein Blick über den Tellerrand, um Verhältnismäßigkeiten einzuordnen. Nicht, dass es etwa in den USA oder Deutschland rosig bestellt wäre für LGBTI, für sexuelle Minderheiten. Auch dort sterben sie (Orlando), auch hier müssen sie um Gleichstellung kämpfen (Adoptionsrecht). Und soeben wurde Trump zum Präsidenten gewählt. Immerhin jedoch gibt es noch Gesetze und ein weitreichendes Bewusstsein dafür, dass es sich um eine diskriminierte Gruppe handelt, die geschützt werden muss. In anderen Teilen der Welt werden Transpersonen und Intersexuelle verfolgt. Länder wie Iran, Sudan oder Saudi-Arabien bestrafen gleichgeschlechtlichen Sex mit der Todesstrafe. Um dagegen anzugehen, plante der UN-Menschenrechtsrat im Juni unter Federführung lateinamerikanischer Länder, einen Experten einzusetzen: gegen Gewalt und Diskriminierung aufgrund sexueller Orientierung und Geschlechtsidentität.
Nur gegen massiven Widerstand vieler Staaten wie Russland, China und des Großteils der afrikanischen Mitglieder wurde eine Resolution verabschiedet. Ende September wurde der Rechtsprofessor Vitit Muntarbhorn ernannt, um sich für LGTBI einzusetzen. Es war ein wichtiges weltweites Signal, wurde damit überhaupt erst einmal die Diskriminierung von LGBTI in der UNO anerkannt. Zudem bekam Muntarbhorn ein konkretes Instrumentarium zur Hand: Er kann Staatsberichte erstellen, in ausgewählte Länder reisen, zivilgesellschaftliche Akteure befragen, kurz: die Menschenrechtsverstöße untersuchen und als solche benennen.
Die Abstimmung im Juli jedoch ging knapp aus, die damals überstimmten Länder haben nun eine Gegenoffensive gestartet. In einer erneuten Resolution hat Sierra Leone sich zusammen mit der 54-köpfigen Afrikagruppe für die Abschaffung des Posten ausgesprochen – mit Unterstützung vieler islamischer Mitglieder. In dieser Resolution wird die rechtliche Grundlage des Expertenmandats bezweifelt. Maja Liebing, Expertin für die Rechte sexueller Minderheiten bei Amnesty International, kritisiert im Gespräch mit dem Freitag: „Da wird auf dem Rücken von LGBTI Machtpolitik betrieben und von den eigentlichen Problemen abgelenkt.“ Die anderen Staaten, so Liebing, dürfen sich davon nicht einschüchtern lassen, sondern sollten klarmachen, dass der Schutz von LGBTI zu den Pflichten der UN-Mitglieder gehöre. Die Abstimmung in dieser Woche dürfte wieder knapp ausgehen. Wie auch immer das Ergebnis lautet: Ein beunruhigendes Zeichen für die Kraft des Backlashs ist sie schon jetzt.
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