Dürfen Frauen bevorzugt werden?

Ärger für die "taz" Warum positive Diskriminierung auf dem Arbeitsmarkt und im Journalismus wichtig ist – und ein Gericht die linke Tageszeitung trotzdem dafür verurteilte
Ausgabe 24/2014
Dürfen Frauen bevorzugt werden?

Illustration: Otto

Wie sich Diskriminierung anfühlt, ist schwer vorstellbar, wenn man nicht davon betroffen ist. Umso größer fällt dann womöglich die Empörung aus, wenn man selbst zum Opfer wird. So ging es wohl auch einem jungen, in der Ukraine geborenen Journalisten, der sich bei der taz auf eine Volontariatsstelle beworben hatte – obwohl diese ausdrücklich für eine Frau mit Migrationshintergrund ausgeschrieben war. Der Journalist wurde, wie zu erwarten, nicht genommen. Er klagte – und bekam nun vor dem Arbeitsgericht Berlin Recht. Er sei wegen seines Geschlechts in unzulässiger Weise benachteiligt worden. Zudem verfehle die Ausschreibung allein an Frauen das von der taz erklärte Ziel, den Frauenanteil in journalistischen Führungspositionen zu erhöhen, denn es handle sich eben nur um eine Ausbildungsstelle. Die Zeitung muss dem angehenden Journalisten nun drei Volontärmonatsgehälter zahlen.

Verwunderlich ist diese Entscheidung vor allem, weil sowohl Frauen als auch Menschen mit Migrationshintergrund im Journalismus unterrepräsentiert sind. Ersteres belegte die taz selbst mit internen Zahlen in ihrem Hausblog. Letzteres kann man beim Medien-dienst Integration nachlesen: Jeder fünfte Einwohner Deutschlands hat einen Migrationshintergrund – aber nur jeder 50. ist als Journalist tätig. In solchen Fällen ist eine Art Ausnahmeregelung des Gleichstellungsgesetzes vorgesehen. Eine gezielte Bevorzugung ist also nicht per se ausgeschlossen. Es gibt bislang aber keine Studien, die belastbar zeigen, dass Frauen mit Migrationshintergrund besonders diskriminiert würden. Das war ausschlaggebend für das Urteil.

Der Schlüsselbegriff bei all dem lautet „positive Diskriminierung“. Dahinter steckt die Idee, oft benachteiligte Gruppen bei bestimmten Entscheidungen gezielt zu bevorzugen und zu fördern. Leider ist das Risiko groß, dass gegen solch eine positive Diskriminierung geklagt wird, wie jetzt wieder geschehen. Das könnte Arbeitgeber dazu verleiten, den Weg des geringsten Widerstands zu wählen, also: Alles bleibt, wie es ist. Schränkt man die Möglichkeiten zur positiven Diskriminierung ein, wird sich aber kaum oder nur sehr langsam etwas verändern.

Im Zentrum des Streits steht auch die Frage, ob erst ein Ungleichgewicht provoziert werden muss – indem Frauen bevorzugt eingestellt werden dürfen –, um ein gesellschaftliches Gleichgewicht herzustellen. Für einen Mann ist es sicher eine schmerzliche Erfahrung, einen Job aufgrund seines Geschlechts nicht zu bekommen. Für viele Frauen ist es aber das alltägliche Merkst-du-selbst-Spiel.

Warum es gerade im Journalismus wichtig ist, dass die Geschlechter gleichberechtigt vertreten sind, kann man in der Auszählung des taz-Hausblogs erkennen. Frauen schreiben dort nicht nur weniger (35,5 Prozent), es wird auch weniger über sie berichtet (Protagonistinnen: 28,6 Prozent). Wie solch eine Quote wohl bei der FAZ aussähe?

Nun ist es sicherlich Quatsch, zu behaupten, Frauen würden generell nur über Frauen schreiben und Männer nur über Männer. Aber ein Zusammenhang drängt sich auf. Wenn eine Zeitung sich darüber ärgert, dass die Pille danach immer noch nicht rezeptfrei ist: Aus wessen Feder wird der Beitrag wohl geflossen sein? Es geht nicht nur um Führungspositionen und Zahlen – es geht auch um Themen und Agendasetting. Solange sich da nichts Gravierendes ändert, ist positive Diskriminierung wichtig. Bis dahin gilt, was die ZDF-Aspekte-Redakteurin Luzia Braun einmal in der Pro-Quote-Diskussion sagte: „Erst wenn es auch unfähige Frauen nach oben schaffen, ist die Gleichberechtigung erreicht.“

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Geschrieben von

Juliane Löffler

Onlinerin beim Freitag. Quelle: Papier

Juliane Löffler

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